100 Jahre Geschichte des Segel-Clubs Nordstern e.V.

Inhalt

1 Auftrag an die nachgeborenen Mitglieder

2 Gast am Nordhafen 1915-1924

3 Dauerproblem Finanzen 1920-1945

4 Mitglied im Freien Segler-Verband 1922

5 Intermezzo in Wilhelmsruh 1924-1930

6 Endgültige Heimat Rustwiesen 1930-1932

7 Nordstern unter dem Hakenkreuz 1933-1945

8 Nachkrieg und weitere Entwicklung 1946-2020

9 Seglerische Erfolge

10 Frauen, Jugendliche und Kinder

11 Mitgliederentwicklung

12 Interessenvertretung durch die IG Rust

13 Traditionen (alphabetisch)

Anlage 1: Schlaglichter zur historischen Situation in Spandau 1920

Anlage 2: Fluchthilfe durch die Schwedische Kirche

Anlage 3: Meisterschaftserfolge

Anlage 4: Exemplarische Beispiele für Wettfahrtsiege

Anlage 5: Nordstern-Frauen erinnern sich

Anlage 6: Wirtsleute im Nordstern

Quellen: Fußnoten- und Literaturverzeichnis

1Auftrag an die nachgeborenen Mitglieder

Als am 27.01.1988 der langjährige 1. Vorsitzende und Ehrenvorsitzende des Segelclubs Nordstern mit 81 Jahren verstarb1, hinterließ er den Mitgliedern eine Botschaft und Bitte:

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„Liebe Nordsterner!!! In diesem Bildbericht habe ich alle mir zur Verfügung stehenden Fotos vom Bestehen des Clubs zusammengestellt. In der Hoffnung, daß er eventuell weitergeführt wird, übergebe ich es hiermit den Mitgliedern und bitte um schonende Behandlung. Euer Bernhard Nölte“2

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Zum 100jährigen Bestehen des Vereins im Jahr 2020 wird diesem Vermächtnis Rechnung getragen. Die folgende Vereinsgeschichte beruht, die Zeit bis 1970 betreffend, wesentlich auf den von Bernhard Nölte zusammengetragenen Fotos und Dokumenten. Er hat danach den Staffelstab an Werner Kunze weitergegeben, der es ebenfalls als seine Aufgabe ansah, die Geschichte des Vereins zu bewahren. Hier vermittelt er ihm ein Stück weit seine Erfahrungen. Darüber hinaus wird die Festschrift zum 75. Jubiläumsjahr des Vereins von Wolfgang Otter verwendet. Speziell die Ereignisse nach Jahreszahlen, die dort von Ruth Balzer und Werner Kunze zum 75. Vereinsjubiläum zusammengestellt wurden, werden berücksichtigt.3 Das Dia- bzw. Fotomaterial von Wolfgang Liebing und Renate Schröter lässt viele schon vergessene Details des Vereinslebens wieder aufleben und hilft, anhand der mitgeteilten Jahreszahlen, längst vergessene Ereignisse wieder zeitlich und inhaltlich einzuordnen. Im Mittelpunkt der Darstellung steht die Alltagsgeschichte der Mitglieder des Segel-Clubs Nordstern und ihrer Familien. Soweit möglich, sollen die Begebenheiten und Namen ihrer Zeit erhalten bleiben.

Diesem Anliegen haben sich viele Club-Mitglieder verpflichtet gefühlt, die mit Rat und Tat dem Verfasser zur Seite standen und immer wieder halfen, das Dickicht der Informationen zu lichten. Ruth Balzer, Peter Block, Klaus Großpietsch, Cordula Kaplick, Wolfgang Kaplick, Erika Liesecke, Bernhard Quellhorst und Manfred Schröter wurden nicht müde, die vielen Fragen meinerseits zu beantworten. Mein ganz besonderer Dank gilt allerdings Manfred Richter und Renate Schröter, die ganze Tage darauf verwandt haben, mir die Ereignisse und Zusammenhänge der Vereinsgeschichte zu erklären. Die Zusammenarbeit mit Manfred Richter geht bis in das Jahr 2016 zurück, als wir die Dias von Wolfgang Liebing beschrifteten und die Zeit von 1961 bis 1982 besprachen. In Renate Schröter stellte sich mir eine Bewahrerin der Nordstern-Historie an die Seite, die nicht locker ließ, bis ich die letzten Details korrekt verstanden hatte. Sie opferte 2020 ihre Zeit, um besonders die Ereignisse vor 1961 und nach 1982 zu kommentieren.

Thomas Wolff

2Gast am Nordhafen 1915-1924

2.1Treffpunkt Restaurant „Zum Nordhafen“

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Der heutige Segel-Club Nordstern e. V. (SCN) wurde 1920 als Wassersportverein Nordstern (WSVN) gegründet. Allerdings begannen die Zusammenkünfte der Wassersportinteressierten lange Zeit vor Gründung des Vereins. Schon ab 1915 trafen sich Skatbrüder, Badelustige und Bootsbesitzer im Restaurant „Zum Nordhafen“ an der Streitstr./Ecke Hohenzollernring. Der Name ihres Zusammenschlusses sollte „Yacht-Club Nordstern“ lauten (Kopie).4 Das Restaurant „Zum Nordhafen“ hatte keinen direkten Anschluss an die Havelgewässer, lag aber gegenüber dem Nordhafen in der Spandauer Neustadt. Das Foto lässt erkennen, dass sich auf der rechten Seite der Streitstr. ein unbebautes Gelände hin zum Nordhafen öffnet. Es sind große Schilder auf weißen Vierkanthölzern zu sehen, die als Durchgänge zur Hafenanlage gedient haben können. Auf der rechten Bildseite sieht man, an den Bäumen entlangführend, die Gleise der Straßenbahn nach Hakenfelde, die am „Restaurant Nordhafen“ vorbei führten. Hakenfelde war schon ab 1914 mit der Spandauer Straßenbahn zu erreichen.

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Die Linie H fuhr vom Bahnhof West bis nach Hakenfelde und erreichte ab 01.12.1915 eine Taktzeit von 7,5 min! Das Foto mit den Straßenbahnangestellten der Linie H entstand 1917 und verdeutlicht nebenbei, dass bereits viele Frauen den Schaffner- oder Fahrerdienst versahen.5 Vom Spandauer Bahnhof West fuhr man mit dem Personenzug bis nach Berlin. Ab 10.12.1928 war Spandau durch die Große Elektrifizierung an das S-Bahnnetz Berlins angeschlossen.6 Die damals vorhandenen, umfangreichen Möglichkeiten des Nahverkehrs erklären, dass etliche Mitglieder des neu entstehenden Wassersportvereins nicht aus Spandau kamen (1930 gab es Mitglieder, die von Wilmersdorf, Pankow, Charlottenburg, Karow oder Friedenau nach Hakenfelde fuhren).

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Der Hinweis auf Skatspieler und Badelustige, lässt vermuten, dass es sich bei den frühen Zusammenkünften im Restaurant „Zum Nordhafen“ nicht nur um Segler gehandelt haben mag. Es wird ein loser Zusammenschluss von unterschiedlich interessierten Wasserfreunden gewesen sein. Der erste Stander zeigte einen blauen Stern auf weißem Grund (Kopie).7 Dazu hatte man auch schon Mützenschilder für die obligatorischen Schiffermützen anfertigen lassen, die bei den meisten Seglern der Arbeiterschaft zur Alltagskleidung gehörten. Der Wirt des Restaurants „Zum Nordhafen“ ist Willi Niepmann, der nach 1918 von Max Fisch als Pächter abgelöst wird, wie von Bernhard Nölte berichtet wird. In jedem Fall kann Max Fisch das Restaurant „Zum Nordhafen“ nicht lange betrieben haben. Da es sich nur um eine typische Berliner Eckkneipe gehandelt hat, wird er sich nach lukrativeren Geschäftsideen umgesehen haben. Ein Restaurant mit Wasseranschluss wird ihm gerade recht gekommen sein, da er den Wassersportbegeisterten aus der Eckkneipe endlich eine Wasseranbindung bieten konnte. Das Spandauer Adressbuch von 1922-23 weist ihn als Gast- und Schankwirt aus, der an „An der Oberhavel“ ansässig ist. Ein sicherer Nachweis, dass Max Fisch schon früher das Restaurant „Bootshaus Oberhavel“ gekauft oder gepachtet hatte, besteht in der Einladung zur ersten Frühjahrsregatta vom 19.06.1921, die erhalten blieb und „Start und Ziel am Bootshaus von Herrn Fisch“ ausweist (Dokument s. u.). So ist es nur folgerichtig, dass der Wasserzugang am Nordhafen beim „Bootshaus Oberhavel“ die Segler motiviert hat, einen ersten Steg zu bauen. Wie Bernhard Nölte berichtet, wird bei Max Fisch schon vor der Vereinsgründung dieser Steg gebaut, der durch ein Handgeld an den Wirt bezahlt wird. Max Radke baute dort den ersten Flaggenmast, der nach der Vereinsgründung den Stander getragen hat (Kopie).8 Einen guten Eindruck von den Steganlagen am „Bootshaus Oberhavel“ erhält man durch ein späteres Foto von 1926, wo man sich am Nordhafen beim „Bootshaus Oberhavel“ zum Ansegeln traf. Es ist gut möglich, dass hier noch die ersten Steganlagen des Vereins zu sehen sind, der zu der Zeit schon im Restaurant „Wilhelmsruh“ beheimatet ist (vgl. Abschn. 5.1). Wichtig für die weitere Historie des Vereins ist, dass das Gründungsrestaurant des Vereins, das „Bootshaus Oberhavel“ von Max Fisch, auch das weitere Clubheim des Vereins war, bis man sich 1924 mit Max Fisch nicht mehr auf eine Vertragsverlängerung einigen konnte und zum Restaurant „Wilhelmsruh“ umzog.

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Walter Poser wird später der erste Vorsitzende des Wassersportvereins Nordstern werden. Er ist dem ersten Wirt, Willi Niepmann, der später die Versammlung zur ersten Vorstandswahl leiten wird, freundschaftlich verbunden. Die überlieferte Aufnahme zeigt die beiden Männer in zugewandter Pose. Auch die von beiden getragene Matrosenkleidung zeugt von gleichgestimmtem Interessen zwischen den Männern und von einer demonstrativ zur Schau gestellten Sympathie zu Wasser und Schifffahrt. Sucht man in den Wurzeln der Arbeiterbewegung nach den Verbindungen zum Matrosenberuf, dann ergeben sich historische Zusammenhänge, die alle durch das Leitbild eines gegen die Obrigkeit aufbegehrenden Matrosenstands charakterisiert sind.

Einerseits können es die Matrosen des Panzerkreuzers Potemkin sein, die 1905 gegen die Offiziere der russischen Marine meutern. Zeitlich, noch naheliegender, wären die Matrosen der Aurora, die 1917 das Winterpalais des russischen Zaren stürmten und damit die Herrschaft der Arbeiter-Sowjets einleiteten. Der rote, fünfzackige Stern im Stander des späteren WSVN weist ebenfalls in Richtung Sowjetstern. Und andererseits kommen die 1917 erschossenen Anführer der Antikriegsbewegung unter den Matrosen der kaiserlichen Marine, Albin Köbis und Max Reichpietsch, als Vorbilder in Frage. Etwas später, 1918, findet der Matrosenaufstand von Cattaro statt, der sich gegen die Monarchie Österreich-Ungarns richtete. Auch die Rote Marine als Sektion des deutschen Rotfront-Kämpferbundes (RFB), der Wehrorganisation der KPD in der Weimarer Republik, kann beide beeinflusst haben. Ob diese Zusammenhänge den beiden Männer bekannt waren und sie antreiben oder ob es nur ihr allgemeines Interesse am Berufsbild des Matrosen ist, gekoppelt mit dem Hobby des Segelsports – wir wissen es nicht genau. Es kann auch eine Gemengelage dieser Motive gewesen sein, die ihr Outfit bestimmt hat. Jedenfalls dürfte ihr äußeres Erscheinungsbild auch ihren persönlichen Neigungen und ihrem Weltbild entsprochen haben.

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Die Weimarer Nationalversammlung beschloss Anfang 1919 den 1. Mai zum gesetzlichen Feiertag zu bestimmen, was sich nur begrenzt für das Jahr 1919 aufrechterhalten ließ. Die damaligen Wassersportinteressierten des späteren WSVN nutzten diese Möglichkeit für einen gemeinsamen Ausflug am 1. Mai 1919. Frauen und Männer beteiligten sich in etwa gleicher Anzahl an der Bootspartie nach Valentinswerder. Fritz Städing (späterer Delegierter zum Freien Segler-Verband) und Frau sind u. a. auf dem Bild zu sehen, können heute aber nicht mehr identifiziert werden (Kopie).9 Es ist denkbar, dass man an den beliebten Prinz-Heinrich-Schiffermützen schon Mützenschilder trug, die den vorgenannten blauen Stern auf weißem Grund darstellten – man sah sich als Wasserfreunde und Segler in der Schiffertradition. Die gemeinsame Maifeier beruhte u. a. auf sozialdemokratischen Positionen, zu denen sich die späteren WSVN-Mitglieder hier offensichtlich bekannten.

2.2 Historische Situation zur Zeit der Vereinsgründung

Um zu verstehen, wie die ersten Wassersportler in der Gründungszeit des Vereins in den Jahren 1919/1920 gelebt haben, lohnt sich ein kurzer Blick auf die geschichtlichen Ereignisse der damaligen Zeit. Es war die Zeit nach dem verlorenen 1. Weltkrieg, die durch die Gründung der Weimarer Republik, die Reparationszahlungen des Versailler Friedensvertrages, die sich ständig verschärfende Inflation und die politischen Unruhen des Kapp-Putsches bestimmt war. Die großen politischen Ereignisse dieser Zeit wirkten sich direkt auf das Leben der Bevölkerung Spandaus aus. Arbeitslosigkeit, Lebensmittelrationierung, Hunger, Elektrizitäts- und Kohlenmangel sowie der Ärger über die Eingemeindung Spandaus in den Groß-Berliner Raum durchdringen alle Lebensbereiche. (Spandau-Details, vgl. Anlage 1)

2.3 Vereinsgründung 1920

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Das „Bootshaus Oberhavel“ war das Gründungslokal und das reguläre Clubheim des Wassersportvereins Nordstern. Einundzwanzig der zahlreichen Wassersportler, die an den Steganlagen des „Bootshauses Oberhavel“ beheimatet sind, finden sich am Sonntag, den 01.08.1920 zur Gründung des „Wassersportvereins Nordstern, Spandau E. V. “ zusammen.10 Ziel der Vereinsgründung war es, sich der Hebung des Arbeitersegelsports und der Förderung der Jugendpflege zu widmen.11 Das Gründungslokal ist um 1918 noch ohne den Anbau der Bootsunterstände zu sehen und hat zur Vereinsgründung und mindestens noch bis 1924 Max Fisch gehört. Im Spandauer Adressbuch 1926-27 ist dann Arthur Tresper als Gastwirt des Restaurants „Bootshaus Oberhavel“ nachgewiesen. Offensichtlich hat Max Fisch das Restaurant nicht halten können und musste es an einen Nachfolger abgeben. Seine wirtschaftlichen Schwierigkeiten werden auch der Grund für die erhöhte Stegpacht gewesen sein, die er dem jungen WSVN abverlangen wollte. Nach 1930 hat Arthur Tresper das Ausflugslokal zum Terrassen-Restaurant „Bootshaus Oberhavel“ ausgebaut, so dass das hallenartige Gebäude rechts neben dem eigentlichen Lokal hinzugekommen ist. Vor dem „Bootshaus Oberhavel“ befinden sich weiträumige Terrassen. Das hallenartige Gebäude auf der rechten Seite besitzt Oberlichtfenster und kann als Veranstaltungs-Saal oder als Bootshalle genutzt worden sein. Davor befinden sich diverse Bootsstände mit entsprechenden Dalben. Vom Restaurant „Bootshaus Oberhavel“ hat sich heute nur noch der Straßenname „Am Bootshaus“ erhalten (Querstraße von der Straße Havelschanze).

Terrassen Rest

Das Ausflugslokal „Bootshaus Oberhavel“ lag nicht weit entfernt vom Restaurant „Zum Nordhafen“. Von der Wasserseite aus gesehen befand es sich an der südlichen Hafenmündung links neben einem historischen Gebäude, welches sich noch heute erhalten hat. Es ist das 1911 errichtete Bootshaus für Ruderboote mit Badeanstalt. Es wurde in den 20er Jahren als Bootshaus von der Preußischen Hochschule für Leibesübungen genutzt und stand direkt neben dem „Bootshaus Oberhavel“. Heute ist es ein Schülerbootshaus. Der Ausschnitt der alten Karte von 193712 zeigt, dass sich das „Bootshaus Oberhavel“ zwischen zwei Badeanstalten befand: links die Polizei-Badeanstalt und rechts die erwähnte Badeanstalt der Hochschule für Leibesübungen. Wiederum links neben der Polizei-Badeanstalt lag die Städtische Badeanstalt an der Schäferstr., die, getrennt nach Herren und Damen, zu besuchen war. Nicht weit entfernt von den zwei Zentren des frühen Vereinslebens befanden sich „Seitz Festsäle“ (vgl. Abschn. 4.6), die für alle möglichen größeren und kleineren Feierlichkeiten zur Verfügung standen und zusätzlich über einen Biergarten verfügten. Insofern konzentrierte sich das frühe Vereinsleben auf drei zentrale Orte in Hakenfelde: Eckkneipe „Zum Nordhafen“, Ausflugslokal und Clubheim „Bootshaus Oberhavel“ und „Seitz Festsäle“. Die drei Lokationen befanden sich in fußläufiger Nähe zueinander und waren untereinander in wenigen Minuten erreichbar.

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Die erst kürzlich aufgefundene Jahreskarte von 1930, nennt als authentisches Gründungsdatum den 01.08.1920. Die Gründungsversammlung leitete Willi Niepmann, der ehemalige Gastwirt vom Restaurant „Zum Nordhafen“ und Freund von Walter Poser. Die Boote des Vereins fahren nunmehr unter einem weißen Stander mit weißem „N“ in rotem Stern. Etwas später werden dann die Buchstaben W, S und V in die drei Ecken des Standers eingefügt. Die Aktivitäten erstrecken sich auf die Sparten Segeln, Rudern und Motorbootfahren. Die dann folgende, erste Generalversammlung führt zur Wahl eines Vorstandes, dessen erster Vorsitzender Walter Poser wird.13

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Die spätere Mitgliedschaft im Freien Segler-Verband (man sprach sich dort gegenseitig mit „Sportgenosse“ an14), die Verwendung des 5-eckigen roten Sterns im Stander (mit Anklängen an die Form des Sowjetsterns), die Feier des 1. Mais 1919 und die in der Kleidung zum Ausdruck gebrachte Nähe zur arbeitenden Schicht, verdeutlichen, dass es sich bei der Vereinsgründung um einen Arbeiterverein handelte. Die Arbeiterschaft ist damals im eher linken Spektrum in mehreren Parteien organisiert (SPD, USPD und KPD), was im sich herausbildenden Vereinsleben sowohl zu Spannungen, als auch zu vertrauensvoller Zusammenarbeit über alle Parteigrenzen hinweg, geführt haben wird (vgl. die Abspaltung des SCS im nächsten Kapitel).

Der allgemein gehaltene Vereinsname „Wassersportverein“ deutet darauf hin, dass man die sportliche Betätigung breiter fasste, als sie ausschließlich auf den Segelsport zu beziehen. Rudern, Schwimmen, Freiluftvergnügen und die in der Arbeiterbewegung verbreitete Freikörperkultur (Nacktbaden) wurden offensichtlich mitgedacht.15 Um die Situation zu verstehen, muss man sich vor Augen halten, dass junge Menschen, die den Mut hatten, im Freien zu baden, ein bedingungsloser Kampf angesagt wurde. Selbst das Baden im zebragestreiften, knielangen Badeanzug war überall noch „polizeilich verboten“. Gendarmen und Oberförster sorgten dafür, dass das Verbot eingehalten wurde und bezeichneten die jungen Leute, die sich nicht daran hielten, als „Totengräber der Moral“.16

Der Begriff „Nordstern“ ist nicht zufällig entstanden, sondern sollte sehr bewusst ein zentrales Element der Seefahrt ansprechen. Das Wort ist ein Synonym für den hellsten Stern im Sternbild Kleiner Bär (auch Kleiner Wagen genannt), für den die unterschiedlichsten Namen vergeben wurden. Heute ist der Begriff Nordstern aus dem Sprachgebrauch verschwunden und man nennt ihn nur noch Polarstern. Er hatte große Bedeutung in den verschiedensten Kulturkreisen und ist nachts das einfachste Mittel zur Feststellung der geografischen Nordrichtung.

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Die erste Vereinswettfahrt wird 1920 gestartet. Es sind 21 Segelboote, die an der ersten Regatta des WSVN teilnehmen. Auf dem Ponton steht der Bauunternehmer Alboin Piller, dessen Verbindung zum Verein nicht mehr nachverfolgt werden kann. Wegen der unruhigen Zeit nach dem 1. Weltkrieg (Armut, Lebensmittelknappheit, Inflation und Arbeitslosigkeit) werden strenge Bestimmungen zur Bewachung des Boots- und Vereinsmaterials erlassen, an denen sich alle Mitglieder zu beteiligen haben. Ein Versäumnis der Wache wird mit 20 Mark geahndet. Die Wachangelegenheiten werden später mit dem Angelverein Plötze und dem zwischenzeitlich gegründeten Segel-Club Spandau abgestimmt, die ebenfalls im „Bootshaus Oberhavel“ beheimatet sind.

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Schnell stabilisiert sich das Vereinsleben und es werden die Seglertraditionen – An- und Absegeln – auch im WSVN eingeführt und gelebt. Auf dem Bild sind die später langjährigen Mitglieder beim Ansegeln 1921 zu sehen. Es sind Walter Poser (Bildmitte, stehend mit Fliege), Fritz Städing (liegend, im weißen Pullover), Erich Karge (mit Mandoline), Johannes Richter (mit Kind zwischen Karge und Städing), Otto Lerm, Erich Förstel, Otto Zank und ihre Frauen. Der Gesang gehört immer dazu. Es sind vier Instrumente auszumachen: Akkordeon, Pauke, Mandoline und rechts unten der Spieler mit der Schalmei. Schalmeien spielten in der Arbeiterbewegung der 20er Jahre eine zentrale Rolle. Bei Demonstrationen und bei Massenveranstaltungen der KPD gehörten Schalmeienorchester zur musikalischen Begleitung. Weiterhin sind Kameraden des späteren SC Spandau beteiligt, die zu der Zeit noch zum WSVN gehörten.

Einladung Regatta am 19.06.1921

Schon am 19.06.1921 startet die erste offizielle Frühjahrsregatta des WSVN. Start und Ziel ist das „Bootshaus Oberhavel“ von Arthur Tresper. Nach der Preisverteilung um 17 Uhr wird ein buntes Programm mit Schlagern dargeboten (schon in den Anfängen des Vereins wird der Sport mit gesellschaftlichem Vergnügen verbunden). Folgende WSVN-Mitglieder nehmen an der Regatta teil, für die auch 1930 noch ihre Zugehörigkeit zum Verein nachgewiesen ist: Hermann Reinke, Erich Förstel, Erich Karge, Johannes Richter und Otto Lerm. Erich Karge wurde später Ehrenmitglied im heutigen SCN. Eingangs wurde erwähnt, dass der Standort der ersten Steganlagen des Vereins nicht mehr genau zu ermitteln ist. Einerseits ist nachgewiesen, dass sie vom Wirt des Restaurants „Zum Nordhafen“, Max Fisch, gepachtet wurden. Andererseits spielen sich die wichtigsten Aktivitäten des jungen WSVN am „Bootshaus Oberhavel“ ab (z.B. Vereinsgründung 1920, erste Frühjahrsregatta 1921).

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Erich Karge (15er Rennjolle, M 16 „Heidy“) und Otto Lerm (Ausgleicher, A 18) müssen auf den Tegeler Gewässern besonders aktiv gewesen sein, da sie mit ihren Segelbooten schon vor 1920 auf einer handkolorierten Postkarte zu sehen sind (Kopie).17 Die beiden Kameraden sind nach 1920 im Verein als Schiedsrichter tätig. Sie liegen hier mit ihren Booten ein Stück entfernt vom Nordhafen, an der Dampferanlegestelle Wilhelmsruh (vgl. Abschn. 5.1).

2.4 Abspaltung des SCS 1922

Die Polarisierung durch unterschiedliche politische Zielsetzungen im Segelsport kommt besonders durch die Existenz von drei Dachverbänden des Segelsports zum Ausdruck. In den 20er Jahren bestehen Freier Segler-Verband (FSV, gegr. 1901), Deutschen Segler-Bund (DSB, gegr. 1912) und Deutscher Segler-Verband (DSV, gegr. 1888) mit unterschiedlichen Zielsetzungen nebeneinander. Während im DSV eher die wohlhabenden Segler organisiert waren, fanden sich die Arbeitersegler im FSV zusammen. Am wenigsten ist heute über den DSB bekannt, für den es Anfang 2020 z. B. keinen Wikipedia-Eintrag gibt. Einer seiner Gründungsväter war Max Küst, der bei der Gründung des DSB im Jahr 1912 einer seiner maßgeblichen Förderer wurde. Er machte es sich zur Aufgabe, denjenigen Seglern eine Heimstatt zu geben, die durch die anderen beiden Verbände nicht vertreten waren. Ziele des Bundes waren bescheidene Einfachheit sowie „Pflege und Förderung eines volkstümlichen Segelsports“.18

Aus heutiger Sicht kann es nur die Ablehnung einer politischen Ausrichtung an den Zielen der Arbeiterbewegung im FSV gewesen sein, die die Gründung des DSB veranlasst hat. Da man sich auch nicht dem Großbürgertum und dem Adel verpflichtet fühlte, der im DSV organisiert war, wird es sich um das konservativ denkende, positiv verstandene Kleinbürgertum gehandelt haben, das sich im DSB zusammenfand (Ladenbesitzer, selbstständige Handwerker, kleine Beamte, Lehrer). Da sich Vertreter dieses einfachen Mittelstands auch im Nordstern wiederfanden, kann das sich abzeichnende Zerwürfnis innerhalb des WSV Nordstern von vorn herein nicht allzu groß gewesen sein. Andererseits erinnere man sich an die Symbolfigur des Matrosen in der Arbeiterbewegung, die durch Walter Poser verkörpert wurde (vgl. sein Foto zusammen mit Willi Niepmann). Als Walter Poser zum ersten Vorsitzenden gewählt wurde, wird er diese Traditionslinie nicht verleugnet haben. Das konnte so manchen konservativ eingestellten Seglern auf keinen Fall behagen.

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Als der WSVN sich 1922 dem Freien Segler-Verband anschloss, war dies für sechzehn Segler, die z. T. schon Mitglied des Vereins gewesen waren, Anlass genug, aus dem WSVN auszutreten und einen anderen Verein zu gründen. So entstand im Jahr 1922 der Segel-Club Spandau E. V., der Ende des Jahres bereits 30 Mitglieder hatte. Da sich die Mitglieder des SCS eher mit den Zielen des Deutschen Segler-Bundes verbunden fühlten, trat man am 27.06.1923 diesem Dachverband bei.19 So sind aus dem WSVN zwei Vereine hervorgegangen (SCS und SCN), wodurch der Segel-Club Spandau immer zwei Jahre nach dem Segel-Club Nordstern seine Jubiläen feiert. Die beiden Vereine waren weiterhin Nachbarn und blieben, trotz der unterschiedlichen Ausrichtungen zur Gründungszeit, gute Freunde.

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Über die Jahre wurde z. B. die gute Sitte beibehalten, sich gegenseitig zu den Gründungsfeiern einzuladen (1. Vorsitzender SCS, Gerald Edinger 1995 zu Gast beim 75. Jubiläum des SCN).20 Als 1954 die Mitglieder des SCS bei einem Großbrand fast ihre gesamte Bootsflotte verlieren, wird im Nordstern eine Umlage von 3,- DM pro Mitglied beschlossen und dem SCS als Spende übergeben.21 Auch kleinere Feiern werden ab und an gemeinsam begangen. Auf dem Foto von 1967 ist zu sehen, wie Mitglieder des SCS am SCN-Steg angelegten und die Nordsterner zur Neptunstaufe auf ihrem benachbarten Grundstück abholen. Im Hintergrund am Stegende ist der Mast mit rotem Korbball zu sehen, der als Startsignal für Wettfahrten diente.

3Dauerproblem Finanzen 1920-1945

3.1 Jahresbeitrag

Grundsätzlich finanziert sich der Verein über den laufenden Jahresbeitrag. Im Gründungsjahr des Vereins betrug der monatliche Beitrag 0,50 Mark, während es ein Jahr später, 1921, bereits 3 Mark waren.22 Die Höhe des Jahresbeitrages ist ab 1930 durch weitere Quellen belegt und beträgt für ordentliche Mitglieder 60 RM bzw. für Junioren 30 RM (gezahlt werden monatl. 5 RM bzw. 2,50 RM). Als Eintrittsbeitrag für ordentliche Mitglieder sind 25 RM vorgesehen, Junioren zahlen dafür 12,50 RM.23 Seit 1928 kommt für 3 Jahre eine Umlage von 10 RM hinzu (Summe 30 RM), die 1931 mit zusätzlichen 50 RM auf 80 RM erhöht wird. Schlussendlich erfolgt 1932 eine Aufwertung der Umlage um weitere 20 RM auf dann insgesamt 100 RM. Bei einem Eintritt in den WSVN sind demnach ab 1932 zusätzlich 100 RM als Umlage aufzubringen. Bis 1938 ist nachgewiesen, dass diese Beiträge konstant bleiben und sich nicht verändern.24

3.2 Sanierung der Finanzen mit Anteilscheinen 1923

Anteilschein Nr. 31

Nach seiner Gründung befand sich der Verein in einer äußerst schwierigen Wirtschaftslage.25 Der Ankauf eines Schuppens vom Kleinsiedlerverband am 01.11.1922 (vgl. Anteilschein) zur Winterlagerung der Boote wird den Verein bis an seine finanziellen Grenzen gebracht haben. Für den Schuppen mussten 70.000 Mark aufgebracht werden.26 Wenn man bedenkt, dass er nur 5 x 8 m maß, dann erkennt man bereits die sich ständig verschärfende Inflation, die erst 1923 mit der Einführung der Rentenmark ein Ende nahm. Der Vorstand vergibt ab 1922/23 zur Sanierung der Finanzen Anteilscheine an die Mitglieder, die für 500 und 1000 Mark gezeichnet werden können (incl. 5 % Verzinsung).27 Die Anteilsinhaber bekommen nicht nur Anteile am käuflich erworbenen Bootsschuppen, sondern auch am gesamten Inventar und am Vereinsvermögen des WSVN. Unterzeichnet werden sie vom Vermögensverwalter, Fritz Städing und vom 1. Vorsitzenden, Walter Poser. Ob der unterzeichnende Ernst Dellin der Anteilsbesitzer mit der Nr. 31 war, lässt sich nicht ermitteln. Die hohen Summen für den Schuppen und für die Anteilsscheine lassen sich nur vor dem Hintergrund der galoppierenden inflationären Entwicklung erklären.

Nachdem der monatliche Mitgliedsbeitrag am 04.09.1923 mit 300.000 Mark seinen Höchststand erreicht hat, wird er am 02.10.1923 auf 10 Goldpfennige festgelegt, die am Tage der Beitragszahlung zum amtlichen Dollarkurs in Papiermark umgerechnet werden.28 Es kann angenommen werden, dass damit auch die Anteilsscheine gegen Null abgewertet wurden.

Der WSV Nordstern war noch bis 1924 im Restaurant „Zum Nordhafen“ ansässig. Wegen ständig zunehmender Probleme bei der Stegplatzvergabe, die vom Pächter, Max Fisch, verursacht wurden, wird die Errichtung eigener Bootsstände an anderer Stelle beschlossen.29 Es dürfte sich letztendlich um erhöhte Kosten für die Miete der Stegplätze gehandelt haben, die für den Großteil der Mitglieder aus der Arbeiterschaft nur schwer aufzubringen war.

3.3 Jährliche Finanzierungs-Umlage ab 1928

10RM

Die aus den regulären Beiträgen erwachsenen finanziellen Ressourcen sind nicht ausreichend für die notwendigen Investitionen des Vereins. Deshalb beschließt die Generalversammlung am 03.12.1927 eine jährliche Umlage von 10 RM pro Mitglied des Vereins. Diese Forderung wird für drei Jahre von 1928 bis 1930 beibehalten. 1930 wird beschlossen, die Umlage auf insgesamt 80 RM zu erhöhen, so dass 50 RM zusätzlich an den Verein zu zahlen sind. Die Summe der Umlagen von 80 RM wird zunächst nicht verzinst. Bei ca. 50 Mitgliedern, die 1930 dem Verein angehören, sind dies immerhin zusätzliche 4.000 RM mit denen der Verein wirtschaften kann.

3.4 Neuaufbau der Kassenlage ab 1932

100RM

Zum Neuaufbau der Kassenlage wird auf der Generalversammlung vom 02.08.1932 beschlossen, dass die Umlage von 80 auf 100 RM erhöht wird (Aufwertung genannt). Die Umlagen werden weiterhin nicht verzinst. Erst auf der Generalversammlung vom 05.01.1936 wird der Antrag von Arthur Thürer angenommen, die Umlagen auf Sparkassenniveau mit 3 % zu verzinsen, so dass pro Jahr 3 RM an die Mitglieder ausgezahlt werden. Ab 1940/42 werden die Zinsen auf 2½ % gesenkt. Die Finanzierungshilfe des Vereins durch Umlage ist langfristig ausgerichtet und wird bis zum Kriegsende dokumentiert.

300RM

Zur Verfolgung der Zahlungen, Zinsen und Tilgungen wird ein Anteilscheinbuch angelegt, in dem die Zahlungsvorgänge jedes zeichnenden Mitglieds minutiös vermerkt sind. Die späteren Abschriften aus dem Anteilscheinbuch für die Jahre bis 1942 vermerken in der Regel die korrekten Anteile von 100 RM. Auch kleinere Beträge von 10, 50 oder 70 RM existieren, wenn Rückzahlungen an die Mitglieder erfolgt sind. Einzelne Mitglieder machen sich sehr verdient, da sie auch größere Beträge von 300 oder 500 RM als Darlehen an den Verein geben. Die dokumentierten Unterlagen verdeutlichen zweierlei. Einerseits wird in unterschiedlichen Versammlungen vom Vorstand verlangt, dass die Umlagen bis auf weiteres nicht zurückgezahlt werden. Dies sollte zunächst auch für ausgetretene Mitglieder gelten!

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Erst ab 1938 werden den am längsten ausgetretenen Mitgliedern im Laufe des Jahres 30 RM ausgezahlt. Andererseits wünschen die Mitglieder, dass die Umlagen zurückzuzahlen sind. Es wird um kleinste Beträge gerungen. Immer wieder werden Sonderanträge an den Vorstand gestellt, die eine Rückzahlung der Umlage erbitten. Die Briefe und Texte belegen auf beiden Seiten die bittere Not in den Kriegszeiten. Ab Anfang der 40er Jahre werden die Umlagen zurückgezahlt, die letzten Umlagen werden 1948 kurz vor der Währungsreform rückerstattet (z. B. an Karl Albrecht am 15.05.1948). Die finanzielle Not steht in eigentümlichem Kontrast zu Frohsinn und gutgelauntem Alltagsleben im Verein.

4Mitglied im Freien Segler-Verband 1922

4.1 Abgrenzung zum Deutschen Segler-Verband

Die Bedeutung der Mitgliedschaft im Freien Segler-Verband (FSV) für die Entwicklung sowie das Selbstverständnis und Selbstbewusstsein des WSVN kann kaum unterschätzt werden. 1930 sind 42 Vereine mit 2.683 Mitgliedern und 1.465 Booten im Freien Segler-Verband vereinigt.30

fsv stander alt neu b

Der Dachverband der Segelsportler, der 1888 gegründete Deutsche Segler-Verband, ließ nur Segelvereine zu, deren Mitglieder aus adligen bzw. höhergestellten bürgerlichen Kreisen stammten. Es war verpönt, Vereine aufzunehmen, deren Mitgliedern sich aus einzelnen Handwerkern oder gar ungelernten Arbeitern rekrutierten.31 Auch die Teilnahme an Regatten des Deutschen Segler-Verbandes war den Arbeiterseglern nicht gestattet. Insofern blieben die Arbeitersegler immer Segler zweiter Klasse, welche man durch Schleusengelderhöhung und sonstige Schikanen drangsalierte, denen man mit Nichtachtung und Hintansetzung begegnete und die man am liebsten ganz von der Wasserfläche hätte verdrängen wollen.32 Verbitterung und verletztes Ehrgefühl drängten die Arbeitersportler dazu, einen eigenen Dachverband zu gründen. Daher wurde am 5. März 1901 der Berliner Wettsegel-Verband (BWV) vom SC Fraternitas 1891 und von der Freien Vereinigung der Tourensegler Grünau gegründet.33 Auf einer Tagung des BWV vom 13.02.1905 beschloss man, sich einen Verbandsstander zu geben – einen roten Ball im weißen Feld.34 Durch die deutschlandweite Ausdehnung des FSV kam es dazu, dass Boote des FSV auch die deutschen Hoheitsgewässer verließen. Da die bisherige FSV-Flagge mit der japanischen Handelsflagge identisch war, musste eine neue Verbandsflagge gestaltet werden. Auf dem Seglertag 1926 beschloss man, den roten Ball auf weißem Feld unbedingt beizubehalten und wählte eine weiße Raute als neue Grundfläche aus, die sich wiederum auf einem roten Untergrund befand.35

Nationale

Die Gründungs-Mitglieder des WSVN, die sich der Arbeiterschaft zugehörig fühlten, werden die Zurücksetzungen auf dem Wasser gut gekannt haben. Bereits im Juni des Jahres 1922 schlossen sie sich dem BWV an.36 Bedingst durch ein deutschlandweites Interesse der Segelvereine, dem BWV beizutreten, musste die Berliner Namensspezifik aufgegeben werden. In einer Verbandssitzung vom 18.10.1924 gab man sich den neuen Namen „Freier Segler-Verband“ (FSV). In der Außenwahrnehmung dokumentierten die Freien Segler ihre Zugehörigkeit zur neuen Zeit zunächst mit der „Nationalen“ der Weimarer Republik (schwarz-rot-gold), während viele Herrensegler des Deutschen Segler-Verbandes oder des Deutschen Segler-Bundes die Flagge des Kaiserreiches als „Nationale“ zeigten (schwarz-weiß-rot). So wurde schon von weitem sichtbar, wes Geistes Kind man war – entsprechende Auseinandersetzungen auf dem Wasser inklusive.37. Mehr und mehr wird aber das Symbol des Freien Segler-Verbandes immer wichtiger auf den Booten der Arbeitersportler. Auf fast jedem Foto aus der damaligen Zeit ist der Stander der Freien Segler (roter Ball auf weißem Grund bzw. auf weißer Raute) an den Schiffen zu entdecken.

4.2 Der WSVN in der FSV-Organisation

Eine Verbandssitzung beschloss am 13.01.1925, die Segelvereine Berlins in zwei Gruppen aufzuteilen – die Gruppe Ost, die alle Vereine umfasste, die östlich der Mühlendammschleuse lagen und eine Gruppe West für Vereine westlich der Schleuse.38 Insofern gehörte der WSV Nordstern damals zur Gruppe West des FSV. Die beiden Gruppen Ost und West bilden den Kreis Berlin. Die Mitgliedschaft beim FSV förderte den Zusammenhalt und die freundschaftlichen Beziehungen mit den anderen Segelvereinen, die zur Gruppe West des FSV gehörten39. 1930 gehörten 10 Vereine zur Gruppe West, heute sind davon noch 7 Segelvereine aktiv (SVSt, TSV, SCN, VSJ, SCF, WSV 1929 und JSC). Der WSVN musste sich also mit mehreren großen Vereinen an der Oberhavel das Merkmal „Arbeiterverein“ teilen.

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Voller Stolz führen die Arbeitersegler die Flagge der Freien Segler hoch am Bug mit sich. Jeweils im ersten Quartal der Jahre 1925 bis 1932 fanden acht Seglertage des FSV statt40, 41, die dazu führten, dass sich die Vereine näher kennenlernten und besser zusammenwuchsen. In diesem Zusammenhang wurde auch die Öffentlichkeitsarbeit gestärkt. Auf dem ersten Seglertag 1925 wurde beschlossen, eine Zeitschrift für Segelsport und Motorbootsport herauszugeben, die den Titel „Der Freie Segler“ erhielt. Im April 1925 erschien die erste Nummer mit nur zwölf Seiten Umfang. Ihr Fortbestand wurde dadurch gesichert, dass die Abnahme obligatorisch für alle Mitglieder erfolgte.42 Somit war die Zeitschrift auch für die WSVN-Mitglieder verfügbar und trug zur überregionalen Informiertheit bei.

Hinzu kommt der moderate Mitgliedsbeitrag, der vom FSV erhoben wurde und selbst für finanzschwache Vereine zu bewältigen war. Pro Verein war eine Einschreibgebühr von 10 RM zu zahlen und auch der jährliche Beitrag war mit ebenfalls 10 RM pro Verein relativ kostengünstig. Einzelmitglieder, die keinem Segelverein angeschlossen waren, zahlten als Eintrittsgebühr 4,50 RM und jährlich 15 RM bei kostenloser Lieferung der Zeitschrift „Der Freie Segler“.

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Um die Begeisterung der damaligen Segelsportler für den FSV zu verstehen, muss man sich vor Augen führen, dass aus diesem Milieu heraus Groß-Events für die Bevölkerung Berlins gestaltet wurden, die stets ein Freudentag für alle Wassersportinteressierten waren und eine Woche dauerten („Müggelwoche“, der Müggelsee wurde damals „Müggel“ genannt). Hier wird am Lindenufer in Spandau ein Schleppzug von Booten zum Müggelsee zusammengestellt. Auf dem Müggelsee, seltener auf dem Langen See, wurden offene Segelwettkämpfe abgehalten, zu denen tausende Berliner kamen.43 Während viele Besucher mit der Bahn hinausfuhren, benutzten die meisten die Dampfer, die extra dazu gechartert waren, um die Besucher von Berlin für 50 Pf. an den Müggelsee zu befördern.44 Mit riesigen Transparenten versehen, zogen die Dampfer dann ihren Kurs nach Marienlust am Langen See, damit die Passagiere bequem eine richtige Wettfahrt von Segelbooten mit ansehen konnten.45

FSV Veranstaltungen WSV Nordstern 1930

Organisatorisch wurde bei den Segelwettkämpfen zwischen Verband, Gruppe und Verein unterschieden. Verbands-Aktivitäten betrafen die Berliner Vereine beider Gruppen Ost und West. Gruppen-Wettkämpfe der Gruppe West wurden zwischen den Vereinen an der Oberhavel/Tegeler See ausgetragen und Vereins-Wettkämpfe bezogen sich auf vereinsinterne Regatten. Die Verbundenheit mit dem FSV führte dazu, dass sich große Teile der jährlichen Veranstaltungen des WSVN auf Aktivitäten des Verbandes und der Gruppe bezogen. Folgende Veranstaltungen aus dem Jahresprogramm des WSVN in 1930 hatten FSV-Events zum Inhalt und wurden bis 1933 nach diesem Grundmuster durchgeführt:

Gruppe Frühjahrs- Wettfahrt (Mai) und Herbst-Wettfahrt (September) auf den Gruppen-Gewässern (Oberhavel/Tegeler See)
Verband Seglertag (1. Quartal), Sommer-Wettfahrt auf dem Müggelsee (Müggelwoche im Juli), Jugendtreffen/Jugendwettfahrt (August)

Aufschlussreich ist in diesem Zusammenhang, dass der FSV nicht immer einmütig und geschlossen zu seinen Entscheidungen kam. Es gab zahlreiche innere und äußere Konfliktbereiche für den FSV. Im Außenverhältnis spielten sich die Probleme vorrangig zwischen FSV und den drei anderen großen Arbeiter-Wassersport-Verbänden ab. Dabei handelte es sich um den Arbeiter-Turn- und Sportbund (ATSB), der eine eigene Wassersportsparte besaß, um den Deutschen Wassersportverband (DWV) und die Zentralkommission für Arbeitersport und Körperpflege. Die wassersporttreibenden Reichsbannersportabteilungen nahmen ebenfalls am Wettbewerb um die Arbeitersegler teil und waren vorübergehend Mitglied im DWV. Sie waren das Reizthema für die eher links eingestellten Segler im FSV.46 Besonders konkurrierte der ATSB gegenüber dem FSV um die Gunst der Arbeitersegler. Die Mitgliedschaft in der Zentralkommission wurde vom FSV 1926 vollzogen, weil man dadurch Beihilfen und Steuervergünstigungen der Regierung erhielt. Zuvor war dies vom ATSB hintertrieben worden. Da der ATSB ebenfalls Mitglied in die Zentralkommission für Arbeitersport und Körperpflege war, ging es zwischen FSV und ATSB immer wieder um Kompetenzstreitigkeiten, da man zwei Verbände als Zersplitterung der Kräfte ansah.47

In der Innendarstellung des FSV spielten sich die gleichen Konflikte ab, wie in der politischen Arena des damaligen Deutschland. Die Arbeiterschaft war zwischen sozialdemokratischen und kommunistischen Einflüssen hin- und her gerissen. „Die heftigen politischen Auseinandersetzungen in der Arbeitersportbewegung zwischen Sozialdemokraten und Kommunisten, die 1928 u.a. in der Spaltung des ATSB gipfelten,… entwickelten sich insbesondere im Großraum Berlins, dem Kernland der Rotsportbewegung. Interessanterweise wurde der FSV von diesen Konflikten weniger stark in Mitleidenschaft gezogen, obwohl auch in den Vereinen des FSV kommunistisch orientierte Segler organisiert waren. Bekannt ist dies vom SV Rahnsdorf, TSV g Tegel, WSV Nordstern, SC 1919 Stralau und vom Freien Wassersport Bremen sowie den Freien SV Undine Königsberg.“48 Der WSV Nordstern galt also zur damaligen Zeit als Arbeiterverein, dem u. a. auch einige KPD-nahe Mitglieder angehörten. Die Auseinandersetzungen mit der zahlenmäßig kleinen, z.T. aber politisch hochkarätig besetzten kommunistischen Opposition im FSV (außerhalb des WSVN) flammten bis 1932 auf den Seglertagen immer wieder neu auf.49 Im Geschäftsbericht der Zentralkommission für Arbeitersport und Körperpflege wird dazu 1928 beruhigend eingeschätzt: „In den Seglervereinen sind meist alte Sportgenossen vereinigt, die sich durch die kommunistischen Phrasen nicht so leicht benebeln lassen.“50 „Im Vorfeld des FSV-Seglertages vom Januar 1929 kam es in Berlin zu schweren politischen Auseinandersetzungen in der Zentralkommission. Das Arbeitersport- und Kulturkartell Groß-Berlin mit seinen Bezirkskartellen, das Bezirkskartell für den Regierungsbezirk Merseburg sowie das Arbeitersportkartell Halle a.S. wurden von der Zentralkommission wegen kommunistischer Fraktionsarbeit für aufgelöst erklärt.“51 Der WSV Nordstern votierte mit 17 zu 12 Stimmen für das alte Kartell und gegen seine Auflösung.52 Die linksorientierten Einflüsse innerhalb des WSVN, aus denen sich dieses Stimmverhalten erklären läßt, werden durch den weiteren geschichtlichen Verlauf, speziell in der NS-Zeit, aber auch im Kalten Krieg, immer weiter in den Hintergrund gedrängt, bis sie letztendlich nicht mehr in der Erinnerungskultur des Vereins präsent waren.

In politischen Fragen nahm der FSV und seine Führung immer wieder eine auffallend neutral-moderierende Haltung ein. Sowohl in der Weimarer Republik als auch in der NS-Zeit bemüht man sich auffällig, eine deutliche Distanz zu parteipolitischen Fragen aufzubauen und gleichzeitig die sportlichen und gesundheitserhaltenden Funktionen des Verbandes für die Arbeiterschaft hervorzuheben.53

4.3 Engagement des WSVN im Verband

1930 waren im erweiterten FSV-Vorstand 21 Positionen zu besetzen. Davon wurden 5 Funktionen allein durch Mitglieder des WSVN ausgeübt.54 Drei Mitglieder hatten 1930 Doppelfunktionen, da sie neben dem FSV-Engagement auch im WSVN wichtige Positionen einnahmen (Walter Biesler, Erich Förstel und Fritz Städing).

Engerer Vorstand 2. Vorsitzender Erich Förstel
Erweiterter Vorstand Kassenprüfer Walter Biesler
Gruppe West Wettfahrtobmann Fritz Städing
Vermesser Walter Borrasch
Jachtregister Erich Förstel

Bedenkt man, dass 1930 im FSV insgesamt 42 Segel-Vereine organisiert waren, aber 25% der FSV-Vorstandsfunktionen von WSVN-Mitgliedern besetzt wurden, dann erkennt man die Bedeutsamkeit, die man im WSVN dem Dachverband des Arbeiter-Segelsports (FSV) zugemessen hatte. Motivation und Arbeitsaufwand der engagierten WSVN-Mitglieder müssen enorm gewesen sein. Wo traf man sich, wie stimmte man sich in damaliger Zeit ab? Die Geschäftsstelle befand sich in Berlin-Grünau55, der Treffpunkt der FSV-Sportgenossen, das Restaurant „Falkenstein“, befand sich an der Oberbaumbrücke. Allein, um die Fahrtwege unter den damaligen Umständen zurücklegen zu können, bedurfte es eines beträchtlichen Aufwandes für die Beteiligten.

4.4 Pfingsttreffen

Mit Ausrufung der Weimarer Republik stieg die Zahl von bezahlten Urlaubstagen für Angestellte und Arbeiter in den großen Firmen auf acht bis 12 Tage. Für Arbeiter in kleinen Handwerksbetrieben und selbständige Einzelunternehmer blieb dies noch unerreichbar. Deshalb wurden von den Werktätigen, die noch keinen mehrtägigen Urlaub im Betrieb zu erhielten, die Pfingstfeiertage sehr häufig zu Wanderfahrten mit dem Segelboot genutzt. Als sich1920 die „Touren-Segler-Vereinigung Tegel“ als erster Verein aus dem Berliner Westen dem „Berliner Wettsegel-Verband“ anschloss und einige andere Vereine bald folgten, wurden unter dem roten Kreis im weißen Feld zu Pfingsten längere Touren nach Ferch und Werder bis zum Schwielowsee unternommen.56 Die Beliebtheit und Häufigkeit der Pfingsttreffen war bei den Arbeiterseglern deutschlandweit ausgeprägt und wurde vom FSV gerne gefördert.57

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Nebenstehend ist eine Zusammenkunft von Vereinen des Freien Segler-Verbandes aus dem Umfeld des Tegeler Sees zu erkennen. Bei der großen Flagge mit dem V-förmigen Zeichen handelt es sich um den Stander der „Touren-Segler-Vereinigung Tegel“ (heute Touren-Segler-Vereinigung e.V.). Dahinter, zur Hälfte verdeckt, ist die Flagge des Freien Segler-Verbandes zu sehen – (roter) Kreis auf weißer Raute. Links daneben und nochmals klein im Hintergrund ist seitenverkehrt der Stander des W.S.K.S. (Wassersportklub Saatwinkel)58 zu sehen, der vor 1929 aufgelöst wurde und von der heutigen Wassersport-Vereinigung 1929 e.V. mit einer Neugründung wiederbelebt werden konnte. Mit einiger Sicherheit handelt es sich um ein Pfingstreffen von FSV-Vereinen des Tegeler Sees, die in den früher 20er Jahren im Umfeld des Schielowsees stattfand.59 Allein die Menge der Teilnehmer ist beeindruckend. Der WSVN wird dabei gewesen sein, da er die Pfingstfahrt in sein jährliches Programm aufgenommen hatte und sich das Foto in den Unterlagen von Berhard Nölte befindet.

4.5 „Falkenstein“-Wanderpreis

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Das Restaurant „Falkenstein“ war Treffpunkt der Berliner Sportgenossen des FSV60 und das Vereinslokal des SC 1898 und des VSJ61. Es gehörte den Gebrüdern Tölk und lag an der Falckensteinstr. 49, Nähe Oberbaumbrücke.62 Betreiber des Lokals war Richard Gläser, der den „Falkenstein-Wanderpreis“ auch gestiftet hatte.63 Der Wanderpreis wurde innerhalb des Freien Segler-Verbandes auf dem Müggelsee ausgesegelt. Schon 1922 erfolgt die erstmalige Teilnahme der Mitglieder des WSVN an der Müggelwoche (sprich Seglerwoche am die „Müggel“ genannten Müggelsee).64 Die Müggelwoche muss ein imposantes Event für die Berliner gewesen sein. Da die teilnehmenden Regatta-Boote aus allen Ecken Berlins zusammenkamen, waren die Zufahrten und Schleusen zum Müggelsee voll von Segelbooten, denen man gerne zusah.

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Der Preis ging alljährlich an den Verein, der den größten Prozentsatz seiner Klassenboote an den Regatten teilnehmen ließ.65 Bei der Wertung zum „Falkensteiner“ ging es um die Mitgliederzahl, die Anzahl der gesegelten Boote und die Ergebnisse der Mannschafts-Wettfahrten bei der Müggelwoche.66 Nachdem bei den FSV-Verbandswettfahrten der Preis 1927 das erste Mal vom WSVN gewonnen wurde, fassen die Mitglieder 1928 schon vor dem Schlepp zu den nächsten Verbandsregatten auf dem Müggelsee folgenden Beschluss: „Zur Verteidigung des Falkensteiner Wanderpreises in den Verbandsregatten verpflichten sich sämtliche Klassenbootsbesitzer des Vereins, die Regatta ohne Rücksicht auf die Wetterverhältnisse zu fahren und bis zum Schluss durchzuhalten.“67

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Das tun sie eingedenk der Tatsache, dass sie bei der Wettfahrt 1926 auf dem Müggelsee schwere Kenterungen miterlebt hatten. Bei einem Unwetter kenterten 30 Boote in einer Windböe. Die Schleppfahrt zum Müggelsee wurde 1929 gemeinsam mit dem Tegeler Touren-Seglern unternommen. Dort gelang es dem WSVN, den für den erfolgreichsten Verein ausgeschriebenen Wanderpreis nach zweimaligem Gewinn nunmehr endgültig zu erringen. Das Glück der Nordsterner über den endgültigen Gewinn des „Falkensteiner“-Wanderpreis konnte auch nicht trüben, dass man bei der Rückfahrt nicht mehr durch die Schleuse Plötzensee kam, die ab 22 Uhr geschlossen hatte. Erst morgens um 4 Uhr kam man wieder zuhause an (Kopie).68

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Der Wanderpreis bestand aus einer Marmorschale mit einer dazugehörigen 50 cm hohen Bronzefigur.69 Man beauftragte Tischlermeister Knoll eine 8-eckige Vitrine zu bauen, in der der Preis aufgestellt und wie eine Reliquie verehrt wurde. Der „Falkensteiner“ bekam in den Folgejahren im Winter einen Ausstellungsplatz in Seitz Festsälen in der Schützenstr. 2-470 und in der warmen Jahreszeit bekam er einen Platz in der Sommerkantine des Vereins. Seitz Festsäle waren ein Zentrum des gesellschaftlichen Lebens in Spandau und boten Raum für Festlichkeiten bis Anfang der 70er Jahre (vgl. Abschn. 4.6). Das Foto zeigt den in der Sommerkantine aufbewahrten Preis; man trank sein Bier im Angesicht des „Falkensteiners“. Im Hintergrund ist der Vorhang zu sehen, der die Sommerkantine provisorisch vom Bootsschuppen abteilte. Erst 1938 wurde eine feste Zwischenwand aus Holzplatten eingebaut. Als der Verein das Gelände nach dem Krieg wieder offiziell benutzen durfte, war die Vitrine leer. Viele Nordsterner beklagten diesen Verlust noch lange Jahre hindurch und bewahrten die leere Vitrine in der Sommerkantine zur Besichtigung auf.71

4.6 „Seitz Festsäle“ und der SCN

AStgM, Neg. 3468, Gruss aus Festsäle Spandau, Postkarte, 1901

„Seitz Festsäle“ waren der Ausstellungsort des „Falkensteiner“ Wanderpokals. Um die Ausstellung in einem Großrestaurant zu organisieren, ohne dass dadurch wesentliche Kosten entstehen durften, wird vermutlich eine persönliche Beziehung des Clubs zu den Betreibern der Festsäle bestanden haben. Im weiteren Verlauf der Geschichte des SCN werden die Festsäle immer wieder als wichtiger Veranstaltungsort für Vereinsfeiern auftauchen und durch Dokumente nachgewiesen werden. Beispiele dafür sind die Preisverteilung am Saisonende 1926, der Stiftungsball 1949 und das 30jährige Jubiläum des Vereins 1960. Bernhard Nölte nennt „Seitz Festsäle“ liebevoll und ein wenig ironisch die „Neue Welt“ Spandaus und vergleicht sie damit mit Berlins berühmtem Bierpalast in der Hasenheide. Ironisch deswegen, weil in den Spandauer Festsälen ca. 500 Personen untergebracht werden konnten72, die „Neue Welt“ aber ungleich größer war. In der „Neuen Welt“ in der Hasenheide fanden schon im ersten fertiggestellten Saal, Anfang des 20. Jahrhunderts, 2000 Besucher Platz.

Seitz Festsäle

Seitz

Besitzer von „Seitz Festsäle“ war Carl Seitz, der das Etablissement schon im 19. Jahrhundert betrieben haben muss. Ein erster Nachweis stammt von 1901 und stellt einen Großen Festsaal, einen Kleinen Festsaal und einen Biergarten dar. Die Innenausstattung macht einen gediegenen Eindruck. Die Festsäle befanden sich im so genannten „Proletenviertel“ am Havelufer73 und zwar in der Schützenstr. 2-4, unmittelbar an der Kreuzung zur Schäferstraße. Seit der NS- oder Nachkriegszeit wurde das Gebäude offiziell als „Spandauer Festsäle“ bezeichnet. Man erkennt zu der Zeit drei Räume – zwei Ansichten eines großen Saals mit Bühne und Tanzfläche (Schützenstr. 4) und einen kleineren Saal, dem ein Restaurant mit Theke vorgelagert war (Schützenstr. 3) und einer größeren Gesellschaft als Speisesaal gedient haben mag. Außerdem gab es in dem unbebaubaren spitzen Winkel an der Kreuzung Schäfer-/ Ecke Schützenstr. den Biergarten (Schützenstr. 2). Sofern die Nordsterner Tanzveranstaltungen mit Angehörigen durchzuführen hatten, musste der große Saal mit Bühne und Tanzfläche angemietet werden.

AStgM, Neg. 3467, Berlin Spandauer Festsäle, Postkarte, o.D.

Der Nutzungszweck der Festsäle ändert sich im Lauf der Jahrzehnte ständig. Bereits 1920 spielten „Seitz Festsäle“ eine wichtige politische Rolle bei einer Versammlung von hunderten SPD- und KPD-Mitgliedern. Im Anschluss an die Versammlung formierte sich der Widerstand gegen den Kapp-Putsch. Die Spandauer Streiks, die sich in den deutschlandweiten Generalstreik einordneten, hatten hier ihren Ausgangspunkt. Für die Arbeiter unter den Segelfreunden werden diese siegreichen Tage und Wochen unvergesslich gewesen sein.

AStgM, Neg. KB 422 14A, Spandauer Festsäle, Foto, 1973

Die erste Berliner Versammlung der Nazis mit Goebbels als Gauleiter an der Spitze wurde1926 in „Seitz Festsälen“ abgehalten. Goebbels rühmte sich später, die Reichshauptstadt Berlin von der Havelstadt Spandau aus erobert zu haben.74 Hakenfelde wurde wegen der vielen Nazis auch „Hakenkreuzfelde“ genannt. Auch das wird den Mitgliedern des WSV Nordstern unvergesslich geblieben sein. Viele Arbeiter-Segler werden die Faust in der Tasche geballt haben. Vielleicht gerade deswegen wurde der Verein immer wichtiger und zur lebens-zentralen Nische, in die man sich mit der Familie zurückziehen konnte.

Spandauer Festsäle heute

Die Festsäle waren in den 50er und 60er Jahren des 20. Jahrhunderts oft Schauplatz politischer Kundgebungen unterschiedlicher Parteien. 1966 fand hier der 1. Parteitag, der, bei den West-Berlinern verhassten, SED Westberlin statt. Ab Mitte der 60er Jahre organisierten die Kunert-Betriebe Beatkonzerte und Tanzveranstaltungen in den Festsälen.75 Im Jahr 1973 wurden die „Spandauer Festsäle“ abgerissen. Heute stehen Wohngebäude mit Mietwohnungen an der Stelle.

4.7 Nachwirkungen des FSV

Liederbuch des Freien Wettsegel Verbandes

Die Verbundenheit der Segelvereine wurde auch durch die Verwendung eines gemeinsamen Liedguts bestärkt. Traf man sich in der Gemeinschaft, konnte man sicher sein, die gleichen Lieder zu kennen und zu singen. Bestes Beispiel ist das Liederbuch des Freien Wettsegel-Verbandes, dem auch das heutige Vereinslied des SCN entstammt („Wir bleiben treu dem Segelsport“, Lied Nr. 37).76 In der Nachkriegszeit war die Herkunft der Lieder weitgehend verlorengegangen, so dass man den Bezug zum Freien Segler-Verband nicht mehr kannte.

Führerschein Kurt Richter 01.06.51

Eine weitere Neuerung des FSV hat die Zeit überdauert. Schon 1924 beschloss man erstmalig, Segelboots-Führerscheine vom FSV-Dachverband herauszugeben. Die Führung eines Segelbootes war erst gestattet, nachdem eine theoretische und eine praktische Prüfung vor einer Prüfungskommission abgelegt worden war. Schon damals wurde für die theoretische Prüfung ein Fragebogen verwendet, der von behördlicher Seite als mustergültig anerkannt wurde.77 Die Wasserpolizeiverordnung (WPV) fordert 1930 einen amtlichen Führerschein für Sportfahrzeuge, da nur im Sport geübte Personen zu deren Führung berechtigt sind.78 Vom FSV werden damals folgende Leistungsvoraussetzung als unabdingbar für die Führung eines Sportfahrzeuge definiert: Geschicklichkeit, Entschlossenheit, Kraft und Abhärtung.79Der spätere Vorsitzende, Kurt Richter, erhält in den sich ordnenden Verhältnissen von 1951 seinen Bootsführerschein A (Binnenfahrt), der gut 25 Jahre vorher vom FSV erstmalig eingeführt wurde.

Auch die Nutzung der häufigsten Segelbootsklasse in den 40er bis 60er Jahren geht auf einen Beschluss des FSV zurück. Die immer schlechter werdenden Zeiten in den 20er Jahren ließen den Wunsch nach einem kleinen, billigen Jollenkreuzer stärker werden. Hieraus entwickelte sich der 15qm-Jollenkreuzer, der dann zusammen mit dem 20qm-Jollenkreuzer auf dem 5. Seglertag 1929 als grundlegender Standard für die Vereine angenommen wurde.80 Als das Vereinsleben nach dem 2. Weltkrieg wieder in Gang kam, bestand der Hauptteil der Bootsflotte aus 15qm- und 20qm-Jollenkreuzern.

Die frühe Arbeiterbewegung im Allgemeinen und die Freien Segler im Besonderen hatten über lange Jahre eine Parole, mit der sie sich wohl in den verschiedensten Zusammenhängen motivierten: „Vorwärts immer, rückwärts nimmer.“81 Sie konnten nicht ahnen, dass fast 60 Jahre später der DDR-Staatsmann, Erich Honecker, genau diesen Satz verwandte, um einen untergehenden Staat schönzureden (07.10.1989, Festansprache zum 40. Jahrestag der DDR im Palast der Republik). Als (unbestätigte) Replik darauf wird Michael Gorbatschow kolportiert: „Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben.“ Der Satz ging durch die Weltpresse. Man kann von Glück sagen, dass niemand in den Medien die Verbindung zum Arbeiter-Segelsport herstellen konnte.

5Intermezzo in Wilhelmsruh 1924-1930

5.1 Restaurant „Wilhelmsruh“

Karte Spandau,um 1920

Da sich die Vertragskonditionen für die Steganlage bei Max Fisch am Nordhafen, nicht mehr aufrechterhalten ließen, musste man sich nach einem anderen Standort umsehen. Nachdem Vertragsgespräche mit dem Pächter des Restaurants „Wilhelmsruh“, Wilhelm Verter, erfolgreich waren, zog der Verein 1924 dahin um. Wilhelmsruh war damals eine kleine Ortslage in Spandau, nicht zu verwechseln mit Pankow-Wilhelmsruh. Das Restaurant zählte schon Ende des 19. Jhd. zu den 200 beliebtesten Ausflugszielen außerhalb Berlins.82

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Die handkolorierte Ansichtskarte mit der Dampferanlagestelle (Spandau – Tegel – Heiligensee) zeigt einen idyllischen Ort mit viel Platz für evtl. Steganlagen. Mit der Fähre konnte man von Wilhelmsruh auch nach Tegelort und Valentinswerder übersetzen. Anfang des 20. Jhd. bezahlte man dafür 10 bzw. 15 Pfennige. Heute ist von dem beliebten Ausflugsziel der Berliner nur noch die kleine Schrebergartenkolonie „Wilhelmsruh“ übrig geblieben, die etwas nördlich von der Werderstr. gelegen ist (Schrebergarten Kolonie Wilhelmsruh, 13587 Berlin-Hakenfelde).

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Die Dampferanlegestelle befand sich an einem weitläufigen Restaurantgelände, an dem der schattenspendende Bewuchs der Alleen zu erkennen ist. Der Dampfer ist mit vielen Ausflüglern besetzt, die mit der Bahn von Berlin nach Spandau fahren, um danach mit dem Dampfer nach Heiligensee und zurück zu gelangen.

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Bei den Verhandlungen mit dem Pächter des Restaurants „Wilhelmsruh“, Wilhelm Verter, gelingt es festzuschreiben, dass mit dem Bau eines Bootssteges in Eigenarbeit begonnen werden kann. Am 11.05.1924 wurde der Steg eingeweiht. Hier sieht man die Mitglieder beim Rammen der Steganlage am Restaurant „Wilhelmsruh“. Die Anlage ist Eigentum des WSV Nordstern. Man erkennt das Eingangstor mit dem Restaurantnamen und dem Reklameschild „Schultheiss-Patzenhofer“. Selbst bei der Arbeit wurden Schiffermützen getragen.

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Nach Fertigstellung des Steges in Wilhelmsruh erfolgt 1924 die Stegeinweihung mit Standerhissung. Den Schwanz der Flagge hält Johannes Richter. Zu sehen sind Erich Förstel mit Tochter (später Frau Mohneke) auf dem Steg. Max Malicha (Schornsteinfegermeister, Mitgründer vom WSVN, Großvater von Heidrun Großpietsch), Erich Schröter, Paul Schlenger, Fritz Dembiak, Otto Lerm, Kurt Hackbarth und Erich Schwengber.

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Nach Abschluss der Stegarbeiten erfolgte der Umzug vom Nordhafen nach Wilhelmsruh. Noch im selben Jahr wurde eine Jugendabteilung gegründet, deren erstes Mitglied der spätere Vorsitzende Bernhard Nölte wird. Die Steganlage wird im Herbst bereits erweitert und bis 1929 zu einer eigenen Hafenanlage beim Restaurant Wilhelmsruh umgebaut.83 Das Bild zeigt die fertige Steganlage bei Wilhelm Verter. Die Hafenanlage mit einem Kopfsteg ist zu erkennen, der T-förmig auf der linken Seite weiterführt. Das Boot C 13, Ausgleichsjollenkreuzer „Ronchi“, gehört Erich Schwengber, der die weite Anreise aus seinem Wohnort, Friedenau, nicht scheut.

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Das Restaurant „Wilhelmsruh“ (1888 als Etablissement Verter erbaut) in etwas größerer Ansicht. Es wird für ca. 6 Jahre die neue Heimstatt des WSVN. Im Tanzsaal (große hintere Fenster) wurden die Boote im Winter untergebracht und auf der Galerie des Saals wurden die Versammlungen abgehalten. Vorn rechts ist der Ausschank zum Biergarten zu erkennen – es wird vornehm bedient, die Selbstbedienung war noch nicht erfunden. Das Bild zeigt den Biergarten aus der entgegengesetzten Blickrichtung. Schon in den Zeiten vor Photoshop gelingen beeindruckende Fotomontagen. In den Vordergrund wurden die sitzenden Herren mit „Kreissäge“ (flacher Herrenstrohhut) hineinmontiert. Sie halten eine Kegelkugel und einen Kegel als Werbung für die Kegelbahn des Restaurants in Händen. Vermutlich kegelten die späteren Nordsterner hier auch ab und an in ihrer Freizeit. Aber nicht nur das wird ihnen gefallen haben, denn der großzügige Bereich am Wasser bietet alles, was für ein Vereinsleben erforderlich ist. Ein großzügiger Biergarten ist vorhanden, dessen Kapazität in den 30er Jahren auf 3000 Personen ausgelegt ist, sowie ein großer Veranstaltungssaal, Vereinszimmer, Veranda und Kaffeeküche sind vorhanden. Es finden ständig Konzerte und Tanzveranstaltungen statt.84

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Die Ansichtskarte vom Restaurant „Wilhelmsruh“ richtet ihre Perspektive von der Wasserseite auf den großen Biergarten. Auf dem Wasser findet ein reges Treiben von kleinen und mittleren Ruder- und Segelbooten statt. Die ausgedehnte Terrasse lädt unter schattigen Bäumen zu einem kühlen Bier ein. Ganz sicher saßen die Segler vom WSVN hier später gerne zusammen. Um die Finanzen zu stabilisieren wird der vom Kleinsiedlerverband erworbene Schuppen 1925 verkauft. Mit dem Pächter, Wilhelm Verter, kann man sich über die Nutzung des Tanzsaals als Winterlager für die Boote einigen.85 Bis dahin hatte in Wilhelmsruh für ca. ein Jahr der Schuppen hinter einem Zaun gestanden.86

01 Programm Preisverleihung, 30.10.1926

Am Saisonende fand eine Preisverteilung für die Sieger der Segelwettkämpfe statt. Das Programm des Wintervergnügens mit Tombola vom 30.10.1926 in Spandau ist überliefert. Veranstaltungsort sind die Seitz Festsäle in Spandau in der Schützenstraße. Schon morgens um 8 Uhr begann ein Unterhaltungskonzert mit Ballmusik und Tanz. Um 10 Uhr erfolgte die Ansprache des 1. Vorsitzenden, Erich Förstel, der anschließend auch die Preisverteilung vornahm. Das bunte Programm in den Pausen wurde weitgehend durch die Mitglieder gestaltet. So trat die Tänzerin, Fräulein Cläre Rossek, auf, die die Braut von Kamerad Otto Zank war. Als Bronzegruppe präsentierten sich die Mitglieder Albert Blum und Emil Niedhorn. Helmut Mohneke gewann die Tombola mit einem Präsentkorb mit Wurst. Nur der Sänger mit heiteren Liedern zur Laute, Herr Treiber, lässt sich nicht eindeutig dem Verein zuordnen.

Auch zum dritten Seglertag des FSV, der am 26./27.02.1927 im Gewerkschaftshaus in Berlin stattfand, entsandte der WSVN seine Delegierten. Der vom Wassersport-Verein 1921 E. V. aus Schmöckwitz eingebrachte Antrag zur Abschaffung der Preissegelei wird vom WSVN energisch abgelehnt. So kann erreicht werden, dass die Medaillen und Sachpreise für die Erstplazierten bei den Regatten beibehalten werden. Wichtig war auf dieser Tagung auch ein Antrag Königsbergs, um bis zum nächsten Seglertag ein Musterstatut für alle Vereine auszuarbeiten. Weiter wurde ein Antrag angenommen, dass alle im FSV registrierten Boote die definierten Unterscheidungszeichen zu führen haben.87

Bei den Wettfahrten der Westgruppe auf dem Tegeler See am 28.08./04.09.1927 sind die WSVN-Segler außerordentlich erfolgreich. An den beiden Tagen werden 20 Preise gewonnen, darunter 10 erste Preise. Besonders in der Bootsklasse der 15qm-Rennjollen waren sie fast unschlagbar.88 Deshalb kann im gleichen Jahr auch die 15qm-Rennjollen-Regatta des Vereins Spandauer Jollensegler E. V. (VSJ) vom WSVN gewonnen werden. Die Preise werden, zusammen mit dem „Falkensteiner“ im Winter in „Seitz Festsälen“ in der Schützenstr. 2-4 ausgestellt. Da das Ambiente der Festsäle einen noblen Eindruck machte (vgl. Abschn. 4.6) kann bei den dortigen Veranstaltungen auch ein gehobenes Publikums den Preis besichtigen. Im Sommer befinden sich die Preise in den Räumen des Restaurants „Wilhelmsruh“.89

Der Verpächter, Wilhelm Verter, kündigt 1927 den Pachtvertrag mit dem Ziel einer Pachterhöhung. Nach längeren Verhandlungen gelingt zwischen ihm und dem WSVN eine Einigung. Nachteilig für den Verein ist allerdings, nunmehr zusätzlich 500 RM für die Nutzung des Tanzsaals als Winterlager zahlen zu müssen. Der Vertrag gilt nur bis 1930 und bietet mittelfristig keine gesicherte Zukunft.90

Im Jahr 1928 sind die Vereinsstege völlig belegt, so dass Neuaufnahmen vorläufig nicht mehr zugelassen werden können. Neben der Jugendabteilung wird zusätzlich eine Juniorenabteilung für Mitglieder im Alter von 18 bis 21 Jahre gegründet und nur mit der Hälfte der regulären Monats- und Eintrittsbeiträge belastet.91

Da der Vertrag mit Wilhelm Verter 1930 ausläuft und keine gesicherte Zukunftsperspektive bietet, beschließt die Generalversammlung des WSVN die Beschaffung eines eigenen Grundstücks. Um das Thema zu beschleunigen, wird vom WSVN eine Eingabe an die Grundstücksdeputation des Bezirks Spandau aufgesetzt. Die anschließenden Verhandlungen mit dem Bezirksamt Spandau führen alsbald zum Erfolg.92

Das Restaurant „Wilhelmsruh“ wird im Bombenhagel des 2. Weltkrieges zerstört.93

5.2 Solidarisches Verhalten trotz knapper Mittel

Bezeichnend für die gegenseitige Solidarität in den wirtschaftlich schlechten Zeiten ist das Bemühen, den arbeitslosen Mitgliedern fürsorglich zu helfen. So wird z.B. 1926 ein Eisbeinessen abgesagt und durch ein günstigeres Heringsessen ersetzt. Mit dem Wirt wird dahingehend verhandelt, dass er 0,5 t Bier, 1 Ztr. Kartoffeln und pro Kopf 1,5 Heringe für zusammen 70 RM anbietet. Davon tragen 50 RM die Erwerbstätigen und der Rest wird aus der Vereinskasse beglichen. Den Arbeitslosen entstehen keine Kosten.94 Die Situation verschlechtert sich mit dem Fortschreiten der Weltwirtschaftskrise weiter, so dass die Arbeitslosigkeit ab 1929 noch mehr ansteigt. Der WSVN gehört zu den Vereinen des FSV, die darauf mit der deutlichen Reduzierung der Mitgliedsbeiträge und z. T. sogar mit völliger Beitragsfreistellung für arbeitslose Vereinsangehörige reagierten.95

Auch mit anderen Vereinen des FSV zeigt sich der WSVN solidarisch. 1925 wird eine Umlage von 50 Pfg. je Mitglied zugunsten des in Not geratenen Freien Segel-Vereins „Undine“ in Königsberg in Preußen beschlossen.96 Mit wenigen kleinen Booten unternahmen die Mitglieder Fahrten hinaus aufs Haff, benötigten aber seetüchtigere Boote. Zur Linderung der finanziellen Schwierigkeiten des Freien Segler-Vereins „Luv“ E. V. in Elbing in den Masuren erfolgt 1929 nochmals eine Umlage von 50 Pfg. je Mitglied.97 Die dortigen Mitglieder in Elbing waren von enormer Arbeitslosigkeit betroffen. Beide Vereine – „Undine“ in Königsberg und „Luv“ in Elbing – waren für den FSV eine Möglichkeit, seinen Einflussbereich weit nach Osten auszudehnen.98 Deshalb wurde für die Unterstützung der kleinen Vereine intensiv geworben.

5.3 Traditionskleidung

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Die Spezifik des Segelsports wurde schon frühzeitig durch ein entsprechendes Outfit zur Geltung gebracht. Auffällig ist das Tragen von Schiffermützen, welches daraus resultierte, dass sich der eigentliche Segelsport erst allmählich aus der beruflichen Schifffahrt entwickelte. Besonders in der Arbeiterschaft wurde in der Kleidung die Nähe zu den arbeitenden Schifffahrtsberufen zum Ausdruck gebracht. Die Segler aus den gehobenen Kreisen des Adels und des Bürgertums bevorzugten eher die Verbundenheit zur Bekleidung der Offiziersbesatzung in der Marine. Die Mitglieder des WSV Nordstern sind in festlicher Schifferkleidung aufgestellt. Man trug Doppelreiher, Prinz-Heinrich-Mützen mit WSVN-Mützenschildern und das FSV-Emblem am Revers (roter Kreis auf weißer Raute). Fliege und Krawatte zum weißen Hemd waren etwa gleichverteilt vertreten. Allein in Berlin gab es mehrere Geschäfte, die sich auf Mützenschilder u. ä. spezialisiert hatten.99 Die Stimmung ist gelöst bis übermütig. Selbst der zentralen Figur der damaligen Mitglieder wird ein Schabernack gespielt. Die Anzüge sind hier deutlich in dunklen Farben gehalten, wie auch die Schuhe.

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Neben dem festlichen Äußeren war es üblich, auch eine eher sportliche Kleidung zu verwenden. Dazu trug man ein dunkles Sakko und weiße Hosen (incl. weißes Schuhwerk). Dies traf sich gut, denn zum Segeln hatte man in der Regel auch weiße Hosen und Schuhe an. Zwischen dem Foto von der Stegeinweihung 1924 in Wilhelmsruh und der Aufnahme zum 30jährigen Clubjubiläum 1950 im SCN, besteht, die Kleidung betreffend, kaum ein Unterschied.

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Auch die Schiffermützen mussten bei den älteren Mitgliedern 1950 noch dabei sein, während die Jugend es salopp nimmt. Auf den Fotos von Standerhissungen aus den 30er Jahren erkennt man ebenfalls, dass die Jugendabteilung keine dunklen Sakkos trug, sondern weiße Sweatshirts. Man kleidete sich locker und trat nicht so „feingemacht“ auf, wie die älteren Herren des Clubs.

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Im Urlaub und in der Freizeit war ebenfalls weiße Kleidung (incl. Schuhwerk) der angesagte Trend. Auch ein Sakko war dann nicht notwendig. Allerdings verzichtete man nicht auf die übliche Schiffermütze mit Vereinsschild.

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Es gab im Club keine ausgesprochenen Vorgaben oder Kleidervorschriften. Aber man wusste, was sich gehörte bzw. was modisch war. Zu feierlichen Anlässen wurde auch 1955 noch die dunkle Kleidung mit Schiffermütze bevorzugt, so wie auf dem Foto von 1955 zu sehen ist.

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Mit der Entwicklung besserer Einkommen im Rahmen des „Wirtschaftswunders“ wurden die weißen Hosen zum Teil durch hellgraue Anzughosen ersetzt, die auch außerhalb des Segelsports getragen werden konnten. Besonders zur Standerhissung trug man die die besten Anzüge. Dazu gehörte möglichst ein dunkelblaues Clubsakko mit Goldknöpfen, incl. Fliege und später dann Krawatte. Zur Standerhissung 1971 sind die Schiffermützen langsam aus dem Cluballtag verschwunden und Anfang der 80er Jahre gehören sie nicht mehr zur Ausstattung der Mitglieder. Die älteren Clubmitglieder haben ihre Schiffermützen allerdings bis zu ihrem Tod getragen.

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Dafür trug man jetzt die Vereinsnadel, die Anstecknadeln der gesegelten Bootsklassen und die Ansteck-Stander befreundeter Vereine am Revers. Nebenstehend sind neben der Nordstern-Nadel, die Anstecker der Korsaren- und Varianta-Klasse und die Nadeln der befreundeten Vereine SKT (schwarzer Wimpel) und RSC (roter Wimpel) am Revers zu sehen. Ferner gab es die silberne und die goldene Ehrennadel des SCN. Die silberne Ehrennadel wurde nach 10 Jahren Clubmitgliedschaft verliehen und letztere nach 25 Jahren.

6Endgültige Heimat Rustwiesen 1930-1932

6.1 Aufbauphase am Rust

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Durch Verhandlungen mit der Stadt Spandau war es gelungen, ein eigenes Gelände auf den Rustwiesen auf längere Zeit zu pachten. Die Karte von den Sumpfwiesen im Rust, vermessen im Jahre 1833, zeigt ein unbewohnbares Sumpfgebiet, den sogenannten „Rust“. Das Sumpfgebiet wurde mit großen Sandmassen aufgeschüttet und trockengelegt. Der Sand wurde aus dem Aushub des von 1906 bis 1914 ausgebauten Hohenzollernkanals gewonnen. Über lange Jahre war die Anschrift Hakenfelde-Rust und ab 18. Okt. 1960 lautet sie Elkartweg 26 (benannt nach dem nicht unumstrittenen Stadtbaurat von Spandau, Karl Elkart).

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Der Umzug von Wilhelmsruh zu den Rustwiesen am Aalemannkanal war ein aufwändiges Unterfangen. Alle in Wilhelmsruh aufgebauten Einrichtungen mussten zum Rust transportiert werden. Das Gelände am Rust war wüst und leer, mit Sandhaufen bedeckt, und ohne jede Vegetation. Den Neuankömmlingen bot sich zunächst ein Gelände, dessen Berg- und Tallandschaft soweit aufgeschüttet und planiert werden musste, dass man es besiedeln konnte. Es waren viele freiwillige Arbeitsstunden zu leisten, um aus dem unansehnlichen Gelände ein Wochenendparadies zu machen, wie man es auf späteren Fotos erkennt. Für die damaligen Mitglieder muss der Wechsel vom herrlich gelegenen und mit vielen Bäumen bewachsenen Gelände des Strand-Restaurants „Wilhelmruh“ zum öden Rust nicht ganz einfach gewesen sein. Die ersten Gebäude auf dem Vereinsgelände waren das Klubhaus und der Bootsschuppen.

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Das erste, eigene Klubhaus wurde von Fritz Dembiak und Kamerad Nitschke schon in Wilhelmsruh gebaut (Kopie).100, 101 Die linke Längsseite war mit drei Fenstern versehen, die rechte Seite war fensterlos, die Grundfläche betrug 4 x 8 m.102 Das Holzhaus wurde 1930 im Ganzen in Wilhelmsruh zu Wasser gebracht, vermutlich mit einem Floß zum Rust transportiert und mit Hilfe einer schweren Seilwinde und Stahltrossen, fahrbar auf Holzstämmen auf das Vereinsgelände gezogen. Möglicherweise wurde auch ein Prahm für den Wassertransport des Klubhauses verwendet, da auch die Nachbarn von den Wannseeaten mit diesem Gefährt den Umzug ihrer Strandhäuschen vom Wannsee zum Rust bewältigten.103 Die Seilwinde zum Aufslippen und Ausrichten des Klubhauses wird per Hand bedient, Zahnradgetriebe erleichtern die Arbeit. Das Klubhaus stand dort, wo sich heute die Duschen und die Heizung des Vereins befinden. Die Fenster zeigen zum Wasser.

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Die wichtigste Anschaffung für den Verein war der 15 x 40 m große Bootsschuppen. Er wurde 1930 von der Deutsche Industrie-Werke GmbH104 erworben, einem der erfolgreichsten Krad-Hersteller im Deutschen Reich. Bedingt durch die Weltwirtschaftskrise verschlechterte sich die Auftragslage seit Beginn der 1930er Jahre für das Unternehmen zunehmend, was ein Grund für den Verkauf an den WSV Nordstern gewesen sein mag. Die Werke lagen am Ruhlebener Altarm parallel zur Spree (heute Freiheit 10, 13597 Berlin). Der Schuppen wurde auf dem Werksgelände komplett demontiert und in Einzelteile zerlegt. Anschließend wurden die Einzelteile auf einer Zille zu den Rustwiesen transportiert. Dort angekommen, werden die Zubehörteile über eine Menschenkette auf das Vereinsgelände gebracht und zwischengelagert. Nach und nach wird der Schuppen bis 1931 auf dem neuen Gelände originalgetreu wieder zusammengebaut und angestrichen (Kopie).105 Ab- und Aufbau müssen minutiös geplant worden sein und auch der Transport war eine logistische Meisterleistung.

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Gleichzeitig wird eine neue Hafenanlage mit dem ersten Steg errichtet, womit der Verein in der Lage ist, seinen Mitgliedern, die inzwischen bereits auf die Zahl von 51 Senioren, 14 Jugendlichen und drei Junioren angewachsen sind, einen ordnungsgemäßen Segelsportbetrieb zu ermöglichen.106 Mit der Fertigstellung des zweiten Steges 1931 ist die Steganlage in ihrer heute noch genutzten Grundstruktur abgeschlossen.107 Ein Blick vom Dach des Bootsschuppens zeigt die beiden Stege etwas später, im Jahr 1934. Zwischenzeitlich musste der Club allerdings ohne seinen zweiten Steg auskommen (auch „Südsteg“ oder „Arme-Leute-Steg“ genannt). In den Wirren des 2. Weltkriegs wurde der Steg zerstört und erst nach 1967 wiedererrichtet.

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Der aus Kleinbahnschienen erbaute Slipgang wird zunächst mit Loren befahren, mit denen Sandmassen zur Nivellierung des Geländes und zum Aufbringen von Mutterboden bewegt werden. Alle Schachtarbeiten erfolgten von Hand. Die gärtnerische Aufbereitung des Vereinsgeländes ist den Mitgliedern, die die schöne Anlage in Wilhelmsruh über Jahre kannten, ein wichtiges Anliegen. Gärtnermeister Ostenbrügge übernimmt die Gestaltung der Anpflanzungen und die Aussaat-Arbeiten auf dem Vereinsgelände (Kopie).108 Zusätzlich waren Wasserleitungen zu verlegen, Zäune zu errichten und Wege herzurichten. Hier teilte der Verein das Schicksal seiner Wannseeaten-Nachbarn, die diese Arbeiten schon 1929 begonnen hatten. Fast immer ging es darum, mit der knappen Vereinskasse auszukommen und alle Arbeiten in Eigenleistung zu bewältigen.

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Nach dem Aufbau von Klubhaus und Bootsschuppen wird der erste Mast auf dem neuen Vereinsgelände des WSV Nordstern aufgestellt. Der Mast war der Stolz des Vereins, weil er mit 23 m der höchste aller Berliner Vereinsmasten war und den Schiffern auf der Oberhavel als beliebter Peilpunkt diente.109 Bei der Standerhissung wehte neben dem Vereinsstander die Flagge des Freien Segler-Verbandes mit dem roten Kreis auf weißer Raute. Die im Karree angetretenen Vollmitglieder tragen einheitliche Kleidung (weiße Hose, dunkles Sakko und Schiffermütze), bei der Gruppe ganz in Weiß, ohne dunkles Sakko, handelt es sich um Mitglieder der Jugendabteilung. Sie hatten die Aufgabe, die Stander zu hissen.

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Als erstes Fest auf dem neuem Gelände wird die „Italienische Nacht“ unter dem Dach des Bootsschuppens gefeiert.110 Lampions und Fackeln sind vorbereitet, getanzt wurde auf dem Sandboden.

Wertvolle Hinweise auf die Details des Vereins gibt die kürzlich aufgefundene Jahreskarte von Willi Janicke von 1930. Sie enthält alle wichtigen Daten über Personen, Boote, Termine und Funktionen des Vereins im Jahr 1930. Im Vorstand (incl. Beirat) waren 1930 folgende Haupt-Positionen zu besetzen:

Vorstand 1. Vorsitzender Erich Schwengber
2. Vorsitzender Arthur Thürer
1. Schriftführer Heinz Albrecht
1. Kassierer Walter Biesler
Beirat 2. Kassierer Bernhard Nölte
2. Schriftführer Albert Fehlow
Boots- und Segelwart Otto Lerm
Materialienwart Paul Schlenger, Richard Knoll
Obmann des Wettfahrtausschusses Bruno Kuhlmey
Obmann der Baukommission Hans Birr
Obmann des Vergnügungsausschusses Bruno Kuhlmey
Jugendleiter Rudolf Köpp (Kurt Bernsdorf)

Neben Vorstand und Beirat gab es sieben Ausschüsse und Kommissionen (Kassenprüfung, Wettfahrt, Vergnügung, Schiedsrichter, Bau, Technik, FSV), die mit jeweils 3 bis 5 Mitgliedern besetzt waren. Weitaus mehr als die Hälfte der Mitglieder war damit in die direkte und aktive Vereinsarbeit eingebunden. Monatlich fand eine Mitgliederversammlung statt, so dass man 12x/Jahr Gelegenheit hatte, die Vereinsthemen zu beraten. Innerhalb der Bootsflotte wurden 22 Klassenboote (Renn- und Wanderjollen) gesegelt sowie 13 Tourenboote (Jollenkreuzer und Tourenjollen) unterhalten. Mit 6 Motorbooten im Verein war man Bestens gerüstet, um die unterschiedlichsten Schleppfahrten zu organisieren. Es gab eine Jugend- und eine Juniorenabteilung, die gemeinsam 15 Mitglieder beinhalteten. Zusammen mit den 47 Vollmitgliedern kam man so auf 62 Gesamt-Mitglieder (es gibt kleinere Abweichungen zur offiziellen Mitgliederstatistik, die in Abschn. 11.3 dargestellt ist). Jugend und Junioren machten somit 24 % der Gesamt-Mitglieder aus und waren eine gute Basis für den Fortbestand des Clubs. Man kann 1930, nach nur 10jährigem Bestehen des Clubs, von einem außerordentlich gut organisierten und entwickelten Vereinsleben im WSVN sprechen, das auch heute beispielgebend für jeden beliebigen Segelverein wäre. Mit Bewunderung muss man auf die Kraftanstrengung zurückschauen, mit der in kurzer Zeit eine vorbildliche Vereinsorganisation installiert werden konnte.

6.2 Gebäudebestand mit Winter- und Sommerkantine um 1933

Gebäude 1933

Im Klubhaus fanden die ersten kleineren Feiern und Versammlungen statt. Es verlor seine Funktion mit der Fertigstellung der Sommerkantine 1938 und diente anschließend als Garderoben- und Abstellraum bis es Anfang der 50er Jahre der Jugend übergeben wurde und fortan „Jugendhaus“ genannt wurde. 1976 wurde es abgerissen, als man mit dem Bau des neuen Garderobenhauses aus Massivsteinen begann. Das alte Garderobenhaus wurde 1932 aus Holz erbaut.111 Es besaß auf der linken Seite den Garderobenteil mit entsprechenden Schränken. Vor den Schränken befanden sich klappbaren Sitzbänke, die die Schränke verriegelten. Da die Schränke in der alten Garderobe nur ca. 2m hoch waren, lagerte darauf alles Mögliche und verstaubte mit der Zeit. Deshalb wurden die Schränke in der neuen Garderobe bis an die Decke gebaut.112 Im Mittelteil der Garderobe befanden sich einfache Toiletten (Plumps-Klos), jeweils für Damen und Herren, sowie ein kleiner Geräteraum.

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Die Winterkantine mit einem Ausschankbereich nahm den rechten Teil der alten Garderobe ein. Der Ausschank mit Tresen war mit einer Jalousie verschließbar. Wie auf dem Grundriss zum Gebäudebestand erkennbar, war der Raum relativ klein und nur für kleinere Gruppen und Feiern nutzbar. Vom Inneren der Winterkantine liegen nur Fotos von der Silvesterfeier 1951 vor. Seit den 30er Jahren blieb sie unverändert. Der Raum wurde durch einen eisernen Kanonenofen beheizt (rechts in der Ecke).

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Die Sommerfeste wurden zunächst draußen vor dem Haupttor des Bootsschuppens gefeiert (Havelseite). Man hatte keinen Sichtschutz vor Nachbarn und neugierigen Blicken aus der Wasserrichtung. Auch war man auf schönes Wetter angewiesen und es fehlte ein Schankbereich mit Tresen und einer kleinen Kaffeeküche. Da sich die Winterkantine bei schlechtem Wetter nur für kleinere Feste eignete, wurde eine Aufteilung des Bootsschuppens in ein Kantinenareal und einen restlichen Bootsbereich beschlossen.

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Im Sommer 1938 baute man eine Trennwand in den Bootsschuppen ein und erhielt dadurch eine größere Räumlichkeit, die sogenannte Sommerkantine. Die Größe des Kantinenraumes ist überliefert und betrug 15 x 16 m113. Dort konnten sich bis zu 100 Personen aufhalten und feiern. Kam man vom havelseitigen Haupttor in den Raum, dann befanden sich linker Hand diverse Gartentische und -stühle. Rechter Hand schloss sich gleich neben dem Eingangstor ein Schankbereich mit Tresen, großem Gläserschrank, Zapfanlage und einer kleinen Kaffeeküche an.114 Die Sommerkantine hat bald nach der Fertigstellung der Trennwand zum Bootsschuppen einen Holzfußboden bekommen.115 Im restlichen Bootsschuppen verblieb der ursprüngliche Sandboden, der bis in die 70er Jahre beibehalten wurde.

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Die Sommerkantine war liebevoll ausgestattet und bewirtschaftet. Die Ausstattung bestand aus Gartenstühlen und -tischen und an den Fenstern befanden sich Gardinen. Die Damen konnten sich für Waldmeister-, Ananas- oder Erdbeerbowle entscheiden, wie auf den alten Fotos zu erkennen ist.

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Da sich fast die gesamte Freizeit der Mitglieder im Verein abspielte und die Geldmittel knapp waren, musste nach Möglichkeiten zum Selberkochen gesucht werden. Überliefert ist, dass spätestens nach dem Krieg im Bootsschuppen provisorische Kochtische auf Böcken aufgebaut wurden116, um dort im Sommer mit Flüssigkeits- oder Gas-Geräten zu kochen. Dafür wurde in den ersten Jahren die Längsseite am Slipgang reserviert, später standen die Geräte in der Mitte des Schuppens. Im Winter wurden die Tische wieder abgebaut, um die Boote unterzubringen. Wahrscheinlich wurde diese Möglichkeit auch schon in den 30er Jahren genutzt. Das in den 60er Jahren aufgenommene Foto zeigt rechts und links unten die Arbeitsplatten auf den Böcken. Auch ein Kühlschrank und Küchenschränke sind zu sehen. Evtl. handelt es sich im Vordergrund um eine Waschmaschine oder einen E-Herd. So wurde im Bootsschuppen ein komplettes Reich der Frauen aufgebaut, welches vorübergehend die verschiedensten Haushaltsgeräte und Geschirrteile enthielt.

Ein anderes wichtiges Thema war die Bereitstellung von gekühlten Getränken. Da entsprechende Kühlanlagen nicht zu finanzieren waren, musste eine einfachere Lösung gefunden werden. Dazu wurde ein massiver Bierkeller erbaut, der zum Teil im Erdreich eingelassen war und über einige Stufen nach unten betreten werden konnte (Maße: 2,60 m x 2,80 m). Der Bierkeller wird etwa Mitte der 30er Jahre entstanden sein.

Um das Wassergrundstück zu pachten, musste der Verein das Hinterland mit hinzunehmen. Ursprünglich war daran gedacht worden, eine kleine Sporthalle zu erbauen, um in der Winterzeit über Trainingsmöglichkeiten zu verfügen. Durch die Finanzknappheit, viele Mitglieder waren arbeitslos, kam man 1931 auf die Idee, es in einzelne Parzellen aufzuteilen und an Interessenten zu vergeben. So entstanden die Häuschen auf den Laubengrundstücken. Höhe und maximale Größe waren vorgeschrieben. Man benötigte einen Bauschein der Baupolizei zur Errichtung einer „Gerätelaube mit Feuerstelle“. So entstanden auch diese Häuschen in der Hauptsache durch Eigenarbeit mit Hilfe der Sportkameraden.117 Anfangs konnten die Lauben noch nicht vollständig vergeben werden, so dass 1931/32 noch drei Parzelleninteressenten für das Laubengelände des Vereins gesucht werden mussten.118

7Nordstern unter dem Hakenkreuz 1933-1945

7.1 Gleichschaltung und Namenswechsel

In den 20er Jahren fanden viele politische Veranstaltungen in den Seitz Festsälen statt. So wurde dort am 11.11.1926 die Generalmitgliederversammlung der Berliner NSDAP durchgeführt.119 Am 25.01.1927 spricht dort Joseph Goebbels auf der ersten öffentlichen Versammlung der NSDAP in Berlin.120 Es kam zu einer wilden Schlägerei zwischen KPD-Mitgliedern und Anhängern der NSDAP.121 „Große Parteien wie die Sozialdemokraten (SPD) und die Kommunisten (KPD), die untereinander zudem stark verfeindet waren, wurden vom brutalen Vorgehen der Spandauer SA, die besonders in den Monaten Februar und März 1933 wütete, hinweggefegt. Nur kleine Zirkel Gesinnungstreuer hielten zu den alten Idealen.“122 Wegen des hohen Anteils an NSDAP-Mitgliedern und -Sympathisanten wurde Hakenfelde auch „Hakenkreuzfelde“ genannt.123 Da „Seitz Festsäle“ einen hohen Stellenwert im Vereinsleben hatten (Ausstellung der Regatta-Preise, Vereinsfeste), werden diese Ereignisse und das herannahende Unheil im Club lebhaft besprochen worden sein. Vielleicht gab es Teilnehmer an den Veranstaltungen und Schlägereien, die politisch auf der einen oder anderen Seite engagiert waren.

Am 30.01.1933 wird Adolf Hitler Reichskanzler und das NS-Regime beginnt, alle Lebensbereiche zu durchdringen. Schon am 28. April 1933 wird mit Hans von Tschammer und Osten, ein SA-Mann, als Reichssportkommissar eingesetzt. Anstelle des letzten gewählten Vorsitzenden des Deutschen Segler-Verbandes, Dr. Edmund Koebke, nimmt das NSDAP-Mitglied Oberstleutnant a. D. Erich Kewisch seinen Platz ein. Der Deutsche Segler-Verband wird aufgelöst und der Deutsche Wassersportverband gegründet, der aus Fachschaften besteht (Segler, Ruderer, Kanuten, Motorbootfahrer). Der Deutsche Wassersportverband untersteht direkt dem Reichssportkommissar, von Tschammer und Osten. Die Fachschaft der Segler nennt sich zukünftig Deutscher Seglerverband (nunmehr ohne Bindestrich) und sein Vorsitzender bleibt Erich Kewisch. Durch die Unterordnung des Deutschen Seglerverbandes unter den Deutschen Wassersportverband verliert er seine organisatorische Selbstständigkeit. Die vereinsgebundenen Segler wählen ihren Vorsitzenden nicht mehr selbst, er wird künftig von der NSDAP ernannt – die Vereine sind gleichgeschaltet.124

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Will ein Verband überleben, hat er sich den staatlichen Vorgaben zu beugen. Der Freie Segler-Verband wird zwangsweise aufgelöst. Seine Mitgliedsvereine werden angehalten, Mitglied im Deutschen Seglerverband zu werden und ihren Namen zu ändern. Der Verein wird 1935 Mitglied im Deutschen Seglerverband.125 Die Namens- und Design-Änderung betrifft auch den „Wassersportverein Nordstern, Spandau e.V. “, der sich ab 1936 „Segel-Club Nordstern, Spandau e.V.“ (SCN) nennt.126 Der alte Stander mit dem fünfzackigen, roten Stern wird gegen eine Flagge mit dreizackigem Stern ausgetauscht, dessen Sternform durch die Längenstreckung kaum mehr erkennbar ist.

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Die Aufgabe der ehemaligen Arbeitertraditionen sollten besonders in der Außendarstellung dokumentiert werden. Durch die Geschwindigkeit, mit der sich die Veränderungen vollzogen, wird kaum Zeit zum Nachdenken geblieben sein. Man suchte den Verein zu erhalten, indem man den immer neuen Anordnungen widerspruchslos nachkam. Viele, der dem Arbeitersport verpflichteten Segler, werden zunächst die Faust in der Tasche geballt haben. Aber bald obsiegen Propaganda und Anpassung, so dass man das NS-Regime aktiv mitgetragen hat. Statt mit dem Stander der Freien Segler über die Berliner Gewässer zu fahren, wird nunmehr die Hakenkreuzflagge am Boot mitgeführt.

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Auch im Verein wird die Hakenkreuzflagge gehisst und man tritt in militärischer Ordnung an. Obwohl der offizielle Name des Vereins ab 1936 „Segel-Club“ lautet, wird die Bootshalle mit „Segelklub“ beschriftet, wie im Hintergrund erkennbar ist. Evtl. hat man die Namensänderung nach eigener Vorstellung schneller dokumentieren wollen als sie vom Regime letztendlich bestimmt wurde. Im Schriftverkehr der Vereinsmitglieder mit dem SCN-Vorstand sind nach 1936 alle denkbaren Namensvariationen in der Anschrift nachweisbar: Segelklub, Segel-Club, Segelclub, ja sogar der alte Name Wassersportverein wird 1941 noch verwendet.

„Vor dem Hintergrund der bisher vorliegenden Erkenntnisse kann nicht davon ausgegangen werden, dass der auf Gleichschaltung des Vereins abzielende Kurs der einzelnen ehemaligen FSV-Vereine als Ausdruck einer besonderen politischen Taktik zur Rettung des Arbeitersegelsport verstanden werden kann. Vielmehr scheint mir von ausschlaggebender Bedeutung gewesen zu sein, dass der NS-Staat die FSV-Vereine vielfach weder als ausdrücklich marxistische Vereine noch als besondere politische Bedrohung wahrgenommen hat.“127

Nachdem sich die beiden Vereine vor 15 Jahren getrennt hatten, nahm am 30.05.1937 auch der Segel-Club Spandau an der Vereinsregatta des SCN teil. In dieser Zeit entstand die freundschaftliche Verbindung zum 1912 gegründeten Ruppiner Seglerclub (RSC).128 Die Neuruppiner Segler gehörten seit 1937 zur neugegründeten Gruppe IV/Tegel des Deutschen Seglerverbandes. Zur alljährlichen Pfingstregatta in Neuruppin beteiligt sich der SCN mit 18 Booten. Neu ist in diesem Jahr auch, dass vom DSV Fahrtenbücher für Seefahrer abgerufen werden können, die am Saisonende zur Preisbewertung von Tourenseglern einzureichen sind.129

7.2 NS-Verbrechen und überwintern in der Nordstern-Nische

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1934 wird Hans von Tschammer und Osten im gesamten Deutschen Reichsbund für Leibesübungen den sogenannten Dietwart einführen. Jeder Verein hatte verpflichtend einen Beauftragten für die geistig-weltanschauliche Schulung der Mitglieder zu wählen. Er sollte die Vereinsmitglieder im nationalsozialistischen Sinne schulen und deren Ideologie und „Erziehungsziele“, also Rassebewusstsein, Gemeinschaftssinn, völkische Haltung und antijüdische Ressentiments, an die Mitglieder herantragen. Er hatte dafür zu sorgen, dass die Mitglieder nationalsozialistische Lieder singen und die Reden des Führers hören. In Dietabenden und Dietprüfungen sollte die völkische Haltung der Sportler kontrolliert werden.130 Obwohl zum Umgang mit dem Dietwart-Thema keine vereinsinterne Überlieferung vorliegt, hat er, wie in jedem Verein, so auch im SCN existiert. Erich Kunert, der schon in der Jahreskarte von 1930 nachweisbar ist, hat seit 1939 diese Funktion im Club ausgeübt.131 Dass der Club erst 5 Jahre nachdem die Dietwart-Funktion staatlich eingeführt wurde, diese Position auch besetzt hat, zeugt nicht gerade von vorauseilendem Gehorsam der Nordsterner. „Dass die Realität der Vereinsdietarbeit vielerorts weit hinter den propagierten Zielsetzungen zurück blieb, zeigt ein Blick in die Besetzung dieser Funktionärsstellen in den (anderen) FSV-Seglervereinen. Zum Teil blieben diese Posten bis 1939 in Vereinen unbesetzt, so z.B. bei den Vereinen SC Aeolus, SV Rahnsdorf, WS Pichelswerder, SVg Reiherstieg (Hamburg), SV Wakenitz (Lübeck). In anderen Vereinen bekleideten interessanterweise sogar ehemalige FSV-Vereinsfunktionäre das politische Amt.“132 In diesem Rahmen passt auch ein Hinweis, dass um 1935 eine Gruppe Marine-HJ in den Verein kam. Diese Sonderformation der Hitlerjugend wurde dem SCN von einer Regierungsstelle zugeteilt und es war nicht möglich, sich dem zu widersetzen.133 Möglicherweise misstraute man dem Verein, weil er als politisch unzuverlässig galt. „Ebenso zeigten sich die (anderen) FSV-Vereine wenig enthusiastisch bei der Einrichtung von Marine-HJ-Abteilungen. Von den insgesamt 24 Vereinen mit Marine-HJ-Abteilungen im Gau III Berlin-Brandenburg wies lediglich ein (anderer) FSV-Vereinen im Jahre 1939 eine eigene Marine-HJ-Abteilung auf. Es handelte sich dabei um den SC Freia (Tegel), der erst seit 1932 Mitglied im FSV gewesen war. Offensichtlich gelang es den Nationalsozialisten nicht, nachhaltig den Vereinsalltag der ehemaligen FSV Vereine in ihrem Sinne zu beeinflussen.“134 Das nebenstehende Foto zeigt, wie man sich nach der herrschenden Rassenideologie die Kinder und Jugendlichen im Vereinsleben vorstellte. Ob es sich hier um Mitglieder der Marine-HJ oder um reguläre Kinder von Vereinsmitgliedern handelte, ist nicht bekannt. Darüber hinaus bleibt zu bedenken, dass der Hitlergruß in dieser Zeit zur gesellschaftlichen Norm gehörte, dem man sich kaum verweigern konnte. Dies gilt auch für den Schriftverkehr innerhalb des Vereins, der regelmäßig mit der Formel des Hitlergrußes abschloss.

Trotz aller Repressalien ließ es sich eine kleine Schar von Sozialdemokraten in Hakenfelde nicht nehmen, sich ab 1933 jährlich zur Maifeier zu treffen. Man fand sich im einst sehr bekannten Hakenfelder Gartenlokal von Julius Loebel, „Karlslust“ (13587 Berlin, Hakenfelder Str. 8, Nähe Evangelisches Johannesstift), ein und trug als Erkennungszeichen eine rote Stecknadel am Revers.135 Man kann sich vorstellen, dass auch der eine oder andere Sozialdemokrat unter den Nordsternern dort hinging. Ob es so war – wir wissen es nicht. Andererseits wird im Laufe der Zeit die NS-Propaganda ihre Wirkung nicht verfehlt haben. Sie kam mit ihrer Wortwahl den Arbeiterseglern des ehemaligen FSV sehr entgegen. Vor den Olympischen Spielen 1936 wird es folgendermaßen formuliert. „Der deutsche Segelsport von heute ist Leibesübung auf breitester, volkstümlicher Grundlage. Das Märchen, er sei auch nach der Jahrhundertwende ein Kapitalsport und damit eine Angelegenheit begüterter Kreise geblieben, ist … ein unendlich zählebiger Aberglaube vom kapitalistischen Segelsport.“136 Hier wird nicht nur die Arbeiterschaft geschickt angesprochen, sondern es werden anschließend alle Segler vom Kindes- bis zum Greisenalter einbezogen, die gleichermaßen den Segelsport für kleines Geld ausüben könnten. Sich dieser Argumentation zu entziehen, die den bisherigen Überzeugungen der Arbeitersegler durchaus entsprach, dürfte kaum möglich gewesen sein.

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Glücklicherweise ist das Programm einer SCN Standerhissung mit Bootstaufen vom 15.04.1938 erhalten geblieben. Im Vokabular passte man sich den vorgegebenen Regularien an. Der erste Vorsitzende wird „Vereinsführer“ genannt, „Antreten“ am Fahnenmast ist Pflicht, es erfolgt eine „Ehrung des Führers“, der „Bezirksführer“ hält eine Ansprache und die Nationalhymne wird gesungen. Die Mitglieder zeigen beim Hissen der neuen Flagge den Hitlergruß. Alle Mitglieder sind in militärischer Formation im Karree angetreten.

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Soweit folgt man dem NS-Schema. Nach der Taufe von sieben Booten wird zum gemütlichen Beisammensein mit Musik übergegangen (Kommers mit Damen). Sehr ungewöhnlich ist die Bezeichnung und Durchführung des „Kommers mit Damen“, da die Kommers-Semantik von vorn herein die Damen ausschloss. In der SCN-Geschichte ist es sonst nirgends überliefert, dass Damen am Kommers teilgenommen hätten. Interessant auch, dass § 8 der Kommers-Anstandsregeln verzeichnet: „Es bleibt alles beim ‚Alten‘.“ Und so hält man es auch in der angegebenen Liedfolge. Unter den neun Liedern, die gesungen wurden, waren vier Schunkellieder, ein Berliner Gassenhauer (Fritze Bollmann), drei Lieder aus dem Gesangbuch des verbotenen Freien Segler-Verbandes und das Vereinslied nach der Melodie eines Liedes aus dem Gesangbuch der Freien Segler. NS-Lieder wurden nicht gesungen (einen Dietwart gab es erst ein Jahr danach), aber die Erinnerung an die Zeit des Dachverbandes der Arbeitersegler (FSV) war im Liedgut noch lebendig. Als Clublied sang man damals „Die Segel gespannt, an Bord, an Bord“. „Die inneren Gleichschaltungsprozesse im neu gegründeten DSV blieben bis Ende der 30er Jahre für die NS-Verantwortlichen unbefriedigend. Noch im Jahre 1938 klagte ein Funktionär über die mangelhafte Identifikation vieler Vereine mit den NS -Sportverbänden.“137

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Von der Feier zur Standerhissung bzw. vom Kommers mit Damen haben sich Fotos erhalten. Das „gemütliche Beisammensein“ wurde in der Sommerkantine gefeiert. Herren und Damen sitzen, vom großen, havelseitigem Tor aus gesehen, an der linken Seite der Sommerkantine. Die von der Standerhissung, Bootstaufe bzw. der anschließenden Feier erhalten geblieben Dokumente und Aufnahmen zeugen von einem intakten Vereinsleben, welches sich der NS-Propaganda und -Ideologie entzieht. Man hatte sich eine nach außen abgeschlossene Nische geschaffen, in der man in dunklen Zeiten überwintern konnte. Damit verhielt es sich im SCN ähnlich, wie in vielen anderen Vereinen des FSV. „Die vorherrschenden Momente im Verhalten von Mitgliedern dieser Vereine waren Anpassung und ggf. Rückzug aus dem politischen Leben ins Private.“138

Die Rassenideologie des NS-Regimes führte dazu, dass nur wenige Monate nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten in fast allen nicht-jüdischen Sportverbänden und -vereinen „Arierparagraphen“ eingeführt wurden, die jüdische Mitglieder zum Verlassen der Vereine zwangen.139 Von staatlicher Seite gab es über Jahre keinerlei Gesetz oder Bestimmung, welche den „Arisierungsprozess“ der Sportvereine gerechtfertigt hätte.140 Die Radikalität oder die Zurückhaltung mit der bei der Arisierung in den Vereinen vorgegangen wurde, hing bis zu den Olympischen Spielen 1936 vor allem von der Haltung des Vereinsführers ab.141 Auf der Mitgliederebene verzögerten jahrelange menschliche Bindungen des öfteren den Arisierungsprozess. Nach der Reichsprogromnacht im November 1938 war es ausgeschlossen, jüdische Mitglieder im Verein zu behalten.142 Bei einem Mitglied des SCN gibt die Namensliste von 1930 einen Hinweis auf möglicherweise jüdische Wurzeln. Es handelt sich um den Kameraden Paul Goldbach aus der Kurstr. 17 in Spandau. In der Liste der Berliner Stolpersteine taucht dieser Name nicht auf. Selbst die ältesten, noch lebenden Mitglieder erinnern sich nicht mehr an ihn.

Es ist gänzlich unbekannt, ob überhaupt und wenn ja, wie, die Arisierung im SCN gehandhabt wurde. Es kann nicht völlig ausgeschlossen werden, dass dieses Thema dem Verein erspart blieb. In diesem Fall wäre es kein Verdienst des SCN gewesen, sondern nur die Gnade des Zufalls.

Im Nationalsozialismus erfolgte die organisierte Tötung geistig und körperlich behinderter Kinder und Jugendlicher sowie solcher mit auffälligem Verhalten. Man förderte die „Erbgesunden“ und beseitigte die „Kranken“ aufgrund der abseitigen NS-Rassenhygiene. Als brutaler Vorwand wurden Bittschriften von Eltern herangezogen, die um den „Gnadentod“ für ihre behinderten Kinder baten.143 Der Kamerad Arthur Bernsdorf hatte in dieser Zeit ein geistig behindertes Kind – Wolfgang Bernsdorf – das oft im Verein spielte. Es verschwand in den 30er Jahren spurlos, ohne dass der Verein daran einen Anteil gehabt hätte.144 An der Tiergartenstr. 4 in Berlin existiert heute die Zentrale Gedenkstätte für die Opfer der sogenannten Euthanasie, an der auch Wolfgang Bernsdorf zu gedenken ist.

7.3 Verbindung zur Schwedischen Kirche

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In den Unterlagen von Bernhard Nölte wird auf Gärtnermeister Ostenbrügge von der „Schwedenkirche“ hingewiesen, Schwiegervater von Walter Biesler (Kopie).145 Der Gärtner war mit der Urbarmachung und Bepflanzung des öden Brachlandes beschäftigt und wird auf dem Foto in seinen Anpflanzungen festgehalten. Das havelseitige Eingangstor zum Verein ist zu erkennen und im Hintergrund sieht man den Bootssteg.

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Walter Biesler, sein Schwiegersohn, besetzt das wichtige Amt des 1. Kassierers im SCN und hatte vor 1933 im Freien Segler-Verband die Funktion eines Kassenprüfers inne. Walter Biesler ist auf vielen Fotos zu sehen, die zumeist mit humorvollen Texten versehen sind. Er wird z. B. „der große Kurfürst“ oder „der Dicke“ genannt und scheint eine zentrale Figur im SCN gewesen zu sein. Heute würde man ihn wohl einen Meinungsbildner nennen. Er war lt. Jahreskarte von 1930 in Berlin-Wilmersdorf, Landhausstr. 27/28 wohnhaft.

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Mit der „Schwedenkirche“ ist eine besondere Einrichtung für schwedische Mitbürger in Berlin gemeint. Es handelt sich korrekt bezeichnet, um die Schwedische Kirche der evangelisch-lutherischen Victoriagemeinde in Berlin-Wilmersdorf, die 1922 eingeweiht wurde. Zur Geschichte der Schwedischen Kirche in Berlin gehören die Biographien ihrer drei Pastoren Birger Forell, Erik Perwe und Erik Myrgren. Sie haben trotz Repressalien der Gestapo vielen politisch Verfolgten und jüdischen Menschen Unterschlupf gewährt und sie in Sicherheit nach Schweden gebracht (nebenstehend die Gedächtnistafel für Birger Forell, vgl. Anlage 2).146 Die Anschrift der Kirche war damals wie auch heute, Berlin-Wilmersdorf, Landhausstr. 26-28 – die gleiche Adresse, unter der auch Walter Biesler wohnhaft war. Offensichtlich wohnte Walter Biesler um 1930 bei seinem Schwiegervater in den privaten Räumlichkeiten der Kirche. Kurze Zeit später zieht er um und wohnt seit etwa 1931 mit seiner Frau in Berlin-Charlottenburg, Kaiserdamm 19.147

Die Frage ist, ob es sich bei den Verbindungen zwischen Gärtnermeister Ostenbrügge bzw. Walter Biesler zur Schwedischen Kirche nur um einen oberflächlichen Kontakt gehandelt hat oder ob sie beide oder einer von ihnen an der Rettung von Verfolgten direkt oder indirekt beteiligt waren. Wir wissen es nicht. Die Schwedische Kirche ist gerne auf eine Anfrage des Vereins eingegangen, hat aber bisher keine Erkenntnisse zu diesen Zusammenhängen mitteilen können.

Auch in Spandau gab es eine nicht geringe Anzahl von Widerstandsaktionen, die zur Rettung von Menschenleben führten.148, 149 In den meisten Fällen waren es Kirchenvertreter oder ehemalige Mitglieder linker Organisationen, die derartige Gefahren auf sich nahmen. Ob es Kameraden des SCN gab, die von diesen Aktionen wussten, sie evtl. deckten oder mittrugen – wir wissen es nicht. Ebenso wenig ist bekannt, ob es Mitglieder gab, die sich durch besondere Härte ggü. jüdischen Mitbürgern, Verfolgten und Andersdenkenden hervortaten oder sich maßgeblich in systemnahen Funktionen hervortaten.

7.4 Kriegszeiten

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Nach und nach werden die ersten Mitglieder zur Wehrmacht eingezogen. Soweit möglich, verbringen sie ihren Urlaub gemeinsam mit Vereinskameraden. Bernard Nölte nimmt z. B. 1939, als Soldat an der Herrenpartie zu den Rüdersdorfer Kalkbergen teil. Man wandert und kehrt im Restaurant „Seeterrasse“ ein.

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Kurt Richter dient bei der Marinejugend, einer Unterorganisation des Deutschen Marinebundes, und wird bei der Urlaubsankunft fotografiert. Wegen einer Ohrenerkrankung wurde er nicht zum Wehrdienst eingezogen und überlebt so die Kriegszeit. Der Marinebund verlor schon 1935 unter der der NS-Diktatur seine Selbstständigkeit, wird gleichgeschaltet und dem Oberbefehlshaber der Kriegsmarine unterstellt. Die überlieferten Urlaubsfotos scheinen aus den ersten Jahren des 2. Weltkrieges zu stammen. Die Wehrmacht ist erfolgreich, Blitzkriegssiege sind an der Tagesordnung und es gibt noch keine Bombenangriffe. Die später einsetzende Not, das Elend und die Verzweiflung über täglichen Hunger, ausgebombte Wohnungen und ein zerstörtes Berlin sind noch nicht spürbar geworden.

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Im Verein wird noch gutgelaunt Schabernack getrieben. Man amüsiert sich auf einem Dreirad vor dem Bootsschuppen. Am Samstag, den 02.03.1940 wird der „Opfertag des Deutschen Sports“ mit einem „Bierabend mit Frauen“ im SCN begangen.150 Normalerweise wurden am Opfertag Sportveranstaltungen durchgeführt, deren Erlöse den Dachverbänden der Sportorganisationen in der NS-Zeit zuzuführen waren. Daraus einen Bierabend zu machen, ist eine Idee, die den Sinn des Tages eher systemfern umdeutet.

1941 finden die Mitglieder des in Auflösung befindlichen Spandauer Wassersportclubs von der Insel Eiswerder im SCN eine neue Heimat. Die Mitgliederzahl steigt sprungartig von 58 auf 82, während der Bootsbestand auf 35 Segel- und 13 Motorboote ansteigt. Nach jahrelangen Verbesserungen nimmt die Baupolizei den Bootsschuppen ab. Er entspricht nunmehr den brandschutz- und sicherheitstechnischen Forderungen. Im Verein wird erstmals ein Ältestenrat gegründet, der aus den Kameraden Erich Förstel, Erich Karge, Arthur Thürer und Johannes Richter besteht.151

Der Vorsitzende, Johannes Richter, wird 1943 zur Wehrmacht eingezogen und bittet seinen Stellvertreter, Kameraden Muchow, die Geschäfte zu übernehmen. Er sollte den Neuaufbau seines Vereins nicht miterleben können, da er kurz vor Kriegsende bei einem Luftangriff in der Nähe seiner Wohnung ums Leben kam. Die Luftkämpfe erreichen 1944 Berlin, so dass bei den Angriffen mehrere Fenster im Bootsschuppen zu Bruch gehen. Bei weiteren Luftangriffen werden weiße Flaggen im gesamten Segelrevier gesetzt, um die auf Fahrt befindlichen Boote zu warnen. Die Vereinswettfahrt wird ohne die an der Front befindlichen Mitglieder durchgeführt und verläuft trotz aller Widrigkeiten ohne Zwischenfälle. Anfang 1945 nähert sich die Ostfront immer weiter Berlin an, so dass die Hauptversammlung im Januar ganz im Zeichen des bevorstehenden Zusammenbruchs steht. Die Mitglieder haben offenbar keine Illusionen über den Ausgang des Krieges und stimmen in der Versammlung für die gefallenen Mitglieder das Lied „Ich hatt‘ einen Kameraden“ an. Danach fehlen die protokollarischen Aufzeichnungen, da die Seiten bis zum Juni 1946 aus dem zeitweise konfiszierten und zensierten Vereinsbuch entfernt worden sind, wie aus einer Notiz von Bernhard Nölte hervorgeht.152

8Nachkrieg und weitere Entwicklung 1946-2020

8.1 Neubeginn des Vereinslebens 1946-1951

Vor dem Einmarsch der Sowjets waren durch vorausschauende Mitglieder vorsorglich einige Boote versenkt worden, andere standen noch in der Bootshalle. Nach dem Einmarsch der Besatzer werden die Clubräume und -anlagen von ihnen beschlagnahmt. Die Sowjets bedienten sich an allen Ecken und Enden, konnten aber mit den Booten wenig anfangen. Albert Reußner („Onkel Abla“ genannt) berichtet in seinen teilüberlieferten Erinnerungen, wie russische Soldaten bis zu zehn Segelboote beschlagnahmt hätten. Den Schleppverband verbrachten sie Richtung Unterhavel, wo sie die Boote achtlos liegenließen. Nur durch Zufall konnte „Onkel Abla“ seinen 15qm Jollenkreuzer dort auffinden und zurückbringen.

Im Garderobenhaus wurden die Schränke aufgebrochen und die Toiletten verschmutzt. Auch über eine Vergewaltigung wird berichtet. Einige alte Mitglieder versuchten zu retten was zu retten war. Der „Falkensteiner“ konnte nicht bewahrt werden und sein Diebstahl war für viele Vereinsmitglieder ein schmerzlicher Verlust.153 Kurt Hackbarth hatte nach dem Krieg als einziger die Genehmigung der Alliierten, das Vereinsgelände zu betreten. Die Überlegung liegt nahe, dass man sich von Seiten der Sowjets (als Erstbesetzer des Vereins) einen politisch möglichst unbelasteten Kameraden aussuchen wollte. Wenn derjenige vor der NS-Zeit seine SPD- oder, im besten Fall, seine KPD-Zugehörigkeit nachweisen konnte, war er erste Wahl für die sowjetische Seite. Dennoch wurde Kurt Hackbarth später aus dem Verein ausgeschlossen.154 Es ist nicht bekannt, aufgrund welcher Verfehlungen dies geschah und ob es evtl. einen Zusammenhang zum Verlust des „Falkensteiners“ oder von anderem Vereinseigentums gab. Es darf jedoch angenommen werden, dass es sich nicht um Lappalien gehandelt haben wird.

Die Vereine leben 1946 zunächst als Sportgruppen in ihren Sportsparten wieder auf. So wird der SCN der Segelgruppe Oberhavel l zugeordnet. Die Clubräume und -anlagen blieben weiterhin beschlagnahmt, aber allgemeines Aufräumen und die Möglichkeit, den Bootsschuppen winterfest zu machen sind erlaubt. Entsprechende Werkzeuge waren selber mitzubringen, Nägel nach Möglichkeit auch.155 Ein Antrag von 1941 wird wiederbelebt, der vorsah Ersatzzahlungen für nicht geleistete Vereinsarbeit zu leisten. Der Betrag wird auf 10 RM pro Arbeitsstunde aktualisiert und von der Baukommission überwacht.156

Dann wechselten die Besatzer und die englischen Alliierten übernahmen die Kontrolle über den Bootshafen und das Vereinsgelände. Sie suchten sich Verantwortliche für das Grundstück, brachten Boote ins Wasser und takelten sie mit Hilfe ihres Managers auf. Anschließend legten sie die Boote im Aalemannkanal vor Anker. Noch bis 1948 lagen sie dort an langen Leinen, ohne Plane und je nach Windrichtung stießen sie rechts oder links mit Baumstämmen oder anderen Booten zusammen. Der Verein bekam 1948 von den englischen Alliierten das Grundstück zurück. Da das Gelände ungesichert war und man von allen Seiten leicht einsteigen konnte, versammelte der Vorstand seine Mitglieder und stellte einen Plan für die Nachtwachen auf.157 In der Winterkantine wurden Schlaf-Pritschen aufgestellt, Gummikabel mit Schlinge wurden als Bewaffnung verwendet. Überall wurden Pappschilder mit der Aufschrift „Denkt an eure Wache!“ angebracht.158

Langsam normalisiert sich das Vereinsleben und das Bezirksamt verlangt 1948 eine Inventur der verbliebenen Vereinsgegenstände und -boote. Auf Anordnung der englischen Alliierten werden die Boote im Bootsschuppen eingelagert. Auch die Besatzungsmacht muss sich an geregelte Abläufe anpassen. Der Kassierer, Bernhard Nölte, wird ermächtigt, den englischen Alliierten für die Nutzung des Schuppens monatlich 1 RM/qm in Rechnung zu stellen und dem Verein die Kosten für die Zaunreparatur zu erstatten.159 Am 21.06.1948 wurde die D-Mark in der Trizone alleiniges gesetzliches Zahlungsmittel. Für die drei westlichen Zonen Berlins beginnt mit der Einführung der D-Mark der erfolgreiche Wiederaufbau, für die SCN-Mitglieder aus dem Ostteil der Stadt erschwert sich die Teilhabe an kostenpflichtigen Vereinsaktivitäten.

Mit der Frühjahrswettfahrt 1948 beginnt auf dem Tegeler See wieder der aktive Segelsport. Davon brachten die Kameraden Rudi Rothermund, Arthur Thürer, Herbert Heinrich, Erich Segeletz, Kurt Richter und Erich Karge erfolgreiche Platzierungen mit. Am 19.09.1948 sind zur Gründungsversammlung neben 28 Mitgliedern auch Vertreter des Bezirksamtes und des Spandauer Volksblattes anwesend (erst danach ist es zulässig, wieder den Namen SCN zu führen). Im Beisein von Vertretern des Bezirksamtes und des Spandauer Volksblattes wird die Zulassungsurkunde des Segel-Clubs Nordstern im Britischen Sektor verlesen. Bei der Vorstandswahl wird Bernhard Nölte 1. Vorsitzender und Erich Karge sein Stellvertreter. Die erste Standerhissung in Friedenszeiten stellt den feierlichen Abschluss der Neugründung des Vereins dar.160 Zum Spandauer Volksblatt hatte der SCN gute Verbindungen, die lange Jahre aufrechterhalten wurden. Die Tochter des Tischlermeisters Knoll, der die Vitrine zum „Falkensteiner“ baute, war Mitglied in der Jugendabteilung des Clubs. Später heiratete sie Hans Höppner, den Chefredakteur beim Spandauer Volksblatt. Dessen Eigentümer Kurt Leszinsky war auch einige Jahre Mitglied im SCN. In den Nachkriegszeiten wurden viele Restrollen Zeitungspapier vom Volksblatt verarbeitet, um die Räume für Feierlichkeiten auszuschmücken.161

03 Einladung Gründungsfeier SCN

Um die Neugründung des SCN auch gebührend zu feiern, findet am 26.02.1949 in Seitz Festsälen (Schützenstr. 2-4) ein großer Seglerball statt und geht als 29. Stiftungsfest in die Vereinsgeschichte ein. Das Tanzorchester „UTOS“ spielte auf. Seitz Festsäle waren seit den 20er Jahren immer wieder die Bühne für SCN-Veranstaltungen und auch nach dem Krieg Schauplatz wichtiger politischer Kundgebungen in Spandau.162 Um den Seglern aus dem Ostteil Berlins zu helfen, kann der reguläre Eintrittspreis von 4 DM zur Hälfte in Ost-Mark bezahlt werden.

Schifferball Eintrittskarte, 12.03.1949 (1 Leitz)

Nachdem der SCN seine Zulassung erhalten hat, gehört er zu den lizensierten Vereinen der Stadt Berlin und kann auch an den Feiern der Hauptspartenleitung Segeln teilnehmen, die sich ab April 1947 als Vereinigung Großberliner Segler gründete.163 Am 12.03.1949 wird von der Hauptspartenleitung zum Schifferball eingeladen, der in den Gesamträumen des Zoos in der Budapester Str. 20 stattfindet. In der Nachkriegszeit werden schnell wieder die Feierlichkeiten organisiert, auf die man in den letzten Kriegsjahren verzichten musste.

02 Bezirks Seglerball, 22.011949

Viele Segler des Bezirks Tegel nehmen nach dem Start ihres wiedergenehmigten Vereinslebens schon 1948 an Wettkämpfen teil. Am 05.03.1949 findet die Siegerehrung und Preisverteilung für die Saison 1948 mit anschließendem Bezirks-Seglerball im Restaurant „Seegarten“, Berlin-Tegelort, Scharfenberger Str. 26, statt. Dazu sind alle interessierten Angehörigen und Freunde des Segelsports eingeladen. Der Eintrittspreis wird ausschließlich in Ost-Mark erhoben, so dass für die Teilnehmer aus dem Ostteil Berlins keine Nachteile entstehen. Die Probleme, die sich aus den vier Besatzungszonen Berlins und den unterschiedlichen Währungen ergeben, werden 1949 immer offensichtlicher. Auf dem Jahrestag des Groß-Berliner Segler-Verbandes beschließen die Segler aus Ost und West, sich politisch nicht entzweien zu lassen, was angesichts der weiteren Entwicklung ein kurzlebiger Wunsch bleiben sollte. Schon im Herbst wird den Seglern aus dem Osten Berlins die Teilnahme an Wettfahrten im Westen untersagt.

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Der Bootsschuppen wird ab 01.06.1949 von den englischen Alliierten für den Vereinsbetrieb freigegeben.164 Der Bootsschuppen wird für das 29. Stiftungsfest am 31.07.1949 hergerichtet und ausgeschmückt. In die Rückwand der Sommerkantine wird eine Bühne eingebaut, so dass ein hervorgehobener Platz für Ansprachen und die Kapelle entsteht. Trotz der Normalisierung des Vereinslebens dauert es immerhin noch mehrere Jahre bis das letzte Boot von den englischen Alliierten an den Verein zurückgegeben wird. Es war der Jollenkreuzer von Hans Birr, den er 1952 zurückerhielt.165

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Das Jahr 1950 ist von den Jubiläumsveranstaltungen zum 30jährigen Bestehen des Vereins geprägt. Der Festball verzeichnet rund 500 Besucher. Jedes Mitglied hatte zwei Pflichtkarten abzunehmen und drei weitere Eintrittskarten zu vermitteln.166 Der Festobmann, Walter Ribbeck, bereitete den Jubiläumsball vor. Da der SCN 1945 sein 25. Jubiläum nicht feiern konnte, scheute man zum 30. Jahrestag keine Kosten. Die Feier konnte wieder in Seitz-Festsälen in der Schützenstraße ausgerichtet werden und für das Rahmenprogramm engagierte man bekannte Berliner Künstler. Man bestellte eine professionelle Kapelle, als Conférencier führte Horst Schallon durch den Abend und die Sketche trug Karlheinz Brunnemann mit einem Partner vor.167

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Nach dem Jubiläumball gab es eine gut besuchte Jubiläumsregatta mit Begrüßungsabend und ein Sommerfest.168 Noch heute lässt sich fast jeder der damaligen Vereinsmitglieder identifizieren, die vor 70 Jahren am Sommerfest teilnahmen. Das 30. Jubiläum wurde zum Anlass genommen, die Idee eines Clubhaus-Neubaus zu entwickeln und zu planen. Für den inneren Zusammenhalt des Vereins war schon immer eine funktionierende Kantine notwendig. Als nach dem Krieg wieder ordentliche Regeln für die Gastronomie durchgesetzt wurden, waren auf dem Vereinsgelände alkoholische Getränke im Ausschank nicht gestattet. Erst 1950 erhält der Club eine Vollkonzession auch für den Ausschank von Alkohol.169

8.2 Clubheim-Anbau 1952-1961

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In der Nähe der Revierförsterei Spandau170 befand sich ein Lager für ausländische Zwangsarbeiter (Niederländer)171. Die Baracken des Lagers sollten abgebaut werden und wurden meistbietend verkauft. Alle verfügbaren Mitglieder waren dabei und arbeiteten beim Abbau der Baracken und bei der Einlagerung des Materials im Verein bis spät in die Nacht hinein. Der Kohlenhändler August Schmidt transportierte auf Abruf das Abrissmaterial zum Verein. Auf dem Vereinsgelände angekommen, mussten die Baumaterialien ständig bewacht werden. Nach getaner Arbeit traf man sich in der Winterkantine, wo eine ausgelassene Stimmung herrschte.172

Die Planungssitzungen für den Kantinenneubau fanden in der Wohnung von Bernhard Nölte statt. Bis zu 20 Mitglieder nahmen an den Besprechungen teil. Die abgebaute Baracke wurde längs an den Bootsschuppen angebaut und an die Schuppenhöhe angeglichen. Die aus Holz bestehenden Seitenwände werden so belassen und nur die Brandmauer zum Bootsschuppen und die Vorderfront zum Wasser werden aus Ziegeln hochgemauert. Bei den benötigten Steinen handelte es sich um Abbruchsteine, die die Frauen mit dem Hammer vom Mörtel befreiten. Wochenlang war der Verein damit beschäftigt, Zement zu mischen und die Fundamente zu gießen. Eine Firma mauerte die Brandmauer mit einem Durchgang zur Halle sowie die Vorderfront mit den Fenstern zur Havel und den Sockel zur Auflage der Baracken-Seitenwände. Erst Jahre später wird, an den heute noch bestehenden Seitenwände aus Holz, ein Drahtgewebe angebracht und mit einer dicken Putzschicht versehen.

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Die älteren Mitglieder gruben den Keller für die erste Küche. Den Keller mauerte und isolierte man in Eigenleistung, ebenso die beiden Schornsteine für die Kantine. Die Pendeltür für den Windfang und eine feuerfeste Tür für die Brandmauer wurden eingebaut. Die Wilmersdorfer Tischlerei Dübler aus der Uhlandstraße fertigte die Fenster und die Tische, die Stühle kamen von der Brauerei. Die Fenster auf der Havelseite der Messe hatten zunächst Holzrahmen mit Einfachverglasung. Sie waren in der Mitte horizontal geteilt, so dass der obere Teil zum öffnen nach oben geschoben werden konnte.173 Bernhard Nölte besorgte die Kugellampen für die erste Beleuchtung. Als Heizung entschied sich der Vorstand für zwei kleine eiserne Öfen. Das Brennholz wurde bei den Öfen gelagert, die Kohlen im alten Bierkeller gestapelt. Die Finanzierung übernahmen Spender aus dem Verein und die Brauerei.174

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Auf dem Barackengelände der Zwangsarbeiter standen auch schalenförmige Waschanlagen aus Beton, die ebenfalls in den Verein kamen. Die Schalen sind immer noch vorhanden und haben als Blumenkästen vor der Terrasse die Jahre überdauert. Kaum jemand weiß noch, woher sie einst stammten. Sie sind ein Andenken an die Aufbauphase des Vereins.175

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Am 14.06.1952 wird der neue Kantinenbau eingeweiht, so wie er in seiner äußeren Form noch heute steht.176 Der erste Vorsitzende, Bernhard Nölte, dankte allen Beteiligten in seiner Einweihungsrede. Mit vielen Liedern, Essen und Freibier feierte man die Eröffnung des neuen Clubhauses. Als Dank für die Leistung der älteren Kameraden wird für sie der ermäßigte Mitgliedsbeitrag eingeführt.177

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Der Anbau erhielt eine Küche mit Erstausstattung und einen Tresen mit Schankanlage. Die beiden eisernen Öfen werden später durch zwei Öfen mit Ölheizung abgelöst, die Schornsteine werden abgerissen. Das Heizöl wird im umfunktionierten Bierkeller gelagert, wo auch die Bootsmotoren untergebracht sind. Es gab zwei Heizöltanks mit 950 l und 1000 l Nenninhalt. Im Heizöllager existierte eine Handpumpe mit Schlauch, um Öl von den Tanks in eine Kanne zu füllen. Mit der Öl-Kanne marschierte man dann in die Clubkantine und befüllte die beiden Ölheizkörper. Zur Verpflegung der Mitglieder stellte man im Bootsschuppen Kochtische auf, die provisorisch aus Böcken mit Auflagebrettern bestanden. Seit etwa 1956 wurden aus Brandschutz- und Sicherheitsgründen sogenannte Kochkisten verwendet, die mit Metall ausgekleidet waren und abgeschlossen werden konnten.178

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Da die Winterkantine überflüssig geworden war, baute man sie zu einer zusätzlichen Garderobe um und in den ehemaligen Ausschank zog der Vorstand ein. Das kleine Vorstandszimmer beinhaltete auf engstem Raum einen Schreibtisch, einen Tisch mit Stühlen und eine Kopiermaschine (Hektographie). Auch eine kleine Handbibliothek war vorhanden.179 Der Grundriss verdeutlicht die baulichen Modifikationen dieser Vereinsperiode.

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Zusammengenommen verändern die baulichen Maßnahmen dieser Zeit die Außendarstellung des Clubs deutlich. Besonders die repräsentative Fensterfront modernisiert das gesamte Erscheinungsbild des Vereins. Ein Blick von der Havel auf das Vereinsgelände, zeigt das erneuerte Antlitz des Clubs.

Für den Eigenbau der Boote waren schriftliche Unterlagen mit Rissen und Bemaßungen erforderlich. Die wichtigste Literatur zum Bootsbau, den „Curry“, den „Lohmann“ und den „Müller“180, 181 konnte man schon vor dem Krieg für wenig Geld erwerben oder sie ggf. in den beiden Spandauer Bibliotheken ausleihen (Kurstr. und Markt 4).182 Werner Kunze hielt zum Thema Aerodynamik und Theorie des Segelns schon im Winter 1949 eine Vortragsreihe. Theoretischer Ausgangspunkt der Vorträge war seine Beschäftigung mit dem Hauptwerk Manfred Currys.183 Aufgrund seines theoretischen Wissens wird er vom Verband als Vermesser für die Brandt‘sche Formel bestätigt.184

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Das alte Klubhaus wurde der Jugend 1952 zur Nutzung übergeben und hieß seitdem nur noch „Jugendhaus“.185 Der ehemalige Begriff geriet völlig in Vergessenheit. In der kalten Jahreszeit diente das Jugendhaus auch als Garderobe.

Bedingt durch den Volksaufstand vom 17. Juni 1953 flohen viele Segelkameraden aus dem Ostteil Berlins in den Westteil der Stadt und verstärkten den Club. Ab Mitte der 50er Jahre verschlechtern sich die Beziehungen der Seglerverbände in Ost und West weiter. Aufgrund eines Briefwechsels zwischen den Seglerverbänden Ost und West empfiehlt der DSV im Jahr 1958, von Wettfahrtstarts im Osten abzusehen. Vorausgegangen war die Sperrung der Interzonen-Wasserstraßen für Sportboote.186

Schon 1930 bemerkte man, dass die technische Hochrüstung von Regattabooten der Entwicklung des Breitensports und der Freude am Fahrtensegeln nicht zuträglich war. Deshalb stiftete man damals einen Preis für Tourenboote, der mit folgendem Text begründet wurde: „Es soll dadurch der Degradierung guter Tourenfahrzeuge entgegengetreten werden, denn unser größtes Ziel, Betreibung des Sports mit geringen Mitteln, kann nicht durch Klassenzüchterei erreicht werden.“187 Mitte der 1950er Jahre ist wieder der Beginn einer immer komplizierteren technischen Aufrüstung der Boote zu verzeichnen. Die Trimmeinrichtungen für Regattaboote werden deutlich aufwändiger und alles zielt auf zunehmend schnellere Segelboote ab. Das Fahrten- und Wandersegeln wird zurückgedrängt. Der Seglertag 1958 leitet deshalb dem Technischen Ausschuss einen Antrag zur weiteren Bearbeitung zu, demzufolge die Bauvorschriften für 15qm-Jollenkreuzer so zu ergänzen seien, dass ihre Wandereigenschaften erhalten bleiben.188 Erfolg hatte der Antrag nicht.

07 Bierdeckel 40

Vom 40. Jahrestag der Vereinsgründung im Jahr 1960 sind bis auf einen Bierdeckel mit Unterschriften keine Dokumente erhalten. Der Bierdeckel, den ausschließlich die Jugendlichen des Clubs unterschrieben, wurde von Karin Rüttimann aufbewahrt.

Am 13. August 1961 wurde die Berliner Mauer errichtet, die mehr als 28 Jahre, bis zum 9. November 1989, Bestand hatte. Sie wurde aufgrund von Beschlüssen der Sowjetunion und der DDR-Regierung errichtet und war ein Grenzbefestigungssystem, welches die DDR von West-Berlin hermetisch abriegelte. Damit trennte sie nicht nur die Verbindungen zwischen dem Ostteil („Hauptstadt der DDR“) und dem Westteil der Stadt, sondern umschloss alle drei Sektoren des Westteils Berlins, womit auch alle Verbindungen zum seenreichen Berliner Umland unterbrochen waren. Für die Segler Westberlins begann damit eine Zeit der Einschränkungen, der Bevormundung und des ständigen Ärgers.

8.3 Toiletteneinbau und Kantinenmodernisierung 1962-1976

Zwischen den Jahren 1961 und 1963 meldeten sich zahlreiche Westberliner Kameraden zur Aufnahme in den SCN an, deren Segelrevier zwischen Friedrichshagen und Zeuthen lag und nicht mehr erreichbar war. Wegen der Auflagen der Ostberliner Behörden werden „Schnellaufnahmen“ beschlossen, damit diese Kameraden ihre Boote von Ost- nach Westberlin holen konnten. Insgesamt 10 Boote werden durch die Ostberliner Behörden freigegeben.189

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Der Toiletteneinbau im Bootsschuppen wurde 1961 umgesetzt, wozu größere Teile des Fußbodens manuell ausgehoben werden mussten. Die Plumps-Klos im alten Garderobenhaus konnten danach entfallen und wurden zu einem Abstellraum umgebaut.

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1963 wird ein Betonfußboden in die gesamte Bootshalle eingebracht. Bis zu diesem Zeitpunkt bestand der Boden der Halle zum größten Teil aus Sand. Peter Tietsch bedient den Zementmischer bei der Vereinsarbeit.

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Um allen Mitgliedern eine Sommerbleibe zu ermöglichen, die über kein Laubengrundstück verfügen, werden im Bootsschuppen Schlafkojen (sogenannte Kitzelkammern) aus Holz-Zwischenwänden errichtet. Dabei handelte es sich um 8 bis 12 Kammern mit Sperrholzwänden, die im Sommer aufgebaut und im Winter wieder abzubauen sind, um dann die Boote unterzustellen. Die Kammern besaßen eine nur sehr kleine Grundfläche, gerade ausreichend für 2 Liegen und einen kleinen Schrank. Aufgebaut waren sie im Bootsschuppen vor den Werkzeugkammern und nahmen ca. ¼ des Raumes ein, so dass sie bis etwa zum Anfang der Tanzfläche reichten.190

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Der Kantinenumbau erfolgte 1966. Die Mitglieder bauten die Küche so um, dass sie etwas größer wurde und die Stützpfeiler des Daches in die Wandecken integriert werden konnten. Der Tresen und die Schankanlage bekommen ein modernisiertes Design aus edlen Hölzern. Im Eingangsbereich sorgt der Neubau eines Windfangs und einer Garderobe für zusätzlichen Komfort.

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Raumteiler auf beiden Seiten des Klubhauses lockern den Gesamteindruck auf und lassen abgeschlossene Räume entstehen, in die man sich zum persönlichen Gespräch zurückziehen kann. Sowohl an der Vorraum-Rückwand als auch am Stammtisch wurden Glasvitrinen eingebaut, die als Sichtschutz und zur Ausstellung von Preisen und Pokalen dienten. Durch den Einbau runder Fenster auf beiden Seiten der Kantine wurde der Eindruck einer Bootsmesse erzeugt. Am 30.09.1967 wird die neugestaltete Kantine des Clubs mit einer großen Feier eingeweiht.191

Die Vereinsanlagen des Wassersport-Clubs Grün-Silber-Orange Berlin 1952 e.V. (WGSO) werden im Jahr 1970 durch Einbruch und Vandalismus völlig verwüstet. Eine Sammlung unter den SCN-Mitgliedern und Umlagen aus der Clubkasse bringen zusammen 1000 DM auf, die den sehr hilfsbereiten Kameraden des WGSO zur Verfügung gestellt werden.192

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Im August 1970 wird im Clubhaus des SCN der 50. Jahrestag des Vereins gewürdigt. Wichtige Vertreter des Berliner Segelsports sind zu Gast und nehmen an der Jubiläumsveranstaltung teil. Mehrere Reden werden gehalten, auch Werner Kunze als erster Vorsitzender hält eine Jubiläumsrede. Rechts neben ihm steht Gerhard Virgils, der ab 1973 die Geschicke des Vereins lenken wird. Hinter Werner Kunze ist noch eine der alten Ölheizungen und der Raumteiler zum Stammtisch zu sehen. Auf einer Seite des Raumteilers ist eine Vitrine eingebaut, die andere Hälfte besteht aus einem Raumteiler mit Stäben.

08 Einladung Fünfzig Jahre SCN, 1970 (1 Leitz)

Am 02.10.1970 wird zum Jubiläumsball anlässlich des 50. Jahrestages der SCN-Gründung ins Berliner Hilton Hotel in der Budapester Str. 4 eingeladen. Auf dem festlichen Ball wird von den Mitgliedern nicht nur des 50. Vereinsjubiläums gedacht, sondern es werden auch die großen Arbeitsanstrengungen dieses Jahres gewürdigt, die zu wesentlichen Verbesserungen im Vereinsleben führten.

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Im Winter 1972 wird der hölzerne, terpentingetränkte Hauptsteg unter der Leitung von Rudi Herrmann völlig neu aus Metall aufgebaut. Der alte Holzsteg ist vor seinem Abriss noch dokumentiert, während Mitglied Peter Tietsch versehentlich ins Wasser fiel. Anfang 1973 sind die Arbeiten abgeschlossen. Nach der Versammlung am 30.03.1973 wird der neue Steg eröffnet. Die Mitglieder begeben sich zum Hafen, wo der erste Vorsitzende, Kurt Richter, den Türschlüssel überreicht bekommt.

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Als er das große Türschloss öffnet, löst sich ein von Rudi Herrmann gezündeter Böller, womit der Steg seiner Nutzung übergeben ist. Die Ramm-Mannschaft gibt Freibier aus und rundet damit die Zeremonie ab.193 Der neue Steg besteht aus Metallgitterrosten und bewirkt eine Reihe von Veränderungen. Der regelmäßige Anstrich der Holzstegbretter kann entfallen und im Sommer besteht keinerlei Gefahr mehr, sich an den Füßen Splitter einzuziehen. Dafür ist das Barfußlaufen auf den scharfkantigen Gitterrosten eine Qual und kann fortan zum Leidwesen der Kinder und Jugendlichen nicht mehr praktiziert werden. Viele bedauern die Neuerung und warnen die Nordstern-Kinder vor den Gitterrosten. „Großzehenfänger, hatte die Mutter damals vor dem ersten Betreten gewarnt, dazu scharf wie Messerkanten. Zieht euch Schuhe an, womöglich bleibt ihr sonst beim Gehen mit den Zehen hängen … Und so haben sich die Mitglieder daran gewöhnt, für ein paar Stunden weniger Winterarbeit auf einige Annehmlichkeiten und Bequemlichkeiten im Sommer zu verzichten. Denn [für Sonnenhungrige und] auch zum Sitzen sind die Roste nicht geeignet.“194 Andere Clubmitglieder sahen in den Rosten durchaus einen Vorteil, da man sich, z. B. beim Angeln in sitzender Position, nicht mehr die Hose mit Öl- oder Teerflecken beschmierte.

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Und noch etwas hat das Gesicht des Vereins wesentlich verändert. Am Slipgang sind über die Jahre die von den Altvorderen gepflanzten Silberpappeln übergroß geworden. Für die Terrasse gaben sie einen Sonnenschutz ab und beim Rauschen ihrer Blätter hielt man seinen Mittagsschlaf. Die Riesenbäume sind dann mehrmals Meter für Meter abgetragen worden, weil sie von innen morsch, hohl und zersplittert waren.195 Gegen Ende 1971 entschloss man sich die Bäume endgültig zu fällen. Es dauerte längere Zeit bis die Baumreste entsorgt waren. Rechts ist der Slipgang ohne Pappeln und mit den gestapelten Baumresten zu sehen.

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Schließlich wurde 1973 an der Rückwand des Öl-Bunkers eine Kochküche angebaut, die überdacht war und über bessere Arbeitsplätze verfügte. Die linke Längsseite war eine geschlossene Wand, die hier weißverputzt zu sehen ist. Die rechte Seite war zu den Küchen geöffnet (vgl. Grundriß). Die Kochkisten im Bootsschuppen können damit entfallen. Somit wird Platz im Bootsschuppen frei, der für notwendige Arbeiten an den Booten gebraucht wird.

Gebäude 1962

Zum Abschluss dieser Vereinsperiode haben sich zahlreiche Veränderungen in der Gebäudestruktur des Vereins ergeben (vgl. Grundriss).

8.4 Neues Garderobenhaus 1977-1986

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Das alte Garderobenhaus und das Jugendhaus haben dem Verein bis 1976 gute Dienste erwiesen. Besonders die alte Winterkantine hat viele kleinere Feste und Bierabende erlebt. Beide werden Anfang 1976 abgerissen, um einem neuen Garderobenhaus Platz zu machen. Die Finanzierung des Neubaus erfolgte u. a. mit einem Darlehen des Senators für Jugend und Sport.196

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Auf dem Vereinsgelände türmen sich Schuttberge, die bis Anfang April abzufahren und zu beseitigen sind. Am 21.04.1976 beginnt die Spandauer Baufirma Alfred Koske & Sohn (13581 Berlin, Grünhofer Weg 16/18) mit dem Bau des neuen Garderobenhauses.197 Die größte Schwierigkeit beim Garderobenneubar war die frostfreie Gründung bei einem Grundwasserstand von 60cm Tiefe. Es musste eine Art umgedrehte Wanne aus Spezialbeton gefertigt werden, um vor dem Grundwasser zu schützen.198

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Die Kosten erhöhen sich dadurch um ca. 10.000 DM. Daher stellt der Geschäftsstellenleiter, Bernhard Nölte, beim Bezirksamt den Antrag, die Kosten für die Baugenehmigung rückerstattet zu bekommen. Das Ergebnis der Eingabe ist nicht bekannt – die Chance einer Rückerstattung dürfte relativ gering gewesen sein. Erkennbar ist aber die finanzielle Notlage des Clubs, der jede Gelegenheit nutzen musste, seine Finanzlage zu verbessern. Jedenfalls wird 28.05.1976 schon Richtfest gefeiert. An Stelle des alten Holzhauses ist ein neues, massives Garderobenhaus mit Vorratsraum, Jugendraum, Vorstandszimmer und einem Zimmer für den Wirt errichtet worden.

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Der Innenausbau wird in Eigenarbeit geleistet, nimmt den Rest des Jahres in Anspruch und dauert bis zum Folgejahr.199 Die Tischlerarbeiten beim Innenausbau werden von Dieter Nerlich konzipiert und koordiniert, die notwendigen Arbeiten übernehmen die Vereinsmitglieder. Dazu wird 1977 in der Bootshalle eine Fertigungslinie eingerichtet, in der die Garderobenschränke vormontiert werden.200 Anschließend erfolgt die Endmontage im Garderobenhaus. Die Komplettierung der Schränke und die Ausrichtung der Schranktüren stellen den letzten Arbeitsschritt dar.

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Das Vorstandszimmer ist Gerhard Virgils neues Zuhause im Verein und wird geschmackvoll und zweckmäßig eingerichtet. Bei regnerischem Wetter hält Gerhard Virgils die Einweihungsrede vor dem Garderobenhaus. Bei der Einweihungsfeier sind auch die befreundeten Segler der SK Teufelsbrück aus Hamburg zu Gast. Danach wird die Einweihung zünftig bei Bier, Erbsensuppe und Wurst in der Clubkantine gefeiert.201

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Im letzten Winter vor dem Garderobenneubau gab es eine gefährliche Verpuffung bei einem der beiden Ölöfen in der Messe. Deshalb entschied der Vorstand, zeitgleich mit dem Garderobenneubau, die Ölheizung durch eine Gasheizung zu ersetzen.202 Dadurch erübrigte sich der Öl-Bunker. Für die Gasheizung entstand im Garderobenbereich der Messe ein zusätzlicher Raum für die neue Gasheizung. Auf die Kochküche konnte ebenfalls verzichtet werden, weil die Wirtsleute diverse Speisen anboten und die Kaufkraft der Mitglieder sich deutlich entwickelt hatte. Nach Abriss von Öl-Bunker und Kochküche wurde in diesem Bereich der Gas-Tank für die Heizung aufgestellt und ein Spielplatz für die Vereinskinder angelegt.

In der Messe machen sich an den Holzfenstern erste Schäden bemerkbar. 1978 entschließt man sich, auf der Havelseite neue Alu-Fenster mit Verbundglas einzubauen. Die von den Mitgliedern zur Übernachtung in den Sommermonaten nicht mehr genutzten Schlafkojen („Kitzelkammern“) werden aufgegeben. Aus den Stellwänden errichtet man 1980 zwei abgeteilte Räume für vereinseigenes Material, Werkzeug und Kleinteile. Die beiden Werkzeugräume befinden sich in der Bootshalle gegenüber der Toilette.203

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In der Messe wird der Raumteiler auf der Stammtischseite ausgebaut. Auf seiner rechten Seite integriert man eine zweite Vitrine, so dass dahinter ein abgeschlossener Bereich entsteht. Die rechte Vitrine ist nunmehr als Schrankwand ausgebaut. Vorher war es ein stabförmiger Raumteiler, der keine Funktion besaß. Nun hat man zusätzlichen, repräsentativen Stellplatz geschaffen.

Gebäude 1977

Im Außenbereich legte man außerdem eine behindertengerechte Rampe an, über die die Messe barrierefrei erreichbar wurde. In der Bootshalle lösten 1982/83 zwei elektrische Rolltore die alten Holztore ab. Sie wurden von Wolfgang Kaplick und einigen Kameraden von einer Abrissbaustelle geborgen. Der Einsatz musste an einem Wochenende beendet werden, der Einbau dauerte etwas länger. Das erste Tor konnte nach einem halben Jahr eingebaut werden, beim zweiten Tor erlahmten die Kräfte, so dass es zwei Jahre dauerte bis der Einbau abgeschlossen war.204 Die daraus resultierende, veränderte Gebäudestruktur ist nebenstehend abgebildet.

In dieser Vereinsperiode ergänzen bzw. erneuern einige Vorschläge der jeweiligen ersten Vorsitzenden die Traditionen des Vereins. Der erste Vorsitzende, Gerhard Virgils, schlägt 1977 zwei Veränderungen für das „Wording“ der Mitglieder vor. Erstens soll die Club-Kantine zukünftig „Messe“ genannt werden und der Bootsschuppen soll zur „Bootshalle“ umbenannt sein. Einige Jahre später führt der nachfolgende erste Vorsitzende, Werner Kunze, auf der Versammlung vom 18.07.1980 ein gemeinsam gesungenes Lied wieder ein.205 In der NS-Zeit wurde folgendes Vereinslied gesungen: „Die Segel gespannt! An Bord! An Bord!“ (nach der Melodie „Frisch auf, Kameraden, auf’s Pferd, auf’s Pferd“). Der Text ist im Programm der Standerhissung mit Bootstaufen vom 15.04.1938 nachzulesen. Der Brauch eines gemeinsam gesungenen Vereinsliedes war durch den Krieg verloren gegangen. Das neue Vereinslied, „Wir bleiben treu dem Segelsport“ (nach der Melodie „Stimmt an mit hellem, hohen Klang“), ist das Lied Nr. 37 aus dem Liederbuch des Freien Wettsegel-Verbandes (Vorgänger vom FSV), das schon 1924 erschien.206 Möglicherweise fand das Lied auch schon vor der NS-Zeit als Vereinslied Verwendung und wurde nur deshalb nicht mehr gesungen, weil der FSV nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten verboten war. Werner Kunze mag dessen Ursprung von vor 1933 bekannt gewesen sein. Er erwähnt in seinen Erinnerungen ausführlich die alten Lieder und spricht davon, dass schon 1952, zur Einweihung des Clubheimes, das besagte Vereinslied gesungen wurde und sauber kopiert, auf allen Plätzen lag.207 Eine weitere Neuerung, die zum festen Bestandteil der Vereinskultur wird, ist 1979 das erstmalige Erscheinen des SCN-Informationsblattes. Obwohl sich sein Erscheinungsbild im Laufe der Zeit mehrfach verändert hat, erfreut es sich bis heute großer Beliebtheit.208

In den 70er Jahren beschäftigt den Verein zunehmend der Streit mit Anwohnern der Wohnsiedlung Hakenfelde um die Zufahrtwege zum hinteren Parkplatz. Der Streit eskaliert derart, dass 1978 wütende Bewohner der Wohnsiedlung die Zufahrt zum Parkplatz mit Granitsteinen blockieren.209 Erst 1982 entspannt sich die Situation. Vorab war im Grundbuchamt geklärt worden, dass dem Parkplatz eine Zufahrt mit eigenem Wegerecht zusteht. Eine letzte Schwierigkeit war, dass einem Nachbarn aus der Siedlung ein Schuppen gehörte, der auf der Zufahrtsstraße stand. Um dieses letzte Problem gütlich aus der Welt zu schaffen, wurde der Schuppen durch Vereinsmitglieder abgerissen und an anderer Stelle durch Heinz Boss und Wolfgang Kaplick wieder hochgemauert.210 Damit waren die letzten Hindernisse ausgeräumt und das Bezirksamt Spandau stimmte der Verpachtung des hinteren Parkplatzes an den SCN zu und genehmigte die Wiedereröffnung eines eigenen Zufahrtsweges.211

Für Schleppfahrten wird 1984 ein eigenes Motorboot beschafft und auf den Namen „Wilhelm“ getauft. Zuvor musste der ursprünglich zu diesem Zweck beschaffte, tonnenschwere Stahlkörper eines ausrangierten Transportbootes der Firma Seydbeton entsorgt werden, da er sich als ungeeignet erwies.212

Das Jahr 1985 stand ganz im Zeichen der im SCN durchgeführten Internationalen Deutschen Meisterschaft (IDM) für die 20er-Jollenkreuzer. Die Veranstaltung wird ein großer Erfolg, insbesondere auch, weil daraus die Mannschaft Wolf-Dieter Kunze, Bernhard Gutsche und Michael. Dzembritzki als Sieger hervorging.213

8.5 Anbau des Sanitärtraktes 1987-1989

Schon 1986 wurde ein Bündel von Baumaßnahmen beschlossen, zu denen eine neue Krananlage, eine Slipanlagen-Erneuerung, die erneute Modernisierung der Clubküche, die Dachsanierung der Bootshalle und ein neuer Sanitärtrakt als Anbau zum Garderobenhaus zählten. Für diesen Zeitraum liegen keine Bilddokumente vor.214 Bevor der Anbau des Sanitärtraktes begonnen wurde, sind bei damaligen Bodenproben leicht erhöhte Ammoniakwerte gemessen worden. Es dürfte sich um Rückstände der zum Erdreich offenen Toiletten des alten Garderobenhauses gehandelt haben.215 Vor Baubeginn 1986, wurde lange überlegt, ob die Abwässer von Toilette und Dusche in einem unterirdischen Auffangbehälter oder in einem oberirdischen Tank gesammelt werden sollten. Letztendlich entschied man sich für eine unterirdische Auffangwanne für Fäkalien und anderes Abwasser. Aufgrund des hochstehenden Grundwassers musste eine komplizierte Grundwasserabsenkung durchgeführt werden. Dazu musste durch die Firma Elemente Spezialbau eine 2 m tiefe Grube ausgehoben werden, um danach Grube und Decke aus Spezialbeton zu fertigen.216

Gebäude 1987

Im Garderobenhaus selber wird parallel dazu, ab 1986, begonnen, die Raumaufteilung zu ändern. Der Vorrats- und Geräteraum wird zum Mehrzweckraum für Gasheizung und Wasserversorgungsanlage umfunktioniert. Das große Wirtszimmer unterteilte man, um einen Raum als Materiallager hinzuzugewinnen. Ein verkleinertes Wirtszimmer blieb für den Gastronom des Vereins erhalten. Die Clubküche in der Messe erhält eine neue Ausstattung. Der angebaute Sanitärtrakt beinhaltet Damen- und Herren-Toiletten sowie eine Damen- und Herren-Dusche. Ein Durchgang verbindet den Sanitärtrakt mit dem Garderobenhaus. Mit diesen veränderten Bebauungsstrukturen hat der Verein sein heutiges Aussehen erreicht. Wesentliche bauliche Veränderungen waren seitdem nicht mehr erforderlich.

8.6 Deutsche Einheit und weitere IDMs 1990-2000

Für alle Segler Berlins war der Mauerfall am 09.11.1989 ein überaus wichtiges Ereignis. Die Berliner Wasserwege sind wieder frei befahrbar, Patrouillenboote und Wachtürme mit bewaffneten Soldaten gehören der Vergangenheit an. Der Berliner Seglerverband organisiert 1990 ein Treffen aller Berliner Vereinsvorstände im Segler-Verein Stössensee e.V. (SVSt) zum gegenseitigen Kennenlernen und Meinungsaustausch. Die Bezirke Müggelsee, Dahme und Zeuthen kommen wieder zum Berliner Segler-Verband hinzu. Den Fahrtenseglern steht für die kommende Saison der Wasserweg über Havel und Oder zur Ostsee wieder offen.217

Auch das Jahr 1991 wird von einer, vom SCN auszurichtenden, internationalen Meisterschaft geprägt. Nach der IDM 1985 ist es die zweite internationale Meisterschaft, die seit Bestehen des Clubs organisiert wird. Wettfahrtabwicklung und Rahmenprogramm der IDM der Varianta-Klasse werden ein großer Erfolg. Die Mannschaft von Klaus Krüger/Jürgen Mischke wird Deutscher Meister.218

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Als ein ganz besonderes Jahr geht 1995 in die Vereinsgeschichte ein. Es ist das Jahr des 75jährigen Jubiläums des Bestehens des SCN. Der offizielle Jubiläumsempfang findet am 19.03.1995 in der Messe des Vereins statt. Alles was im Berliner Segelsport Rang und Namen hat, versammelt sich in der Messe des SCN. Allen voran gratulieren die Bezirksbürgermeister von Spandau und Reinickendorf (Sigurd Hauff, Detlev Dzembritzky), der Berliner Sportverband (BSV), der Deutsche Segler-Verband (DSV), der Landessportbund, viele befreundete Vereine (z. B. WGSO, SKT, VSaW, SCS, WSV21, RSC), die I.G. Rust und andere mehr. Nebenstehend der Bezirksbürgermeister von Spandau, Sigurd Hauff.

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Doch damit nicht genug, trifft sich der Verein mit den Freunden aus den umliegenden Vereinen am 05.08.1995 zum Stiftungsfest auf den Freiflächen des Vereins. Familie Schulz ist aus Hamburg mit dem Boot angereist und bringt ein Fass „Dübelsbrücker Dunkel“ mit. Unter den Mitgliedern und ihren Gästen herrscht eine ausgelassene Feststimmung. Manfred Richter, erster Vorsitzender des SCN, sitzt hier gut gelaunt unter seinen Segelkameraden.

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Zum guten Abschluss treffen sich die Vereinsmitglieder mit ihren Partnern zum Jubiläumsball am 04.11.1995 im Palais am See in der Wilkestr. 1 in 13507 Berlin. Die musikalische Unterhaltung kommt vom Berlin-Sextett, Carola Opitz vom Friedrichstadtpalast moderiert den Abend und der Humorist „Fietje“ amüsiert die Zuschauer. Es wird ein rauschendes Fest gefeiert und als die Musik zum Tanz aufspielt hält es niemanden auf den Plätzen.

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Aus Anlass des 80. Geburtstags des SCN wird im Jahr 2000 die Segler-Kameradschaft Teufelsbrück aus Hamburg-Finkenwerder (SKT) zu den Feierlichkeiten eingeladen. Die 10 Gäste aus Hamburg und der Bezirksbürgermeister nehmen am Herbstvergnügen teil, welches unter besonderer Berücksichtigung des 80. Geburtstages des SCN stattfindet.

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Von 1998 bis 2002 wird die Blaue Europa-Flagge insgesamt vier Mal vom Verein errungen. Mit der internationalen Europa-Flagge werden möglichst große Umweltverträglichkeit, Sicherheit, Entsorgung von Sonderabfällen und Umwelterziehung prämiert. Voraussetzung sind Besichtigung und Begutachtung des Vereins und ein umfangreicher Fragebogen, der auszufüllen war.219

8.7 Substanzerhalt und Neuorientierung 2001-2020

Um die Akzeptanz des SCN für neue Kandidaten und Mitglieder zu erhöhen wird vom Vorstand 2001 die Zahlung eines Aufnahmebeitrages bis auf weiteres ausgesetzt. Nach bisher 20 Jahren gibt es keine Anzeichen dafür, dass zu einer Aufnahmegebühr zurückgekehrt wird.

Im Sommer 2002 wird die dritte internationale Meisterschaft durch den Verein ausgerichtet. So werden Organisation und Durchführung der Meisterschaft der Varianta-Klasse (IDM Varianta) eines der bedeutsamsten Ereignisse des Jahres. Die Palette der Aktivitäten reicht vom Säubern des Parkplatzes, die Freimachung von Stegplätzen in Abstimmung mit den anderen Spandauer Segelvereinen, über die erfolgreiche Planung und Durchführung der Regatten, bis hin zur Zubereitung kulinarischer Genüsse für die Gäste und der hinreißenden Abschlussveranstaltung mit Siegerehrung und Tanz.

Die gegenwärtige Phase des Clubs ist nicht mehr durch umfangreiche Neubauvorhaben gekennzeichnet, wie sie für die Vergangenheit charakteristisch waren. Die letzten 20 Jahre sind durch Substanzerhalt und -modernisierung geprägt. Da die Bau-, Boots- und Gerätesubstanz in der Vergangenheit ständig erweitert wurde, ist ihr Erhalt und ihre Vervollkommnung eine ebenfalls sehr anspruchsvolle und aufwändige Aufgabe. Nach wie vor werden die meisten Arbeiten zur Instandsetzung und Modernisierung durch die Vereinsarbeit und darüber hinausgehende Leistungen einzelner Mitglieder umgesetzt. Da es sich um eine Vielzahl von Einzelmaßnahmen handelt, werden die wichtigsten nur kursorisch kommentiert:

2006 Renovierung Messevorraum, Toiletten und Tresen, Beschaffung Küchenherd
2008 Erneuerung des Garderobendachs, neue Slippen- Winde, pflastern des Slipgangs, Renovierung der Messe-Garderobe, Brunnen-Erneuerung im Garderobenhaus
2010 Erneuerung des Südstegs, Reparatur der Vereinsboote „Wilhelm“ und „Balu“, Einbau neuer Feuerschutztüren in der Bootshalle, Bootsstellflächen gepflastert
2011 Übernahme des ehemaligen Feuerwehrwegs, wodurch zusätzliche Stellplätze für das Winterlager der Boote entstehen, Digitalisierung der Finanzverwaltung des Clubs
2012 Umbau und Sanierung von Küche und Tresenbereich (beleuchteter Vitrinenschrank, Handwaschbecken)
2013 Herrichtung des Vereinsgeländes für die IDM 2013, Beschaffung neuer Schließanlage und Austausch aller Schlüssel
2014 Kauf und Neuaufbau eines Vereinsbootes für Regatten (Varianta „Variable“)
2015 Sanierung der Messe -Abwassergrube, Sanierung des Hauptstegs, neue Internetpräsenz, Reparatur der Heizungsanlage, Verlegung neuer Gitterroste auf Stegen
2017 Küchensanierung bzgl. Elektrik, Dunstabzugshaube, Fußbodenentwässerung, Handwaschbecken, Heizkörper, Unterschränke und Gasherd
2018 Dachsanierung aller Gebäude, Promenadenzaun erneuert, Neubau des Slipsteges, neue Gitterroste auf Stegen, Vereinsboote „Wilhelm“ und „Gabiweiko“ überholt

An der Stelle sei auf die besondere Rolle der permanenten Stegarbeiten hingewiesen. Beginnend mit der Vereinsgründung sind die unterschiedlichsten Stegarbeiten zu allen Jahreszeiten dokumentiert. In den ersten Vereinsjahrzehnten verrichten die Mitglieder die schweren Arbeiten noch selbst. Die regelmäßig entstehende Eisfläche im Winter ermöglichte es, auch ohne aufwändiges Spezialgerät, die Arbeiten selbst durchzuführen. Später kommen Spezialfirmen zum Einsatz, die die Rammarbeiten von speziell dafür konstruierten Schiffen durchführen. Trotzdem sind auch die Mitglieder immer wieder mit Stegarbeiten beschäftigt. Es geht um Entrostung, Farbanstrich, Verlegung der Gitterroste und Wartung der Steg-Elektrik. Neben der Messe und der Terrasse sind die Stege die zentralen Orte des Clubs.

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1965 nahm der Verein erstmalig an der Wassersportausstellung unter dem Funkturm teil. Zunächst war es der selbstgebaute 20qm-Jollenkreuzer „Pangany“ von Werner Kunze, der dort ausgestellt wurde. Das Boot mit dem Segelzeichen R 841 befindet sich noch heute im Besitz des Vereins.

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Nach und nach wandeln sich die Ausstellungsziele. Die zunehmend geförderte Kinderbetreuung und das stark ausgebaute Regattasegeln in der Optimisten-Klasse führt 1968 dazu, dass die im Club selbstgebauten Optis ausgestellt werden. Hier der Optimist „Yogi“ von Guido Liebing. 1971 wurden bei der Wassersportausstellung nicht mehr nur Boote ausgestellt. Einige Optimisten des Vereins gaben, durch Elektromotor und Windräder angetrieben, den Messebesuchern in einem großen Wasserbassin eine Segelvorstellung.

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Einige Zeit später, im Jahr 1973, werden unter dem Funkturm die H-Jollen des Vereins ausgestellt. Eine ganz andere Zeit hat 2010 begonnen, als der SCN, nunmehr erstmalig auf der Ausstellung „Boot und Fun“, öffentlichkeitswirksam vertreten ist und über einen Großbildschirm die Hauptaktivitäten des SCN vorstellt. Die Nordstern-Kinder demonstrieren ihr Leistungsvermögen in einem großen Wasserbecken.

Mit ganz besonderem Stolz blickt der SCN im Jahr 2010 auf die Ausrichtung der ersten Junioren-Europameisterschaft in der Piratenklasse zurück. Am letzten Regattatag wurden noch fünf Kurzwettfahrten gesegelt. Durch zu verhandelnde Proteste konnte die Siegerehrung erst gegen 22 Uhr bei Scheinwerferlicht unterm Flaggenmast vorgenommen werden. Von der Planung über die Durchführung bis zur Siegerehrung war es eine durch und durch gelungene Veranstaltung.

Das erste Halbjahr 2011 war für den SCN eine schwierige und turbulente Zeit. Mit dem unerwarteten Rücktritt mehrerer Mitglieder des Geschäftsführenden Vorstands auf der Jahreshauptversammlung im März, ist der Club unerwartet in ein schwieriges Fahrwasser geraten. Trotzdem gelang es schon im Juni, den Geschäftsführenden Vorstand neu zu besetzen. Der neu gewählte Vorstand begann unverzüglich mit einer Bestandsaufnahme und Analyse der Ursachen für diese Entwicklung und verständigte sich auf entsprechende Gegenmaßnahmen. Durch eine Satzungsänderung wurde ein Ehrenrat installiert, der mit 5 Mitgliedern seine Arbeit aufnimmt. Seine Hauptaufgabe ist es, als Friedensrichter zu agieren, um problematische Konstellationen zu moderieren und zu entschärfen. Ein weiteres Thema war, die Zahlungsdisziplin der Mitglieder zu erhöhen. Nach mehreren persönlichen Gesprächen wurden die ausstehenden Bootsbeiträge von mehreren Mitgliedern beglichen, wobei auch der Austritt von uneinsichtigen Kameraden in Kauf genommen wurde.

Sportlicher Höhepunkt der Saison 2013 war die Ausrichtung der Internationalen Deutschen Meisterschaft (IDM) der Varianta-Klasse. Das außergewöhnliche Lob und die besondere Anerkennung der angereisten Varianta‐Segler für die Ausrichtung der Meisterschaft sind der beste Beweis für die Leistungen des Clubs.

Im Jahr 2017 wird das langjährige Anliegen des Vereins, das Sportgelände mit Clubhaus, Bootshalle und Garderobenhaus zu kaufen, durch den Berliner Senat endgültig abgelehnt. Stattdessen konnte der Vorstand mit dem Bezirksamt Spandau für das Sportgelände einen Mietvertrag mit einer Laufzeit von 30 Jahren bis zum 31.12.2047 aushandeln. Auf dieser zukunftssicheren Basis kann der Club auch weiterhin erfolgreich arbeiten.

In der Zeit von 2014 bis 2019 waren Vorstand und Mitglieder mit vereinsrechtlichen Auseinandersetzungen befasst, die sich über mehrere Gerichtsinstanzen erstreckten. Das Thema dominierte alle Versammlungen und Gruppengespräche und veränderte das soziale Klima des Vereins negativ. Es ging um unzulässige Stegplatznutzung, ausstehende Beiträge und Ausschluss langjähriger Mitglieder, die sich auch nicht durch Einschaltung des Ehrenrates im Konsens lösen ließen. Die Klageverfahren beanspruchten die Kapazitäten aller Beteiligten außerordentlich. Mit dem abschließenden Urteil des Kammergerichts Berlin ist der Ausschluss eines langjährigen Mitglieds bestätigt worden. Die Nachzahlung ausstehender Mitgliedsbeiträge und Bootsliegegebühren sind Bestandteile des Urteils.

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Seit Ende Januar 2020 wird die COVID-19-Pandemie in Deutschland immer präsenter. Die Atemwegserkrankung COVID-19 ist Anfang 2020 weltweit ausgebrochen und wird durch die Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 ausgelöst. Die Bundesregierung beschließt das Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite am 27. März 2020. Schon vorher, am 19.03.2020, schließt sich der SCN-Vorstand den Empfehlungen des Reviervorstands Tegel an und untersagt mit sofortiger Wirkung die Nutzung des Vereinsgeländes. Das schließt auch die Überholung der Boote und die Durchführung von eventuellen Restarbeiten an den Booten ein. Die Club-Mitglieder halten über eine WhatsApp-Gruppe untereinander Kontakt. Am 19.04.2020 werden alle Vereins-Regatten und -Veranstaltungen bis Anfang August vom Vorstand abgesagt. Dies betrifft insbesondere die Absagen der GermanOpen der 20qm-Jollenkreuzer und die Absage des Sommerfestes am 01.08.2020. Am 22.04.2020 wird das Abslippen der Boote unter der Voraussetzung genehmigt, dass es nur zu zweit (ohne Gruppenbildung) oder nur unter Beteiligung von Personen aus einem Haushalt erfolgt. Es sind nur zeitversetzte Slipaktionen unter den genannten Voraussetzungen und in Abstimmung mit dem Hafenmeister gestattet. Ein gemeinschaftliches Abslippen kann 2020 nicht erfolgen. Da eine offizielle Saisoneröffnung mit Standerhissung genauso wenig durchführbar ist, hat der Vorstand am 26.04.2020, stellvertretend für alle Clubmitglieder, in einer unspektakulären Zeremonie, den Nordstern-Stander gehisst und damit die Saison 2020 eröffnet.

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Am 28.04.2020 ernennt der Vorstand einen Hygienebeauftragten, der zusätzliche Maßnahmen trifft, um die Mitgliedern mit Desinfektionsspendern, Einbahnverkehr und Anwesenheitslisten besonders zu schützen. Ab 29.04.2020 besteht bis auf weiteres Maskenpflicht auf dem Vereinsgelände, sofern die Abstandsregel nicht eingehalten werden kann. Ab 21.05.2020 beginnt mit der vorsichtigen Öffnung der Messe, unter Berücksichtigung von Abstandsgebot und Maskenpflicht, langsam wieder das Vereinsleben unter dem Clubstander.

Die Frage, woher kommen wir und wer sind wir, ließ sich bis hierher recht gut beantworten. Bleibt die Frage zu stellen – Wohin gehen wir? Dafür wäre zu klären, welche Entwicklungen im Club als kaum veränderbar hinzunehmen sind und welche Entwicklungen man beeinflussen kann. Sieht man sich den Hafen an, dann dominieren eindeutig Boote der Varianta-Klasse und hochseefähige Dickschiffe. Jollen und Jollenkreuzer sind nahezu aus dem Blickfeld verschwunden. Analysiert man die errungenen Meisterschaftstitel der letzten Jahre (vgl. Abschn. 9.1), dann sind sie gegenüber früheren Jahren deutlich zurückgegangen. Was die Altersstruktur angeht, sind 2020 nur 11% der Mitglieder unter 28 Jahre und 69% über 52 Jahre. Der wichtige Mittelbau zwischen 28 und 51 Jahren ist nur mit 20% vertreten und die Gesamtzahl der Mitglieder nimmt kontinuierlich ab.

Es wäre nicht realistisch in den nächsten Jahren wieder Titelgewinne bei Europäischen, Deutschen oder Berliner Meisterschaften zu erwarten. Ob die Schwerpunkte des Vereinslebens deshalb in der Nachwuchspflege, der Ausrichtung von Meisterschaften, vereinsinternen Wettfahrten und besonders im Fahrtensegeln bestehen werden, muss der Verein als Ganzes beantworten. Der Vorstand kann die Diskussion hierzu nur anregen und die Antworten als Leitlinien für sein Handeln benutzen.

9Seglerische Erfolge

9.1 Meisterschaften

Mitglieder des WSV Nordstern und des SCN konnten eine Vielzahl von Meisterschaften in unterschiedlichen Bootsklassen gewinnen. Im Deutschen Maßstab werden nur die Rangplätze 1 bis 3 ausgewiesen. Die sportlichen Erfolge können sich in Anbetracht der Vereinsgröße durchaus sehen lassen. Im Rahmen unseres Budgets unterstützen wir unsere Regattasegler, zahlen zu 100% die Startgelder und fördern unsere leistungsorientierten Talente im Jugend- und Juniorenbereich.220 In der Vereinsgeschichte gibt es eine stattliche Anzahl von Meisterschaftsgewinnern (Details vgl. Anlage 3):

  • 1 Weltmeister, 3. Platz in der Silbergruppe
  • 4 Europameister
  • 1 Vize-Europameister
  • 3 Europameister, 3. Platz
  • 1 Jugend-Europameister, 3. Platz
  • 13 Deutsche Meister
  • 17 Deutsche Vizemeister
  • 3 Deutsche Meister, 3. Platz
  • 1 Deutscher Juniorenmeister, 3. Platz
  • 3 Deutsche Jugend und Hochschulmeister
  • 1 Deutscher Jugendmeister U17, 3. Platz
  • 18 Berliner Meister
  • 1 Berliner-Vizemeister
  • 2 Berliner Meister, 3. Platz
  • 7 Berliner Jugend und Jüngstenmeister
  • 2 Berliner Jugend-Vizemeister
  • 2 Österr. Staatsmeister
  • 1 Österr. Staatsmeister, 2. Platz

9.2 Wettfahrten

Wettfahrten waren bei allen Vereinen und Dachverbänden von ausschlaggebender Bedeutung für die weitere Entwicklung des Segelsports. Man wünschte sich daher, dass das bisher Geleistete nicht nur weiter zu pflegen sei, sondern noch übertroffen wird.221 Andererseits gabe es im FSV heftige Auseinandersetzungen um den Sinn der sogenannten „Preissegelei“. Der Konflikt bestand darin, dass die Verleihung von Preisen in der gesamten Arbeitersportbewegung als bürgerliches Überbleibsel verpönt war.222 Die traditionellen Wertpreise (Biergläser, Kochtöpfe, Pfannen usw.) waren aber sehr beliebt unter den Sportlern.223 Man reagierte mit Unmut als schon 1923 beschlossen wurde, die Wertpreise durch Einheitsplaketten zu ersetzen. Um diesen mit Vehemenz ausgetragenen Streit zu umgehen, ging man zu, von Sponsoren gestifteten, Wanderpreisen über und versuchte das Ansehen des Fahrtensegelns zu stärken. „Im Oktober 1927 führte der FSV eine Urabstimmung über das Preissegeln durch. Mit 588:450 Stimmen sprachen sich die Arbeitersegler für die Beibehaltung der Preise aus.“224 „Die heftige Polemik, die gegen das Preissegeln über Jahre im Verband laut wurde, blieb andererseits nicht ohne Wirkung. Die Beteiligungen an den Regatten der Berliner FSV-Vereine gingen bis 1932 drastisch zurück.“225

In Abschn. 5.1 wurde schon darauf hingewiesen, dass der WSVN auf dem dritten Seglertag des FSV im Jahr 1927 in Berlin, einen Antrag zur Abschaffung der Preissegelei energisch abgelehnte. Der Verein trat für die Preissegelei ein und tat alles, um dabei auf den vorderen Plätzen zu landen. Für 1925 liegt die Wettfahrtbilanz des Kreises Berlin des FSV vor. Der WSVN belegt den vierten Platz hinter den Vereinen TSVg Tegel, SC Fraternitas und FTS Grünau. Der Verein konnte dabei auf 128 Meldungen, 35 Preise und zehn erste Preise zurückblicken.226

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In der praktischen Umsetzung der Wettfahrten im WSV wurde zwischen internen Vereinswettfahrten und gemeinsam mit anderen Vereinen organisierten Regatten unterschieden. Die Teilnahme an Clubwettfahrten war Pflicht. Niemand schloss sich freiwillig aus. Da, wo im Verein heute die Mastleiter steht, war der Startmast aufgestellt. Zunächst war es ein Mast mit verschiebbarem Korbball, der nach oben gezogen wurden. Mit jeder Minute wurde das Kennzeichen ein Stückchen höher gezogen und nach drei Minuten fiel es als Startsignal nach unten. Auf dem Foto sind die Markierungen für die Minuteneinteilung deutlich zu erkennen. Die Nutzung des roten Balls lässt sich mindestens bis 1967 nachweisen. Der Korbball wurde von einer roten Holztafel mit roter Nase abgelöst, die genauso am Mast hochgezogen wurde und als Startsignal herunterfiel.227

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Bei vielen Seglern war es üblich, das Boot vor der Wettfahrt „scharf zu machen“. Dazu wurde das Unterwasserschiff gründlich gereinigt. Vor Fahrt bzw. Wettfahrtbeginn musste das Boot aufgetakelt werden, wofür es den sogenannten Takelpfahl vor dem Hauptsteg des Vereins gab. Man sieht ihn in der Bildmitte, wo zwei Segler ihr Boot gerade klar machen. Im Hintergrund auf der anderen Havelseite befindet sich ein Pfahl zum vertäuen der Flöße.

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Eine der beliebtesten Bootsklassen war Mitte der 20er Jahre die 15qm-Rennjolle (M-Jolle), die hier bei einer Club-Wettfahrt zu sehen ist. Sie erlaubte ein ambitioniertes Segeln bei verhältnismäßig geringen Kosten und wurde fast ausschließlich im Selbstbau hergestellt. Aber auch klassenfreie Boote werden oft gebaut, wie hier Johannes Richter mit Vorschoter Bernhard Nölte auf der Ausgleicherjolle Thea III bei einer Regatta auf der Unterhavel.

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Ähnlich beliebt waren im Verein die 15qm-Wanderjollen (H-Jolle), die vom Deutschen Segler-Bund 1921 entworfen wurden und ebenfalls im Selbstbau zu fertigen waren. Hier zu sehen im Wettkampf mit einer M-Jolle bei einer Vereinswettfahrt. Nach langer, kriegsbedingter Pause wird am 07.08.1949 die erste Vereinswettfahrt nach dem Krieg gestartet, bei der alle Boote ohne Spinnaker gemeldet sind.228

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Die 15qm-Jollenkreuzer (P-Boot) sind zur dominierenden Bootsklasse im SCN geworden. Sie boten den Vorteil, sportliches Segeln mit Fahrtensegeln zu verbinden. Als Wanderboot war es ausgezeichnet für Binnengewässer geeignet. Die Konstruktion ohne festen Kiel, und damit fast ohne Tiefgang erlaubte es, auch direkt am Ufer anzulegen. Da man mit der Bootsklasse längere Reisen auch in Familie unternehmen konnte, war sie bald sehr geschätzt. Hier sind im Oktober 1963 die P-Boote bei einer SCN-Wettfahrt zu sehen.

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Im Bestreben die Boote größer und schneller zu machen, wurde der 20qm-Jollenkreuzer entwickelt. 1923 wurden die ersten Bauvorschriften vom Deutschen Segler- Bund herausgegeben. Das Klassenzeichen „R“ wurde 1934 verbindlich. Ursprünglich sollte der 20er Jollenkreuzer ein Wander- und Wochenendboot für mehrere Personen sein. Es wird heute ebenso als anspruchsvolles Regattaboot betrieben. Hier findet vom 16. bis 21.08.1965 der Start zur Deutschen Meisterschaft der 20qm-Jollenkreuzer statt. P- und R-Boote traten im Wettkampf auch gegeneinander an. Hier ist eine SCN- Clubwettfahrt vom Oktober 1963 zu sehen, bei der R 155 von Robert Winkelmann und P 368 von Kurt Bugge um den Sieg kämpfen.

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Im Juli 1964 stand auch für den SCN die Regatta „60 Seemeilen von Berlin“, ausgetragen vom Potsdamer Yacht Club, auf dem Plan. Die Regatta zählt zu den ungewöhnlichsten Wettfahrten der Stadt. Gesegelt wird auch in der Dunkelheit. Für die Regatta gibt es eine lange Tradition, die bis auf des Jahr 1949 zurückreicht und schon vorher, unter anderem Vorzeichen, seit 1920 ausgetragen wurde.229

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Als Revier wird der Wannsee und die Unterhavel zwischen Sacrower Lanke und Schildhorn genutzt. Die Bewertung erfolgt nach den jeweils neuesten Yardstickzahlen. Werner Kunze/Wolfgang Liebing siegen 1964 mit R 841 bei den „60 Seemeilen“ über alles. Gleichzeitig mit dem Sieg feiert Werner Kunze am 26.07. seinen 40. Geburtstag. Später wurden die „60 Seemeilen von Berlin“ regelmäßig am 17. Juni, dem „Tag der deutschen Einheit“, ausgetragen.

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Auch heute gehört der 20qm-Jollenkreuzer zu den anspruchsvollsten Regattabooten. Hier setzt Rainer Winkelmann die Familientradition mit „Scirocco“ R 1290 fort.

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Die beliebtesten Regattaboot im SCN kommen heute aus der Varianta-Klasse. Bei der Sommerwettfahrt für Varianta, bei Vereinswettfahrten und in den Ranglisten-Regatten dieser Bootsklasse sind die meisten Mitglieder engagiert. An mindestens 9 Ranglisten-Wettfahrten pro Jahr hat man teilzunehmen, um in der Rangliste gelistet zu sein und um aufgrund dessen an den Deutschen bzw. Internationalen Varianta-Meisterschaften (IDM) teilnehmen zu können. Insofern beteiligte sich der Verein mehrmals federführend an der Ausrichtung von Deutschen Meisterschaften.

Ausrichtung von Meisterschaften

Jahr Meisterschaft Klasse Titel Crew
1985 IDM 20qm-Jollenkreuzer Deutscher Meister Wolf-Dieter Kunze/Michael Dzembritzki/Bernhard Gutsche
1991 IDM Varianta Deutscher Meister Klaus Krüger/Jürgen Mischke
2002 IDM Varianta 5. Platz Klaus Großpietsch/Manfred Richter
2010 Junioren Europameisterschaft Pirat
2013 IDM Varianta 6. Platz Simon Schimmel/Niklas Schimmel
2019 IDM Varianta 3. Platz (Abbruch nach 2 Wettfahrten) Karsten Krüger/Andreas Steffenhagen

Auch als professioneller Ausrichter eigener Regatten leistet der Verein seinen Beitrag zum Berliner Wettfahrtkalender. Mindestens sieben Wettfahrten werden jährlich organisiert, wodurch der SCN das Ansehen Berlins als Segelrevier fördert. Davon sind drei Regatten beim BSV angemeldeten Ranglistenregatten (Sea-Cup-North, Opti B-Wettfahrt sowie Sommerregatta der Varianten). Zusätzlich zu den drei Ranglistenregatten wurde 2016 erstmalig die Berliner Meisterschaft der Nordischen Folkeboote vom SCN organisiert und ausgerichtet. Daneben werden jährlich vier Clubwettfahrten durchgeführt und erfolgreich abgeschlossen. Die jeweiligen Zeitpunkte der sieben Wettfahrten können von Jahr zu Jahr etwas variieren.

Ausrichtung von regelmäßigen Regatten pro Jahr

Mai 1. Clubwettfahrt (Koffercup)
Mai 2. Clubwettfahrt (Maibockregatta)
Juni Sea-Cup-North (Pirat, 420er)
Juni 3. Clubwettfahrt
August 4. Clubwettfahrt (Aalemann-Cup)
August Sommerwettfahrt Varianta
September Opti-B-Wettfahrt

Die regelmäßigen Ranglistenregatten werden oft mit etwas größeren Abendveranstaltungen abgeschlossen, bei der die Beteiligten bei Musik und gutem Essen und Trinken den Tag ausklingen lassen.

wahre weiber

Seit 20 Jahren betreibt der Segel-Club Fritjhofs-Haveleck (SCF-H) die Förderung von Seglerinnen. Wer sich damals auf den Berliner Gewässern umsah, konnte schnell feststellen, dass meist der Mann das Ruder in der Hand hielt und nur selten die Frau. „Kann ja nicht sein!“ dachten sich damals die Frauen des SCF-H. Sie riefen die „Wahre Weiber Wettfahrt“ ins Leben. Eine Regatta, an der nur Frauen teilnehmen dürfen. Mit der „Wahre Weiber Wettfahrt“ sollen Frauen dazu ermutigt werden, selbst Boote bei einer Wettfahrt zu führen. Denn die Seglerinnen stehen in Sachen Sportlichkeit und Seemannschaft den Männern in nichts nach. Ganz wesentlich sind für die Frauenregatta seit all den Jahren vor allem Sport und Spaß. Die „Wahre Weiber Wettfahrt“ ist ein starkes Zeichen für gelebte Gleichberechtigung auf dem Wasser.230 Die Frauen des SCN nehmen regelmäßig, mit bis zu drei Mannschaften, an der „Wahren Weiber Wettfahrt“ des SCF-H erfolgreich teil. Nebenstehend Marlies Schimmel und Christel Nerlich hart am Wind auf dem 20qm-Jollenkreuzer „mavi magara“.

Havelschlauch

Verein 1

Bei den Regatten wurde früher meistens der Havelschlauch-Kurs231 gefahren, der entweder direkt oder mit einem Umweg über eine kleine Boje vor dem Segel-Club Spandau festgelegt war. Es konnte sich um einen Rechts- oder einen Linkskurs handeln.232 Außerdem gab es noch Schellers Segelkreis. Der Start war am Steg beim Segel-Klub Nixe, dann um die Insel Hasselwerder herum nach Reiherwerder und über Strandbad Tegeler See in Richtung Insel Reiswerder und zurück zum Steg vom Segel-Club Nixe. Eine Wettfahrt, die etwa zwei Stunden dauerte.233 Über die Jahre haben sich die Kurse der Wettfahrten auf der Oberhavel stark verändert (Kartenmaterial Lizenz):

  • Havelschlauch-Kurs, ca. 8,3 km (Clubwettfahrten bis 1961, Mauerbau, Start/Ziel SCS)234
  • Schellers Segelkreis, ca. 4,9 km (Bezirksregatta bis ca. 1967, Start/Ziel SKN)
  • Eiswerder-Kurs, ca. 5,3 km (Clubwettfahrten bis 1995, Baubeginn Spandauer See-Brücke, Start/Ziel SCN)
  • Scharfenberg-Kurs, ca. 3,8 km (Clubwettfahrten ab 1995, Start/Ziel SCN)

Tegel

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Nur bei gutem Wind wird der Scharfenberg Kurs 2x gesegelt, ansonsten sind die Kurse in einer Runde zu absolvieren. Schellers Segelkreis wurde nach Erich Scheller vom JSC benannt, der Wettsegelobmann vom Bezirk Tegel war. Die Jahreszahlen sind nur grobe Anhaltspunkte; die Kurse wurden in einzelnen Jahren teilweise auch parallel gesegelt. Mauerbau und Bau der Spandauer See-Brücke begrenzen allerdings eindeutig den Havelschlauch- und Eiswerder-Kurs. Sowohl die Länge der Kurse als auch der Vorbereitungsaufwand (Anzahl und Lage der Tonnen) haben im Lauf der Zeit abgenommen.

Über die Jahre gibt es eine Vielzahl an Erfolgen und größeren sowie kleineren Titelgewinnen bei den unterschiedlichsten Wettfahrten. Sie alle systematisch zu sammeln und aufzulisten bedürfte einer gesonderten Betrachtung (Exemplarische Beispiele vgl. Anlage 4).

9.3 „Goldenes Mokkaservice“-Wanderpreis

Goldenes Mokkaservice 1966 1968

Beim Wanderpreis des „Goldenen Mokkaservices“ handelt es sich sinngemäß um ein Pendant des Falkensteiner Wanderpreises, der 1929 vom WSV Nordstern endgültig errungen wurde. Bei den Regatten zum „Falkensteiner“ musste man gegen die Elite der Berliner Segler auf dem Müggelsee antreten. Das „Mokkaservice“ wurde auf dem Steinhuder Meer ausgesegelt, wo sich die besten 15qm-Jollensegler Deutschlands trafen. Übereinstimmend musste bei beiden Preisen dreimal in aufeinanderfolgenden Jahren um den Sieg gekämpft werden, wobei der dreimalige Sieger den Preis endgültig zugesprochen kam. Unterschiedlich war, dass der Falkensteiner Wanderpreis in einem Mannschaftswettkampf mit unterschiedlichen Bootsklassen ausgesegelt wurde und demgegenüber beim „Goldenen Mokkaservice“ Einzelkämpfer antraten und die Boote aus einer Bootsklasse kamen. Heinz Krüger/Klaus Krüger waren 1966 das erste Mal siegreich bei der Regatta um den Wanderpreis Goldenes Mokkaservice. Beide errangen dann 1968 den dritten Sieg in Folge und konnten das Goldene Mokkaservice endgültig gewinnen. Um den Wanderpreis wurde mit 15qm-Jollenkreuzern gerungen. Heinz Krüger/Klaus Krüger segelten auf P 280 „Mistral“. Die dritte und letzte Regatta war die schwerste, da die Crew Heinz und Klaus Krüger nach der 2. Wettfahrt nur auf Platz 3 lag. Erst als im 3. Rennen die beiden Erstplazierten wegen Mastbruch und Kenterung aufgeben mussten, war ihnen der Sieg nicht mehr zu nehmen.

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Heinz Krüger war einer der begabtesten Segler im Nordstern. Sein Sohn, Klaus Krüger, lernte in den 60er Jahren bei ihm die Kunst des Segelns. Bis auf wenige Ausnahmen segelte Heinz Krüger mit seinem Sohn als Vorschoter. Nur in den Jahren 1973 – 1975 war Klaus Großpietsch sein Vorschotmann auf P 280 und lernte bei ihm ebenfalls die Hohe Schule der Segelkunst.235 Seine Laufbahn als Segler begann Heinz Krüger im Wandersegelverein 1921 (heute WSV 21). Danach, etwa im Jahr 1954, ging Heinz Krüger zum Segel-Club Einheit (SCE), der die Kaderschmiede der Ostberliner Segler war und Weltmeister und Olympiasieger hervorbrachte. 1959 flüchtete er mit seiner Familie aus dem Ostteil Berlins nach Westberlin, wo er zunächst in Neukölln lebte. In Ostberlin musste er als Inhaber einer Firma für spanlose Verformung 30 Angestellten und den gesamten Betrieb zurücklassen. Die Aufgabe seiner Firma konnte er nie völlig verwinden. In Westberlin kam er über verschiedene Stationen zum SCN. Sein Leben für den Segelsport führte ihn als Mitglied durch 6 Segelvereine (nach heutiger Lesart WSV 21, YCBG, VBS, SVUH, PSB und SCN). Seine bisherigen Erfolge brachte er in den SCN ein, der ihm eine neue und endgültige Heimstatt gab. So wie der „Falkensteiner“ bis 1945 in einer 8-eckigen Vitrine in der alten Sommerkantine aufbewahrt wurde, so wird das „Goldene Mokkaservice“ über lange Jahre in einer Vitrine des Clubs ausgestellt.

9.4 Fahrtensegeln

Das Fahrtensegeln führt zurück zu den Wurzeln des Segelsports, deren Vernachlässigung schon vor 90 Jahren vom FSV, aber auch vom früheren Club-Vorsitzenden, Werner Kunze, gerügt wurde. „Aus den früheren Jahren des Bestehens des Berliner Wettsegel-Verbandes, als sich dessen Vereine noch auf die östlichen Berliner Gewässer beschränkte, sind schon Wanderfahrten bekannt. Wenn auch noch in beschränktem Maße an Zeit und Ziel, da ja nur derjenige Sportgenosse, der im Beamten- oder Angestelltenverhältnis stand, in der Lage war, eine Fahrt für mehrere Tage zu unternehmen … Im Jahre 1922 wurden von drei Fahrzeugen die Ruppiner Gewässer aufgesucht … Als dann durch Berichte die Schönheit der Ruppiner Gewässer und der Ruppiner Schweiz bekannt wurden, hat es viele Wandersegler dort hingezogen, zumal dann später auch die Industriearbeiter ihren bescheidenen Urlaub bekamen … Auf zu froher Wanderfahrt!“236

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Das Fahrtensegeln im Club begann mit Sonn- und Feiertagsausflügen. Es mussten nicht immer längere Bootsfahrten sein, um die Gemeinschaft zu pflegen. Hier verleben Mitglieder des WSVN in kleinerer Runde auf der Insel Baumwerder einen schönen Tag, nicht weit entfernt vom Heimathafen in Wilhelmsruh. Man hat alles dabei, um es sich gut gehen zu lassen. Auf dem Campingtisch steht die Kaffeekanne, im Vordergrund ist eine bauchige Korb-Weinflasche zu erkennen und Würstchen werden hochgehalten, die mit dem Petroleumkocher schnell zubereitet sind. In der Bildmitte schneidet ein Kamerad das Brot und die Bierflaschen sind überall verteilt. Am rechten Bildrand steht ein Plattenspieler und wartet darauf, dass eine beliebte Platte aufgelegt wird. „Ich hab’ mein Herz in Heidelberg verloren“ war 1925 der große Hit.

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Auch die Bürgerablage war ein beliebter Ort, um sonntags einen Ausflug zu machen. Die Kinder und die Großeltern waren immer dabei. An verschiedenen Bootsmasten sind die Flaggen des Freien Segler-Verbandes zu erkennen (roter Ball auf weißem Untergrund). Die Sonntage waren besonders geeignet, um gemeinsam in der Natur zu sein. Noch besser war es, wenn der 1. Mai auf einen Sonntag fiel. Dann konnte man den Feiertag der Arbeit begehen, ohne dass er als offizieller Feiertag anerkannt war. Das war in den 20er Jahren 1921 und 1927 der Fall. Aus heutiger Sicht ist bemerkenswert, dass ein Ausflug zur Bürgerablage von der gesamten Nordstern-Mannschaft mitgetragen wurde. Es gab zwar auch die Grüppchenbildung befreundeter Familien, aber wenn ein Clubausflug angesagt war, dann ging es gemeinsam, mit Kind und Kegel zur Bürgerablage. Mehrere Fotos zeigen größere Personengruppen beim Vereinsausflug.

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Zu Pfingsten konnte man sich im Rahmen des eigenen Vereins auf eine etwas weitere Fahrt begeben. Hier sind die Mitglieder des WSV im Jahr 1926 am Krampnitzsee zu Besuch. Von der Oberhavel bis zum Krampnitzsee kam man sehr bequem an einem halben Tag. Mit Sicherheit gehörten Spaß und Spiel zu den Pfingsttreffen, wie hier beim Tauziehen. Die Boote sind halb an Land gezogen, ein Schiedsrichter ermittelt die Gewinnermannschaft aus luftiger Höhe – Frauen gegen Männer, ein ungleicher Kampf. Obwohl es für Frauen zu jener Zeit unmöglich war, Vereinsmitglied zu werden, scheint man doch auf Augenhöhe miteinander umzugehen.

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Schon etwas weiter war die Schildhornbucht am Grunewald. Hier trifft man sich, um zum Urlaub an den Krampnitzsee bei Potsdam zu fahren. Es sind Frau Städing und Erich Hintze, Walter Biesler und Bernhard Nölte. An der Backbord-Wante beim Boot von Walter Biesler ist der unverzichtbare Stander des Freien Segel-Verbandes angebracht. Es ist ein keine große Fahrt in den Urlaub, denn bis zur Krampnitz ist es nicht sehr weit. Die Urlaubszeit ist überliefert – man war vom 08.07. bis zum 14.07.1929 unterwegs, also nur für eine kurze Woche. Auf einem Gruppenbild mit der gesamten Krampnitz-Truppe sind ca. 25 Teilnehmer zu sehen. Also ein großer Gemeinschaftsurlaub! Es dürften also mindestens 8-10 Boote beteiligt gewesen sein. Ein anderes beliebtes Urlaubsziel für den Club war der Templiner See bei Potsdam und der Teupitzer See an den Dahme-Gewässern.

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Die Urlaubsfahrten über die Dahme bis nach Teupitz erforderten deutlich längere Ferienzeiten. Eine Fahrt nach Egsdorf-Mittelmühle am Teupitzer See ist überliefert, die vom 21.07. bis zum 05.08.1928 dauerte. Auf den Fotos sind mindestens 4 Boote zu erkennen, die gemeinsam unterwegs waren. Beteiligt waren u. a. Walter Biesler und Erich („Ronchi“) Schwengber mit Frau sowie Bernhard Nölte, der nicht fehlen durfte. In Egsdorf-Mittelmühle angekommen, schlief man üblicherweise auf den Booten. Jeder hatte sein Kaffeegeschirr nebst Kuchen, kleinen Tischen mit Deckchen und Sofakissen dabei. Man baute quasi die eigene Wohnzimmer-Atmosphäre nach. Kaum nachzuvollziehen, wie das Equipment auf den Booten verstaut werden konnte, da man nur mit 15qm-Renn- und Wanderjollen unterwegs war.

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An den Booten sind keine Außenbordmotoren zu erkennen. Vermutlich ließ man sich durch eines der vereinseigenen Motorboote schleppen. Der erste Fotonachweis eines Außenborders stammt aus dem Jahr 1932 am Boot des ersten Vorsitzenden, Erich Förstel. Vor der Rückkehr nach Berlin machte man sich wieder stadtfein und ließ sich seinen Urlaubsbart abrasieren.

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Spätestens zu Pfingsten 1938 ist eine Fahrt über den Ruppiner Kanal bis nach Neuruppin überliefert. Zu der Zeit sind alle Boote mit einem Außenbordmotor ausgestattet. Kleinere Boote ohne Außenborder existieren ebenfalls und lassen sich von größeren Booten schleppen. Man übernachtet an einem Liegeplatz an der 1864 errichteten und 1925 umgebauten städtischen Gasanstalt. Heute befindet sich dort die Fontane Therme (An der Seepromenade 21, 16816 Neuruppin), in die das Portal der alten Gasanstalt integriert wurde.237 Schon damals gab es Wartezeiten an den Schleusen. Hier sitzen die Nordsterner an der Schleuse Hohenbruch und warten auf das Signal des Schleusenwärters zur Einfahrt in die Anlage.

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Auch nach dem Neuanfang 1948 waren die Fahrtensegler wieder erfolgreich und steigerten sich über die Jahre so sehr, dass sie 1993 den Vereinswanderpreis des Bezirks zum dritten Mal und damit endgültig gewinnen konnten.238 Dann wurden die Ansprüche größer und richteten sich auf den Hochseebereich. Besonders erfolgreich war dabei 2002 die Atlantiküberquerung durch Peter Germelmann und Klaus Großpietsch. Sie starteten von Malaga auf einer Moody 46 (ein 14,02 m Schiff), um von Gomera über den Atlantik bis nach Barbados zu segeln. Diese Strecke bewältigten sie bei gemäßigten Winden, meist raumschots oder achterlich, bei immer warmem Wetter, in insgesamt 18 Tagen.

Seit mindestens 10 Jahren segeln die Mitglieder im Dickschiffbereich erfolgreich auf Nord‐ und Ostsee-Revieren und sind bei den Mannschaftswettbewerben der Fahrtensegler auf ersten Plätzen zu finden. Dabei handelt es sich zumeist um 3 bis 6 Crews, die unterwegs sind. Schlaglichter der letzten Jahre:

2013 5 Crews sind auf Nord‐ und Ostsee und z. T. auch im Binnenbereich unterwegs. Die befahrenen Seegebiete erstrecken sich vom Ijsselmeer bis nach Bornholm, rund um Rügen, von Stettin über Swinemünde nach Bornholm und Seeland oder von Holland über das Ijsselmeer zur Nordsee und über Brunsbüttel, Kiel und Stettin zurück in den SCN.
2016 6 Crews sind auf der Ostsee unterwegs. Die befahrenen Seegebiete erstreckten sich von Rügen bis zur polnischen Küste nach Danzig und von Kopenhagen entlang der deutschen Ostseeküste bis nach Damp. Die Fahrtensegler haben insgesamt 3120 NM zurückgelegt, davon 1711 NM unter Segeln. Beim Fahrtensegelwettbewerb des Bezirks Tegel wird Platz 2 in der Vereinswertung belegt.
2017 Die befahrenen Seegebiete erstrecken sich von Rügen, über Bornholm bis zur ostschwedischen Küste nach Gislövs Läge und Karskrona und zu den Blekinge Schären, sowie nach Ystad und Freest. Es werden insgesamt 2971 NM zurückgelegt, davon 1346 NM unter Segeln.
2018 5 Crews waren auf der Ostsee unterwegs. Die weiteste Reise ging bis zum Skagerrak. Insgesamt wurden 3471 NM zurückgelegt, davon 1476 NM unter Segeln.

Am Beginn der Clubentwicklung standen Wochenend- und Urlaubs-Wanderfahrten, die grundsätzlich in der Gemeinschaft absolviert wurden. Ein Schwerpunkt der weiteren Clubentwicklung dürfte im Ausbau des Fahrten- und Wandersegelns bestehen, welches lange Zeit durch die Dominanz des Regattasegelns zurückgedrängt wurde. Neun Boote mit 28 Teilnehmern waren vom 25.05. bis 01.06.2019 auf einer Geschwaderfahrt nach Masuren unterwegs.239 Die Reise greift alte Nordstern-Traditionen wieder auf und erneuert den guten Brauch.

10Frauen, Jugendliche und Kinder

10.1 Frauen im Nordstern

Der SCN war seit Anbeginn ein Mikrokosmos, der wie in einem Brennglas die gesellschaftlichen Themen und Widersprüche der jeweiligen Zeit abbildete und sie teilweise ausgleichend und teilweise verschärfend wiedergab. Die Frauenrechte zur Zeit der Weimarer Republik waren bei weitem noch nicht hergestellt, so dass in Deutschland die Frauenbewegung eng mit der Arbeiterbewegung verknüpft war, die ebenfalls um ihre Rechte stritt. Die wichtigsten Ziele der ersten Frauenbewegung betrafen die Erlangung der grundlegenden Bürgerrechte (Wahlrecht, Recht auf Bildung, Recht auf Privateigentum und Erwerbsarbeit).

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Obwohl der WSV Nordstern ein Arbeiterverein war, dominierten die Vorstellungen der Männerwelt die Verhältnisse des Vereins. So beschreiben die sprichwörtlichen „drei K“ auch die soziale Rolle der WSVN-Frau, die sich nach konservativen Wertvorstellungen zu richten hatte: Sie sollte sich um die Erziehung des Nachwuchses, die Hausarbeit und die Vermittlung und Einhaltung moralischer Prinzipien kümmern. Die in einer Reihe stehenden Vereins-Frauen, die mit neckischem Hütchen in die Kamera schauen, bestätigen gerade dieses Frauenbild.

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Allerdings gibt es eine andere Aufnahme aus der ersten Zeit des Vereins, die das Bild etwas korrigiert. Hier sind starke Frauen unter dem Nordstern-Mast zu sehen, die sich selbstbestimmt, tatkräftig und gut gelaunt porträtieren lassen. Das waren die Frauen, die an den Kochkisten standen und den gesamten Verein verpflegten – sie waren es, die nach dem Krieg die gebrauchten Steine für das neue Clubheim vom Putz befreiten. Sie waren präsent und allgegenwärtig und dürften – trotz Nicht-Mitgliedschaft – durchaus Einfluss auf die Geschicke des Vereins gehabt haben.

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Schaut man sich wiederum die Gegenwelt der WSVN-Männer an, so wird deutlich, dass es die Frauen trotz ihrer starken Position nicht leicht gehabt haben werden, sich durchzusetzen. Sie werden von Fall zu Fall ihre Möglichkeiten genutzt und ihre Stellung behauptet haben, wenn sie sich an die vorgegeben Regeln hielten.

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Das gesellschaftliche und das Vereins-Regelwerk waren grundsätzlich auf Seiten der WSVN-Männer. Das schließt keinesfalls aus, dass Liebe und tiefe persönliche Zuneigung nicht auch zum Alltag gehört hätten. Ja, in den meisten Fällen wird sie die Basis des Zusammenlebens im Verein gewesen sein. Niemand der Beteiligten wird in den Kategorien von Macht und Herrschaft gedacht haben. Es gibt viele Aufnahmen, auf denen liebevolle und glückliche Paare zu sehen sind.

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Einzelne Fotoaufnahmen sind aus der Untersicht gemacht, so dass die Männer ihren schönen Frauen fast zu Füßen gelegen haben müssen, um diese Aufnahmen zu machen. Sie haben sie ganz sicher geachtet und verehrt, ihnen aber nicht die gleichen Rechte eingeräumt, die sie selber in Anspruch nahmen.

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Es blieben zwei Welten, die relativ abgeschirmt voreinander existieren. Die Männer machen ihre feucht-fröhlichen Bußtags-Fahrten und die Frauen ihren Damenausflug mit Kaffeekränzchen, die Männer haben an den Booten zu tun und die Frauen sitzen strickend im Liegestuhl und betreuen die Kinder. Bis weit in die 50er Jahre hinein war der SCN ein reiner Männerverein. Frauen und Mädchen konnten keine Mitglieder werden, das ergab sich erst später.240

Der Ausschluss von Frauen war zu jener Zeit allerdings kein grundsätzliches Thema. Schon 1929 befanden sich unter den 2683 Mitgliedern des Freien Segler-Verbandes immerhin 40 Frauen (= 1,4 %). „Damit lag der Anteil der weiblichen (passiven) Mitglieder im FSV deutlich unter dem Durchschnitt anderer Arbeitersportorganisationen. Bei den Naturfreunden lag der Frauenanteil im Jahre 1929 beispielsweise bei 34,2%, im Arbeiter-Rad- und Kraftfahrer Bund ‘Solidarität’ bei 14,1 % und im Arbeiter-Turn- und Sportbund (ATSB) bei 17,1 %.“241 „Der WSV Nordstern dagegen lehnte noch im Dezember 1928 die Bildung einer Frauenabteilung mit deutlicher Mehrheit ab.“242 Auch im Jahr 1929 befanden sich im WSV Nordstern keine Frauen unter den Mitgliedern.243 Wie kann es sein, dass ein Arbeiterverein so weit von den eigenen Idealen einer gerechten und solidarischen Welt abweichen kann? Ein schlüssiger Erklärungsansatz ist sicher in den Traditionen der Schifffahrtsberufe zu finden, aus denen sich der Segelsport entwickelte. Schiffsmannschaften waren hierarchisch strukturierte Einheiten, die nach Befehl und Gehorsam funktionierten. Daraus entwickelten sich Verhaltensbesonderheiten, die auch in den Arbeitervereinen in den Sportbereich übernommen wurden und sogar im familiären Umfeld weiter fortwirkten. „In diesen Kreisen herrschte auch in der Weimarer Zeit oftmals die Meinung vor, Frauen brächten nur Unruhe und Streitigkeiten in die Vereine.“244 In der Verbandszeitschrift des FSV lassen sich 1931 die gesammelten Vorurteile gegenüber einer Mitgliedschaften von Frauen in den Vereinen nachlesen:245

  • „Männer werden aus den Vereinen getrieben,
  • Frauen würden den Verein mit evtl. Majoritäten in Grund und Boden wirtschaften,
  • Gefahr von Eifersuchtsdramen in dem Verein,
  • der Rauheit des Segelsports können nur Männer erfolgreich begegnen,
  • Frauen sind für den obligatorischen Arbeitsdienst in den Vereinen körperlich ungeeignet.“

So antiquiert diese Ansichten heute erscheinen, so entsprachen sie doch dem gängigen Frauenbild in den FSV-Vereinen der damaligen Zeit. Diese Sichtweisen werden noch lange beibehalten und ändern sich im SCN erst langsam Mitte der 50er Jahre.

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Ruth Balzer errang als aktive Seglerin 1949 ihren ersten Preis mit einer 10qm-Wanderjolle Z 149, noch ohne Vereinsmitglied zu sein. Jahre später wurde sie das erste weibliche Mitglied des Vereins.246 Nur kurze Zeit danach kam ihre jüngere Schwester Vera Jäger (geb. Winkelmann), welche aus der Jugendabteilung übernommen wird, am 06.03.1955 als zweites weibliches Mitglied hinzu. Sie ist zwar lt. Protokoll das erste weibliche Mitglied, hatte aber tatsächlich ihre ältere Schwester, Ruth Balzer, als Vorgängerin.247

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Wie sahen die jungen Frauen dieser Zeit ihre Stellung im Verein? Wollten sie es ihren Müttern gleichtun und sich mit dem Schwatz beim Kaffeekränzchen begnügen? Waren sie zufrieden mit sich und der Welt und akzeptierten sie die dominante Rolle der Männer und Väter? Lässt man eine, die es wissen muss, zu Wort kommen, dann hört man deutlich die kritischen Töne heraus. Es handelt sich um Karin Rüttimann, Tochter von Gerda Scholle, die sich in ihrem autobiografischen Roman folgendermaßen erinnert:

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„Männliche Segler träumten von stürmischen Windsbräuten, wohlgeformten Bootsrümpfen und prallen Segeln. Fürs Gemüt gab’s an der Theke Bier und Korn … Immer noch die Kaffeekränzchen auf der Clubhausterrasse … Dicht am Vereinszaun … reihen sich auch jetzt noch an Wettfahrtwochenenden die Liegestühle der Regattawitwen. Groschenromane machen die Runde wie eh und je. Immer noch wird gehäkelt und gestrickt. Und wenn die ersten Boote mit den gestressten Männermannschaften zurückkommen, stehen die Frauen auf den Stegen mit neugierigen Gesichtern … und putzen nachher die Kähne.“248

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„Väter lachten fast nie mit Kindern. Das sparten sie auf für die Bier- und Kornrunden an der Theke. Väter beugten sich nicht zu Kindern hinunter oder gingen in die Hocke, sondern reckten sich nur noch mehr in die Länge… Väter mussten immer pünktlich essen und was Richtiges in den Magen kriegen … Väter mussten nach dem Essen segeln oder ruhen. Väter liebten gehorsame, gewaschene Mädchen und laute, wilde Jungs. Väter wollten Söhne – und in Ermangelung solcher dann eben Töchter – mit erstklassigem Seglerehrgeiz … Und die Mütter. Verschlossen. Müde. Mit geschickten Händen putzten sie die Kähne, fegten den Wochenendsand vom Lack, schwenkten die Pinkeleimer im Wasser, trugen das Mittagsgeschirr nach oben zum Wasserhahn. Derweil die Väter unter Leidensgenossen im Clubhaus an der Theke ihren Wochenendfrust aus der Kehle brennen mussten … Väter mochten auch keine Tränen. Wollten nicht weich werden … Väter redeten von Disziplin und Arbeitswillen … Wer befehlen wolle, müsse auch gehorchen lernen. Und schimpften an der Theke über ihre Arbeit und ihre Vorgesetzten und verrichteten … ihre flüssige Notdurft unter den Bäumen vor dem Clubhausaufgang, was … dem Rasen ein gelbfleckiges Brandmuster verlieh.“249

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Karin Rüttimanns Autobiographie ist bei weitem nicht durchgängig von Bitterkeit durchzogen. Sie beschreibt viele glückliche Stunden, die sie im Verein verlebt hat (vgl. Anlage 5). Was die Stellung der Frau angeht, wird sie allerdings richtig beobachtet haben. Heute segeln die Nordstern-Frauen gleichberechtigt mit und neben ihren männlichen Kameraden. Die Meistertitel, die z.B. Marion Kunze, Ines Herbold, Cordula Kaplick, Andrea Rappold und viele andere errungen haben, sind ein beredtes Zeugnis dafür. Und niemand unter den heutigen Nordstern-Frauen würde sich bei Auseinandersetzungen mit der Vereins-Männerwelt die Butter vom Brot nehmen lassen. Begrüßenswert wäre es allerdings, wenn sich der Frauenanteil unter den Mitgliedern, auch im Vorstand etwas besser widerspiegeln würde.

10.2 Alltagsgeschichten von Frauen

Obwohl viele Dokumente, Fotos oder andere Quellen benannt wurden, gehört zur Alltagsgeschichte der Nordsterner mehr als dies. Alltagsgeschichte setzt sich u. a. auch aus Alltags-Geschichten zusammen. Es geht neben Daten und Fakten zusätzlich um persönliches Erleben, die individuelle Empathie mit Dingen und Erscheinungen und die Bewertung von Situationen aus persönlicher Sicht. Um diese Atmosphäre einzufangen, sind drei Lebensberichte langjähriger Nordsternerinnen im Anhang wiedergegeben. Es dürfte kein Zufall sein, dass es ausschließlich Frauen sind, die ihr persönliches Erleben berichten. Wes das Herz voll ist, des geht der Mund über, heisst es in Mt 12,34. Männer entlasten ihre Herzen am Stammtisch, Frauen tun dies oft schreibend. Frauen haben den Verein in vielerlei Hinsicht getragen und waren doch lange Zeit unterprivilegiert. Wer unterprivilegiert ist, der empfindet sensibler und achtet stärker auf soziale Zwischentöne. Deshalb sollten ihre Alltagsgeschichten aufmerksam gelesen werden (vgl. Anlage 5).

10.3 Jugendabteilung

Eines der Ziele des neugegründeten WSV Nordstern war explizit die „Förderung der Jugendpflege“. Der Begriff der „Jugendpflege“ war vom damaligen Dachverband, dem Freien Segler-Verband, geprägt worden, weil man erkannte, dass sich ein späteres Fortbestehen und Wachstum der Segelvereine nur aus der Jugendarbeit heraus entfalten könne. Die Jugendpflege war eng mit der „Jugendwerbung“ verbunden, für die man weder Kosten noch Mühen scheute.250 Die Vereine bildeten schon damals Jugendabteilungen mit Leitern und Betreuern, die die damals verbreiteten Jugendwettfahrten organisierten. Schon 1930 befanden sich 14 Mitglieder bis 18 Jahre und 3 Mitglieder bis 21 Jahre im Verein. Das war recht typisch für diese Zeit, da sich unter den 2683 Gesamt-Mitgliedern des Freien Segler-Verbandes immerhin 250 Mitglieder bis zum Alter von 18 Jahren und 72 Mitglieder bis zum Alter von 21 Jahren befanden (zusammen = 12%).

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Denen musste auch außerhalb des Segelsports etwas geboten werden, um sie langfristig an den Verein zu binden. Überliefert ist z. B. das Absegeln 1927, als man mit der Jugendabteilung des Vereins nach Konradshöhe unterwegs war. Dort gab es das Restaurant „Feen-Grotte“, welches eines der bekanntesten Tanz- und Varietélokale Berlins war. Der Name war der Ausstattung des Restaurants nachempfunden, da der Innenraum einer Tropfsteinhöhle glich. Es lag an der heute noch existierenden Straße Steinadlerpfad 15, 13505 Berlin und wurde erst 1979 abgerissen. Tanzveranstaltungen und Varietéaufführungen werden der Jugendabteilung besser gefallen haben als Kaffeetrinken und Kneipentour.

„Anlässlich des 30jährigen Jubiläums des FSV wurden auswärtige Jugendliche nach Berlin eingeladen, um an den Jubiläumsfahrten teilnehmen zu können. Die Jugendlichen wurden im Juli 1931 eine Woche lang in Vereinen untergebracht (SC Fraternitas, SV Rahnsdorf, WSV Nordstern, u. a.). Die Jugendlichen besuchten die FSV-Zentrale, die Innenstadt von Berlin (mit Führungen im Reichstag, Schloss und Landtagsgebäude) sowie einzelne Museen. Zusätzlich erkundeten sie verschiedene Segelreviere im Westen und Osten Berlins und statteten dabei verschiedenen FSV-Vereinen Besuche ab.“251

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Auf dem Boot und in der Freizeit kleidete man sich nach dem letzten Schrei. Weiße Hosen und weiße Schuhe waren beim Segeln angesagt und auch die unverzichtbare Schiffermütze mit dem Vereinsschild trug man. Aber sie war nicht schwarz oder dunkelblau gehalten, sondern musste 1942 für die Jugend auch in weiß gearbeitet sein. In der Hand die coole Sonnenbrille, zeigte man sich vor den Mädchen selbstverständlich mit freiem Oberkörper. Auf dem Boot verpönt, konnte man auf dem Clubgelände sehr wohl seinen Waschbrettbauch zeigen.

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Nach dem Krieg scheint die Jugendarbeit zunächst eher schleppend angelaufen zu sein. Da man das gesamte Vereinsleben von neuem aufbauen und stabilisieren musste, konnte das in der Anfangsphase auch nicht anders gehandhabt werden. So wird berichtet, dass es Anfang der 50er Jahre im Verein keine ausgesprochene Jugendgruppe gab. Junge Leute fuhren bei den Schiffseignern als Vorschoter mit und waren dafür verantwortlich, dass das Boot am Sonntag sauber und abfahrbereit war.252 Dafür gab es den Begriff des „Bootspiepels“, der sowohl herablassend als auch zugetan verwendet wurde (Kopie).253 Auf dem Foto von 1927 ist Bernhard Nölte, souverän-lächelnd, als Bootspiepel im Zentrum des Fotos zu sehen und die Senioren, Bruno Rennack und Erich Schröter, spielen eher eine randständige Rolle. In diesem Zusammenhang sei darauf hingewiesen, dass man auch (inoffizielle) Seglerinnen im Vereinsjargon abwertend als „Bootspiepel“ bezeichnete.254

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Auch über die 50er Jahren hinaus ist es üblich, den Jugendlichen diese Aufgabe zuzuweisen. Sie fühlten sich nicht unwohl in dieser Funktion, sondern lernten etwas und fühlten sich als gleichberechtigter Partner ernst genommen. Und wenn Kurt Richter als Steuermann übermüdet einnickte, durfte der Bootspiepel, Klaus Braschoss, auch mal die Pinne halten.

Die Jugendarbeit dürfte etwa Mitte der 50er Jahre wieder angelaufen sein. Schon nach der Fertigstellung des Clubheims 1952/53 wurde das alte Klubhaus der Jugend übergeben und als Jugendhaus weiterverwendet. Es war das ehemalige Stammhaus des Vereins, das die WSVN-Senioren vom Restaurant Wilhelmsruh mitgebracht hatten. Mit dem Neubau des Garderobenraums bekam die Jugend eine neue Bleibe. Neben dem Vorstandszimmer entstand der Jugendraum. Schon die räumliche Nähe der beiden Zimmer verdeutlicht den hohen Stellenwert, den man der Förderung der Jugendarbeit zumaß.

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Werner Kunze berichtet über das Leben der Jugendabteilung nach 1952 und erinnert an die Jugendfeste in den Vereinen am See, sowie an die Jugendregatten und die Vorliebe für die Petromaxlampen von Valentinswerder (wurden vorübergehend von der Nordstern-Jugend entwendet). Noch nachträglich erinnert er sich an Horst Ketterling, den Twist-Master vom Tegeler See. Die Jugend feierte gleich das erste Sylvester im neuen Clubheim. Da der Raum für etwa 20 Personen zu groß war, wurde nur der Bereich zwischen dem Eingang und der Theke ausgeschmückt und die Tür zur Halle zugehangen. Es war ein tolles Fest, was sich herumsprach. Im nächsten Jahr war zwischen Weihnachten und Sylvester Hochbetrieb und der ganze Raum wurde dekoriert. Manche Feier während der Dekorationsarbeiten war fröhlicher als die Feiern danach.255

Um der Jugend zu ermöglichen, eigenständig zu segeln und nicht auf andere Schiffseigner angewiesen zu sein, baute Rudi Holle schon Mitte der 50er Jahre einen Piraten für die Jugendabteilung.256 Die darauf aufbauenden Erfolge der Jugendarbeit wurden mehr und mehr auch für die Außenwelt sichtbar. Während die Jugendabteilung 1961 vom Bezirksamt Spandau noch einen Spiele-Koffer für 99 Jahre geliehen bekam257, wurde sie in der Folgezeit mit verdienstvolleren Auszeichnungen bedacht. Für die Jugend waren damals auch kleine Geschenke ein Ansporn und so arbeitete man eifrig an der weiteren Ausbildung der seglerischen Fähigkeiten.

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Nebenstehend sind im Jahr 1962 Mitglieder der Jugendabteilung in drei Bootsklassen beim Training zu sehen. Es handelt sich erstens um Manfred Richter auf seinem Finn-Dinghy. Das Schiff wurde von seinem Vater im Wohnzimmer gebaut und mit vereinten Kräften über ein offenes Fenster nach draußen abgeseilt. Die Geschichte macht glaubhaft, mit welchem Elan und unter Zurückstellung familiärer Anliegen der Segelsport und der Bootsbau betrieben wurden. Als zweites Boot der trainierenden Jugend ist ein Pirat zu sehen, der der Jugendabteilung gehörte. Das dritte Boot ist aus der Lindenblatt-Klasse und ist ebenfalls ein Selbstbau aus dem Club. Es wurde von Fritz Dembiak für seinen Enkel hergestellt und ging später als Jugendboot in die Jugendabteilung über. Nebenstehend ist die Rückkehr von einer Jugend-Wettfahrt gezeigt. Im Sommer kühlt sich die Jugend im See ab. Die Boote werden durch die Jugendabteilung auch selber gepflegt und instand gehalten.

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Die Anstrengungen waren nicht umsonst und die Erfolge blieben nicht aus. So verlieh am 08.02.1975 der Berliner Senator für Jugend und Sport dem SCN in der Kongresshalle den Wanderpokal für die beste Jugendarbeit 1974 in der Region.258 Dass die Auszeichnung einige Jahre später nochmals errungen werden konnte, spricht für die Kontinuität der Jugendarbeit im Club. 1978 bekommt der Verein erneut die Auszeichnung für die beste Berliner Jugendabteilung im Segelsport von der Senatorin für Jugend und Sport für das Jahr 1977 verliehen.259

Auch weiterhin war man darauf bedacht, der Jugend ein eigenes Schiff verfügbar zu machen. Jahre später wurde eine Sailhorse beschafft und 2011 konnte eine segelfertige Conga für die Jugend erworben werden. Seit 2014 steht der Jugend und anderen Mitgliedern eine regattataugliche Vereins-Varianta, „Variable“ getauft, zur Verfügung.

Um die Vereinsbindung zu stärken und den Jugendlichen ein unbeschwertes Freizeit-Vergnügen zu bereiten, werden auch längere Fahrten unternommen. Für viele Jugendliche war der Höhepunkt des Jahres 2007 eine Urlaubswoche im Zeltlager auf der Insel Usedom. Die Reise, an der 16 Jugendliche teilnahmen, wurde durch einen Elternabend vorbereitet. Gut organisiert und begleitet von Eltern und Betreuern konnten die Jugendlichen bei schönstem Wetter Baden, Surfen, Motorbootfahren und vieles mehr erleben. Am 12.11.2007 fand ein Berichtsabend der Jugend über ihre eigene Usedom-Reise statt. Ein anderes Beispiel ist im Jahr 2011 der Wochenendtörn mit dem Dreimastgaffelschoner „Pippilotta“, der von der Jugendleitung organisiert wurde. Ursprünglich als Törn der Jugendmitglieder zusammen mit deren Eltern gedacht, konnten am Ende zusätzlich auch Clubkameraden die 36 Kojen auf der „Pippilotta“ belegen. Für alle die dabei waren, wird neben dem gemeinsamen Kochen an Bord auch der Ritt von Masholm nach Marstal bei 6 Windstärken noch lange in Erinnerung bleiben.

Durch die weitere Stärkung der Jugendabteilung wächst das Vertrauen, auch größere Aufgaben zu bewältigen. Auf Anraten der Jugendleitung hat sich der SCN-Vorstand für die Durchführung der Junioren Europameisterschaft der Piraten im Jahr 2010 entschieden. Zur Vorbereitung der Meisterschaft wird eine Segelwoche mit der Freizeitstätte Aalemann mit der Jugend durchgeführt.

10.4 Kinderbetreuung

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Die Arbeit mit Kindern und ihre frühzeitige Betreuung beim Erlernen von Grundkenntnissen des Segelns setzte viel später ein, als die Jugendförderung. Erst als 1955 die Zahl der Mitglieder im Jugendbereich stark zurückging, wurde der Wert eines sehr viel früher beginnenden Segeltrainings erkannt. Es war auch so, dass die Nordstern-Kinder, die später zur Kinderabteilung gehörten, zunächst mit ihren Eltern gewohnheitsmäßig in den Verein hineinwuchsen. Sie waren bei den Bootstaufen dabei, kamen mit zum Ansegeln, saßen bei den Müttern am Liegestuhl und feierten ihren Geburtstag im Club. Es entstand frühzeitig eine Vereinsbindung, die bei den Nordstern-Kindern unaufgefordert zum Interesse am Segelsport führte. Sie wuchsen auf im Verein, sie hatten ihre Freundschaften dort und sie feierten im Club. Zuerst feierten sie ihre Kindergeburtstage und später waren sie bei den Herrenpartien, den Damenfahrten und gemeinsam bei Sommerfesten und Weihnachtsfeiern dabei.

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Doch zunächst musste eine Bootsklasse für Kinder entwickelt werden. Die Optimisten-Klasse kam aus Amerika über Dänemark nach Deutschland. Erst nach 1957 eroberte der Optimist über Skandinavien, England und Frankreich auch den deutschsprachigen Raum. 1962 fand in Südengland die erste Weltmeisterschaft statt. In einem nächsten Schritt war es notwendig, aus den nun vorliegenden Rissen, auch die entsprechenden Boote für die Kinder zu bauen. 1967 war es dann soweit und es wurde im Club eine Fertigungslinie für Optis eingerichtet. Da es die Zeit der Kantinenmodernisierung war, sah die Clubkantine sowieso wie eine Werkstatt aus.

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Auf der Fertigungsstrecke wurden insgesamt 11 Optimisten gebaut; damals alle aus Sperrholz. Die Vorfertigung der Einzelteile und der Zusammenbau der Rümpfe erfolgten in der Messe und die Endfertigung, incl. Lackierung, Mast- und Segeleinbau, konnte dann im Bootsschuppen abgeschlossen werden.

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Der Bau der Optis beginnt am 04.03.1967, die Taufe findet schon am 22.04. in Anwesenheit vieler Vertreter aus den drei West-Berliner Revieren statt. Das regnerische Wetter hielt die Gäste nicht davon ab, zahlreich zu erscheinen. Es war ein großer Augenblick für den gesamten Club, als die 11 Optimisten getauft wurden.

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Nun beginnt die Zeit des Trainings und der Wettfahrten, zuerst theoretisch an Land, danach praktisch auf dem Wasser. Aller Anfang ist schwer, aber vom Begleitboot kommen wichtigen Hinweise des Trainer.

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Und schon bald ist man im Optimisten-Schlepp nach Gatow unterwegs und nimmt an einer ersten Opti-Regatta beim DSC Gatow teil. Etwas später bilden sich regelrechte Opti-Traditionen heraus. So gab es eine Opt-Frühjahrswettfahrt, einen Opti-Kehraus und heute die Opti B-Regatta. An den Preisverteilungen nehmen ganze Familien teil.

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In den Folgejahren werden vielfältige Aktivitäten vom Club unternommen, um für Kinder die erste Begegnung mit den Optis spannend zu machen. So beginnen bald die Schnuppersegel-Tage im Mai und/oder nach den Sommerferien Ende August. Mit verschiedenen Spandauer und Hennigsdorfer Schulen wird Kontakt aufgenommen, um die Schulklassen zu interessieren und auf der Wassersportseite der Berliner Morgenpost werden die Termine veröffentlicht. In der Regel werden an 10 Sonntagen die theoretischen Grundlagen für den Jüngstenschein vermittelt und an insgesamt 25 Sonntagen, zeitweise in drei Trainingsgruppen, erfolgt ein Opti-Wassertraining unter Leitung des Trainerteams. Der WGSO führte in den 60/70er-Jahren immer die sehr beliebten Opti-Trainingswochen durch, bei der sich alle Opti-Kinder des Bezirks Oberhavel trafen. Bei Segeln, Sport, Spiel und Spaß war es eine amüsante Veranstaltung, an der viele Nordstern-Kinder gerne teilgenommen haben. Viel Freude bereitet den Kindern auch ein Trainings-Zeltlager für Opti-Segler auf dem Vereinsgelände.

Unvergessen bleiben die engen, etwa dreijährigen, Beziehungen der Opti-Kinder des Clubs mit dem Seglernachwuchs aus dem Wolfsburger Yacht Club Allertal (WYCA) in den 70er Jahren. In dieser Zeit besuchten sich Kinder und Jugendliche häufig gegenseitig im Rahmen des Opti-Segelns. Die Opti-Kinder aus Wolfsburg wohnten bei Familien aus dem SCN und die Jugendlichen des Clubs wurden auf dem Wolfsburger Vereinsgelände in Zelten beherbergt. Die Wolfsburger demonstrierten den Clubmitgliedern, wie man aus dem Aufstelldach eines VW-Kleinbusses, eine Transportmöglichkeit für bis zu vier Optimisten bauen konnte. Diese Konstruktion wurde danach für einige Zeit auch Bestandteil des SCN-eigenen Fuhrparks.

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Zusammenfassend kann gesagt werden, dass die lange Liste seglerischer Erfolge bei Meisterschaften und Wettfahrten letztendlich vor allem auf die gelungene Kinder- und Jugendarbeit des Vereins zurückgeht.

11Mitgliederentwicklung

11.1 Erste Vorsitzende

In der Geschichte des SCN gab es bisher 13 Vorstandsvorsitzende, die zum benannten Datum ihre Aufgabe übernahmen:

Datum 1. Vorsitzender
06. Aug. 1920 Walter Poser
15. Mai 1923 Erich Förstel
13. Jan. 1929 Erich Schwengber
07. Dez. 1930 Erich Förstel
06. Jan. 1935 Johannes Richter
20. Jun. 1946 Waldemar Sonnenschmidt
19. Sep. 1948 Bernhard Nölte
04. Feb. 1962 Werner Kunze
28. Feb. 1971 Kurt Richter
31. Aug. 1973 Gerhard Virgils
24. Nov. 1979 Werner Kunze
29. Mrz. 1992 Michael Schnupp
04. Mai 1994 Manfred Richter
27. Feb 2000 Michael Dzembritzki
26. Apr. 2006 Manfred Richter
08. Jun. 2011 Andreas Steffenhagen

11.2 Ehrenmitglieder

Die Ehrenmitgliedschaft ist ein hohes Gut und wird nur in besonderen Fällen vergeben. Neben den Leistungen für den Verein, wird auch die Gesamtpersönlichkeit in ihren Auswirkungen auf das Vereinsleben gewürdigt:

Ehrenmitglieder
Walter Poser
Arthur Thürer
Friedrich Dembiak
Erich Karge
Hans Birr
Fritz Lange
Rudolf Köpp
Wilhelm Paulisch
Paul Schlenger
Rudolf Rothermund
Gerhard Schäfer
Werner Kunze
Peter Wolf

11.3 Mitglieder und Bootsanzahl

Die Mitgliederzahlen entstammen sehr unterschiedlichen Quellen. Die Gesamtzahlen lassen nur bedingt Rückschlüsse auf die Entwicklung des Vereins zu, da sie ab 1977 auch die Förder- und Gast-Mitglieder beinhalten, die vorher nicht berücksichtigt sind. Folgende Tendenzen sind hervorzuheben. Zwischen 1930 und 1936 verlassen in der NS-Zeit besonders die Jugendlichen den Verein. So wie 1941 ein sprunghafter Anstieg der Mitglieder zu erkennen ist (Mitglieder des aufgelösten Spandauer Wassersportclub Eiswerder wechseln zum SCN), erfolgt 1948, infolge der Kriegsnachwirkungen, ein jäher Rückgang der Mitgliederzahl. Mitte der 70er Jahre hat der Verein seine Hochphase erreicht und besitzt 1977 mit 128 Ordentlichen Mitgliedern die maximale Anzahl an aktiven Kameraden. Danach gehen speziell die ordentlichen Mitglieder bis 2015 zurück. Nach 2015 verringern sich eher die Jugend-Mitglieder, während die ordentlichen Mitglieder sich bei ca. 85 stabilisieren. Im letzten beobachteten Jahr 2018 gibt es wieder einen erfreulichen Anstieg der Zahlen in der Jugendabteilung.260

Wie viele der alteingesessenen Vereine hat auch der SCN Nachwuchssorgen. Trotz vieler guter Vorsätze und Aktivitäten, für Jugendliche den Segelsport wieder attraktiver zu machen, gibt es weiterhin einen zu geringen Anteil der unter Achtzehnjährigen im Verein. Es bleibt zu hoffen, dass die seit 2019 zu verzeichnende Zunahme von Mitgliedern in der Jugendabteilung, sich stabilisiert und weiter an Fahrt aufnimmt.

Jahr Ordentliche
Mitglieder
Förder-/Gast-
Mitglieder
Jugend-
Mitglieder
Mitglieder
Gesamt
Anzahl
Boote
1921261 21 21
1930262, 263 51 17 68 53
1936264 50 4 54 42
1938265 45 7 52 40
1941266 82 48
1948267 28
1951268 70 10 80 33
1952269 70 10 80 34
1953270 73 12 85 41
1955271 84 9 93 52
1957272 81 15 96 49
1958273 61 22 83
1977 128 17 37 182 75274
1995 99 54 26275 179 69
2000276 94 62 31277 187 71
2005 84 45 35 164 70
2010 91 46 39 176 70
2015 91 47 28 166 69
2016 90 47 23 160 73
2017 90 46 14 150 67
2018 84 45 5 134 68
2019 85 48 9 142 71
2020 80 49 11 140 69

12Interessenvertretung durch die IG Rust

Die seit 1930278 existierende Interessengemeinschaft wird nach dem Krieg, im Jahr 1952, neugegründet, um wieder gemeinsam interessierenden Argumenten ein größeres Gewicht gegenüber Ämtern und politischen Gremien zu verleihen.279 1955 wurde das 25jährige Jubiläum des Bestehens der Interessengemeinschaft der Vereine auf den Rustwiesen (IG Rust) mit einem großen Volksfest gefeiert.280 Die aufgetakelten Segler geben die malerische Kulisse zu einem eindrucksvollen Bootskorso der Angler und Kanuten ab. Der damalige Vorsitzende der IG Rust, Kamerad Stegerer, begrüßt die Ehrengäste mit Bezirksbürgermeister Ramin und Bezirksstadtrat Jahny. Nach altem Brauch werden den beiden prominenten Gästen beim Betreten des Geländes zwei Aale überreicht. Bürgermeister Ramin skizzierte in seiner Ansprache die Geschichte der Rustwiesen und erklärt, dass hier ein Grundsatz der Demokratie, „Jeder kann tun und lassen, was dem anderen nicht schadet“, am besten verwirklicht werde. Höhepunkte waren der große Lampion-Bootskorso auf der Oberhavel und der kilometerlange Fackelzug auf der Havelpromenade. Ein Feuerwerk und bengalische Feuer bildeten den Abschluss des Abends.281

Neben lobenden Worten für das Erholungsgelände am Wasser, gibt es schon Mitte der 60er Jahre auch kritische Töne. Man spricht davon, dass das Wochenendgebiet im Norden Spandaus ein „unterentwickeltes Land“ sei. Der einstige Stadtbaurat Elkart würde sich im Grab umdrehen, „wenn er wüsste, dass das Gebiet am Rust ohne Trinkwasserversorgung und ohne Kanalisation ist und dass der Weg, dem man Ende 1960 seinen Namen gegeben hat, ebenso wie alle anderen Siedlungswege im Anschluss an die Werderstraße kaum oder gar nicht beleuchtet sind. Seit Jahren schon wird dieses Erholungs- und Wochenendsiedlungsgebiet von den Planern in der Verwaltung recht stiefmütterlich behandelt. Freilich, der Wille zur Besserung ist da, aber – es fehlt das Geld.“282

Seit dem Jahr 1930 ist das Hauptproblem des Siedlungsgebietes, die Straßenbeleuchtung, die Wasserversorgung und die erforderliche Kanalisation, nicht gelöst worden. „In all den Jahren haben sich die am Rust ansässigen Sport-, Wochenend- und Anglervereine um einen Anschluss an die städtische Wasserversorgung bemüht. Die zu einer Interessengemeinschaft zusammengeschlossenen Vereine sind nicht nur auf die aus Gründen des Brandschutzes erforderlichen Hydranten bedacht, sondern streben unter Hinweis auf die zum Teil ständig bewohnten Siedlungshäuschen eine hygienisch einwandfreie Trinkwasserversorgung an, die durch Brunnen und Gartenpumpen bisher nicht gesichert ist.“ Damals scheiterten alle Bemühungen daran, dass für die Werderstr. noch keine klare Linienführung geplant war und dass für das gesamte Gebiet kein Bebauungsplan bestand. Auch die Wasserwerke scheuten sich, ein 600 Meter langes Röhrensystem zu bauen, welches bei einer veränderten Linienführung der Werderstr. wieder abgerissen werden müsste.

Seit nunmehr 90 Jahren hat sich die Situation nicht geändert und auch nach 1964, als diese kritischen Zeilen veröffentlicht wurden, hat die Bezirksverwaltung keine politischen Entscheidungen getroffen, die dem Zustand abhelfen würden. Es scheint so zu sein, dass sich sowohl die IG Rust mit ihren Vereinen als auch die Bezirksverwaltung mit der gegenwärtigen Situation abgefunden haben. Man hat sich über die Jahrzehnte mit Behelfslösungen eingerichtet und beide Seiten vermeiden es tunlichst, die Probleme erneut zu thematisieren.

Rustfest 1995

Selbst als 1976 der Vorsitzende des SCN, Gerhard Virgils, zum Sprecher der IG Rust gewählt wird, wendet man sich zwar mit einer Bürgerinitiative gegen die Erweiterung des Kraftwerks Oberhavel, spricht aber die dringenden Probleme des Anschlusses an die städtischen Versorgungsleitungen eher nicht an.283 Auch als sich 1981 die IG Rust eine Satzung gibt, als Verein eingetragen wird, und ihr sämtliche auf den Rustwiesen beheimateten Sportvereine angehören, trägt das nicht zu einer Stärkung der Position der IG Rust in dieser Frage bei.284 Auch als Roderich Krey vom SCN Anfang der 90er Jahre die Geschäftsstelle der IG Rust leitet285, ändert sich die Situation nicht.

Einladung Rustfest 1998 (5 Gäste)

Die Mitglieder der IG Rust tun alles, um die Gemeinschaftlichkeit der ihr angehörenden Vereine zu stärken. Jährlich findet ein Sommer- oder Herbstfest statt, auf dem sich die Vereine präsentieren und ihre Verbindungen zu den Spandauer Bürgern ausbauen. Im Rahmen der gesellschaftlichen Veranstaltungen des SCN, beginnt traditionell jedes Jahr mit dem Neujahrsempfang der IG Rust, auf der ihre Mitglieds-Vereine zu Beratung und Meinungsaustausch zusammenkommen.

13Traditionen (alphabetisch)

Im Club bestanden und bestehen die unterschiedlichsten Traditionen. Manche waren kurzlebig, andere erhielten sich über die Jahrzehnte bis heute. Entstehungszeitpunkt und Datum des Verschwindens sind kaum noch nachzuvollziehen. Ein kurzer alphabetischer Abriss soll die wichtigsten Traditionen vor dem Vergessen bewahren.286

An- und Absegeln

Das Ansegeln ist das erstmalige Segeln in einer Saison und findet Mitte April statt. Am Nachmittag des Ansegelns erfolgt regelmäßig um 15 Uhr die Standerhissung. Solange es den Herrenkommers gab, führte man die Standerhissung am Karfreitag durch.

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Das letztmalige Segeln in einer Saison wird als Absegeln bezeichnet und erfolgt Mitte Oktober. Bis ca. 1945 war es üblich, sich beim Absegeln individuell im Faschingslook zu verkleiden und alkoholgeschwängerten Schabernack zu treiben. Ab Neubeginn des Vereinslebens 1948 war die individuelle Kostümierung nicht mehr üblich.

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In den ersten beiden Vereinsjahrzehnten suchte man sich zum An- und Absegeln beliebte Ausflugsorte in der näheren Umgebung des Vereins aus. Hier ist man 1920 zum Ansegeln bei Max Malicha in Heiligensee, Schornsteinfegermeister und Gründungsmitglied des WSVN (Großvater von Heidrun Großpietsch). Auch zum Absegeln machte man Ausflüge, wie z. B. nach Niederneuendorf, wo man sich 1925 aufhielt.

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Später kamen zu den Veranstaltungen alle Vereine eines Segelbezirks zusammen und individuelle Vereinsausflüge gehörten der Vergangenheit an. Die Veranstaltungen zum An- und Absegeln entwickelten sich zu großen Feiern, die reihum in den umliegenden Vereinen des Bezirks Tegel ausgerichtet wurden (hier Ansegeln beim TSC, Absegeln im SCN).

Einladung Absegeln 1995 (5 Gäste)

Im SCN fühlt man sich eher für die Veranstaltung beim Absegeln zuständig. Routinemäßig werden im SCN die Absegelfeiern zu den 5er Jubiläen ausgerichtet (vgl. Beispiel Absegeln 1995 zum 75. Jubiläum des Clubs).

Auf- und Abslippen

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Dem Ansegeln muss das Abslippen (zu Wasser bringen) der Boote vorangehen und dem Absegeln folgt das Aufslippen (an Land bringen) der Schiffe nach. Termine für das Abslippen werden Ende März festgelegt und Anfang November erfolgt das Abslippen. Bevor es Kräne und Winden gab, war diese Tätigkeit mit schwerer Handarbeit verbunden. Zusätzlich war der Slipsteg nur ein schmales Brett, auf dem freihändig balanciert werden musste. Die Boote mussten den Slipgang auf Schienen bis zum Bootsschuppen heraufgerollt werden. Dort befand sich eine Drehscheibe, um die Boote um 90 Grad in Richtung Schuppentor zu drehen. Von dort wurden sie manuell auf Balken in den Schuppen getragen und auf Böcken abgestellt. Die Jugend hat zwischendurch die Schwerter ausgebaut.287

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Nach dem Betonieren des Bootsschuppens wurde 1963 der erste Kran installiert. Damit wurde die Arbeit schon komfortabler, so dass man bis weit in die 60er Jahre die Boote vom Kran auf einen einachsigen, gummibereiften Wagen setzen konnte, um sie anschließend, sorgfältig balancierend, in die Halle zu schieben. Allerdings fehlte der starren Achse die Beweglichkeit und das Umsetzen auf die Lagerböcke war immer noch schwere Arbeit.

hubwagen

Als wesentliche Neuerung und Arbeitserleichterung wurde 1970 ein Hubwagen mit drehbaren Rädern konstruiert, die sich selbst auf die gewünschte Fahrtrichtung einstellen. Er wurde durch Rudi Herrmann gebaut und besitzt eine Hubvorrichtung, um die Boote pneumatisch auf und ab zu heben. Der Wagen bewegt noch heute die Jollenkreuzer mit Leichtigkeit.288

Ausgleichssport/Freizeitbeschäftigung

Im Verlauf der Vereinsgeschichte existierte eine ganze Reihe von Ausgleichssportarten bzw. Freizeitbeschäftigungen, von denen fast alle durch Fotos belegt sind (jeweils das letzte bekannte Jahr wird angegeben):

1925 Kegeln im Restaurant „Wilhelmsruh“ vgl. Abschn. 5.1
1932 Klettern auf dem 23 m hohen Vereinsmast IMG 0053 4 (1 Leitz)
1958 Modellbootwettfahrt IMG 0145 3 (1 Leitz)
1962 Tischtennis in der Bootshalle n02 34
1967 Billard in der Messe n18 28
1967 Tisch-Fußball in der Messe n18 29
1972 Preisskat in der Messe n32 33
1980 Schlittschuhlaufen auf der Havel IMG 0016 (3 Leitz)
1980 Radtouren mit Picknick im Spandauer Forst u. a
1980 Medizinball Gymnastik289
1990 Hallensport im Winter (Do. von 20-21:30 Uhr), Volleyball gegen Nixe IMG 0064 1 (6 Rot) k b
2020 Trudeln (vgl. Weihnachtstrudeln) vgl. Weihnachtstrudeln

Böser Buben Ball

Über die Feier wird in der Verbandszeitschrift „Der Freie Segler“ von 1931 berichtet. Es mag sich um eine faschingsähnliche Veranstaltung gehandelt haben. Ob und wie lange sich ggf. eine Tradition entwickelte, ist nicht bekannt.290

Bootsbau

Bernhard Nölte vermerkt noch Mitte der 1950er Jahre, dass ca. 90% der Fahrzeuge im SCN Eigenbau sind.291 In der Rückschau wurden folgende Boote im Club eigenhändig gebaut und erfolgreich gesegelt292:

  • 4 10qm-Rennjollen
  • 6 10qm-Wanderjollen
  • 1 20qm-Rennjolle
  • 2 Motorboote
  • 3 15qm-Wanderjollen
  • 1 15qm-Jollenkreuzer
  • 7 20qm-Jollenkreuzer
  • 3 Finn-Dingis
  • 1 Lindenblatt
  • 12 Optimisten

Bis 1933 konnte der FSV seine Mitglieder beim Eigenbau von Booten unterstützen. Im WSVN werden alle erforderlichen Bauvorschriften von daher bezogen worden sein. „Sämtliche Baurisse konnten von Interessenten gegen ein Entgeld über die Geschäftsstelle des FSV in Berlin bezogen werden. Zum Nachweis der Klassentauglichkeit des eigenen Bootes konnte der Eigner beim FSV einen sogenannten Messbrief erwerben. In diesem Messbrief stellte ein amtlicher Vermesser fest, über wieviel qm Segel fläche ein Boot verfügte. Eine Teilnahme an Klassen-Regatten war nur unter Vorlage eines Messbriefes möglich. Der Brief hatte eine Gültigkeit von 3 Jahren, alle baulichen Veränderungen mussten gemeldet werden, um ggf. einer neuen Messung unterzogen zu werden. Zur Kontrolle war es zusätzlich üblich, Messmarken an den Masten anzubringen.“293

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Das erste Boot im Eigenbau wurde von Walter Poser, dem ersten Vorsitzenden in der Elisabethstraße auf dem Hof hergestellt. Es war ein 10qm-Sharpie, welches um 1920 entstanden sein muss. Mit Uhrkette ist der 1. Schriftführer des WSVN, Kamerad Krienke, zu sehen (Kopie).294

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Von Erich Karge und seinem Vater ist der frühe Selbstbau der 15qm-Rennjolle M 16 „Heidy“ überliefert (vor 1920). Das ständige Bemühen um Verbesserung der Boote führte dazu, dass er schon 1930 die dritte Version dieser Rennjolle, „Heidy III“, gebaut hatte.295 Es war durchaus nicht unüblich die Boote in der eigenen Wohnung herzustellen. Helmut Mohneke baute beispielsweise mit seinem Bruder auf einem alten Heuboden in der Fehrbelliner Straße die H-Jolle H 163. Kurt Richter baute für seinen Sohn, Manfred Richter, einen Finn-Dingi im Wohnzimmer. Sehr gut dokumentiert ist der Neubau von Werner Kunzes 20qm-Jollenkreuzer „Pangany“ im Jahr 1963, der allerdings im Bootsschuppen erfolgte.296 Der Bau von 11 Optis beginnt am 4.März 1967, die Taufe findet schon am 22.April in Anwesenheit vieler Vertreter aus den drei West-Berliner Revieren statt (vgl. Abschn. 10.4).297

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Das Wissen über den Bootsbau war unter den Clubmitgliedern breit gestreut. Es war eine der Hauptaktivitäten der Mitglieder. Heute ist das Wissen um den Komplettbau von Holzbooten in der Breite nicht mehr vorhanden.

Bootstaufe und Bootseinbringung

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Bei den Bootstaufen durften die Frauen repräsentieren, obwohl sie lange Zeit nicht Mitglied werden konnten. Es war üblich, junge Frauen die Boote taufen zu lassen, weil es sich möglichst um Jungfrauen handeln sollte, die die Jungfräulichkeit der Boote auszudrücken hatten. Dass dem auch eklatant entgegengehandelt wurde, zeigt eine Bootstaufe von 1939, als Fritz Dembiaks 10qm-Wanderjolle getauft wurde. Die resolute Dame dürfte ein jungfräuliches Alter weit überschritten haben. Die Boote sollten auch einen weiblichen Namen bekommen, „weil sie, ähnlich wie Frauen, teuer in Anschaffung und Unterhalt sind, eine komplizierte Takelage besitzen und schwer zu steuern wären“. Macho-Sprüche dieser Art, dürften heute aus den Vereinen verschwunden sein.

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Es bleibt ein Unterschied festzuhalten. Selbstgebaute Boote wurden „getauft“ und von Dritten gekaufte Boote wurden in den Club „eingebracht“. Hier ist eine Bootseinbringung von Dieter Nerlich aus dem Jahr 1982 zu sehen.

Damenfahrt im Herbst

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Damenfahrten entstanden erst in den 70er Jahren und wurden immer im Spätherbst organisiert. Sie fanden grundsätzlich ohne Männer statt. Sofern Männer dabei waren, handelte es sich um Ausnahmen, die meistens zwecks musikalischer Begleitung gewährt wurden (z. B. Gerhard Schäfer). Die Veranstaltungen fanden immer reges Interesse. 2019 führte die Damenfahrt abschließend zu einer Feier im Brauhaus Spandau. Auch hier haben sich die alten Bräuche verändert, denn es waren auch Herren zugelassen und nicht unerwünscht.

Damen-Advents-Kaffee

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Der Damen-Advents-Kaffee fand grundsätzlich am 1. Advent statt und zwar ohne Männer. Jeder brachte selbstgebackenen Kuchen mit, der auf dem großen Billardtisch abgestellt wurde. Das Programm wurde durch die Frauen selber gestaltet. Mit Gerhard Schäfer wurde gesungen, Gedichte wurden aufgesagt und Advents- und Weihnachtsgeschichten vorgelesen oder erzählt. Marianne Kaplick kannte eine Tanzgruppe älterer Damen, die Ballett-Aufführungen machten und im Engel-Outfit weihnachtliche Geschichten aufführten.

Fasching (Kostümfest)

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Ab Mitte der 60er Jahre etablierte sich der Fasching im Club. Zuerst wurden Papierbilder auf weißen Zeitungspapierbahnen gemalt und die Messe damit ausgeschmückt (vgl. die Verbindungen des Vereins zum Spandauer Volksblatt, Abschn. 8.1). Dazu trafen sich z. B. Renate Schröter und Wolfgang Lehmberg („Lemmi“) im Februar/März als Winterüberbrückung in der segelarmen Zeit. 2019 wurde die Tradition mit einem Oktoberfest wieder aufgegriffen.

Ehepaarfahrt

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Die Ehepaarfahrt hat eine lange Tradition und wurde intensiv von den Mitgliedern genutzt. Zunächst kümmerte sich das Ehepaar Schäfer um die Organisation und anschließend übernahm das Ehepaar Virgils die Vorbereitung der Ehepaarfahrt. Folgende Ziele sind noch bekannt:

  • Ehepaarfahrt Braunschweig
  • Ehepaarfahrt Rügen
  • Ehepaarfahrt Malchow
  • Ehepaarfahrt Bad Schandau
  • Ehepaarfahrt Ziegenrück
  • Ehepaarfahrt Bächlein, Coburg
  • Ehepaarfahrt Fichtelgebirge
  • Ehepaarfahrt Oberpfalz

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Nach der Wiedervereinigung wurde rege von Ausflügen in die Neuen Bundesländer Gebrauch gemacht. Ausgangspunkt war immer eine Wochenend-Busreise, die am Freitag begann und zwei Übernachtungen einschloss. Am Zielort standen Besichtigungen, Ausflüge und ein abendliches Vergnügen auf der Tagesordnung. Gesellschaftsspiele und Gesang gehörten unbedingt dazu. Damit das Gelingen der Veranstaltung gesichert war, checkten Gerhard Schäfer bzw. Gerhard Virgils schon einige Zeit vorher die Ausflugslocation.

Freundschaft mit dem WSC „Frei“ Stettin

Aus der Verbandszeitschrift „Der Freie Segler“ geht hervor, dass enge Beziehungen zu einem Verein im Kreis Osten gegeben haben muss. „Im März 1930 trat der WSC ‘Frei’ Stettin aus dem Arbeiter-Turn- und Sportbund (ATSB) aus, um Mitglied im FSV zu werden. Der Verein unterhielt enge freundschaftliche Beziehungen zu dem WSV Nordstern sowie zu der TSVg Tegel.“ Weder sind im heutigen Club darüber Quellen zu finden noch gibt es mündlich weitergegebene Erinnerungen zu dieser Verbindung.298

Freundschaft mit SK Teufelsbrück

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Die Ursprünge der freundschaftlichen Beziehungen beider Vereine sind in den 50er Jahren verortet. Familie Schneider vom SCN fuhr durch die DDR zum Segeln an die Ostsee. Dort traf man zufällig mit dem Ehepaar Bredehorn aus Hamburg zusammen, das Mitglied im SKT war. Man freundete sich an und pflegte die freundschaftliche Verbindung auch weiterhin. So kam es zu gegenseitigen Besuchen und Übernachtungen in den jeweils gastgebenden Familien.

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Anlässlich der des Absegelns im Jahr 1956 traf der erste offizielle Besuch einer 30köpfigen Delegation vom SKT in Spandau ein.299 Hannes und Hildegard vom Hamburger SKT bringen 1983 als Gastgeschenk eine Rotbuche mit, die vor der SCN-Terrasse gepflanzt wird und heute enorme Ausmaße erreicht hat. Außerdem besuchen die SKTler mit 10 Gästen das Herbstvergnügen zum 80. Geburtstag des SCN im Jahr 2000. Umgekehrt reist zum 50jährigen Jubiläum der SK Teufelsbrück 2003 eine SCN-Delegation in Hamburg an. Peter Block und Manfred Schröter nehmen an der Jubiläumsregatta teil und spendieren ein Fass Berliner Bier.

In letzter Zeit sind die Beziehungen der beiden Vereine nicht weiterentwickelt worden. Es gibt aber noch persönliche Begegnungen auf privater Ebene.

Freundschaft mit dem RSC

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Die Verbindung zum Ruppiner Segler Club ist in den 30er Jahren des vorigen Jahrhunderts entstanden. Allein vom SCN fuhren 1937 18 Boote im Schlepp zur Pfingstwettfahrt nach Neuruppin.300 1938 gab es eine nachgewiesene Urlaubsfahrt mehrerer Clubmitglieder nach Neuruppin (vgl. Abschn. 9.4). Höhepunkt dieser Zeit war zweifellos das Jahr 1939, in dem anlässlich der 700-Jahr-Feier der Stadt Neuruppin 238 Boote an den Start zur Pfingstregatta gingen.301 Nebenstehend die Meldeliste der 15qm-Wanderjollen für diese Wettfahrt der Gruppe V, Tegel. Die Meldungen für den Schleppzug nach Neuruppin nahm Kurt Weck, Gruppenführer der Gruppe Tegel, entgegen. Es gab 3 Schleppzüge mit Dampfern. Der erste startete Freitagnachmittag, der 2. und 3. Schleppzug Samstagfrüh. Besonderer Wert wurde auf pünktliches Erscheinen gelegt. Für den SCN nahmen u. a. drei Wanderjollen am Schlepp teil. Interessant ist, dass zwei der Vereins-Jollen den Namen „Pangany“ trugen (Pangany und Pangany II). Der Name, den Werner Kunze Anfang der 60er Jahre seinem 20qm-Jollenkreuzer gab, hatte also eine lange Tradition im Club.

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Nach dem Fall der Berliner Mauer wurden die Beziehungen zum RSC von neuem aktiviert. Darum machte sich vor allem Gerhard Schäfer verdient.302 Besonders interessant waren die Langstreckenwettfahrten auf dem Ruppiner See. Dokumentiert ist die Teilnahme des SCN an der 19. Langstreckenwettfahrt im Jahr 1992.303 Das schnellste Boot belegte damals den ersten Platz, die übliche Yardstick-Feilscherei blieb außen vor. Den 1. und 2. Platz belegten 15qm-Jollenkreuzer aus dem SCN (Bernhard Quellhorst und Matthias Schönfelder). Auch 1994 nahmen 5 Varianta-Crews an der Langstreckenwettfahrt teil.304 Im Jahr 1998 gab es unter historischen Bedingungen eine Beteiligung an der 25. Langstreckenregatta. Der 78jährige Floßschlepper „Aurora“ aus dem Hafen an der Berliner Mühlendammschleuse schleppte 10 Boote zum Ruppiner See. Das Hupkonzert der Ruppiner Segelfreunde wollte kein Ende nehmen, als die SCN-Boote eintrafen.305

In den letzten Jahren sind die Beziehungen der beiden Vereine nicht weiterentwickelt worden. Ab und an verbrachten einzelne Clubmitglieder aus Berlin ihre Urlaubstage im RSC.

Gesang und Liedgut

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Der Gesang spielte eine wichtige Rolle in der Geschichte des Vereins. Es wurde nicht nur auf den Vereinsfesten gesungen, sondern auch auf dem Wasser. Das Akkordeon war einfach dabei, wenn man einen Sonntagsausflug machte. Das Liedgut geht unstrittig auf die Liederbücher aus der Zeit des Freien Segler-Verbandes zurück. In Abschn. 4.7 wurde schon darauf verwiesen, dass das heutige Vereinslied („Wir bleiben treu dem Segelsport“), dem Liederbuch des Freien Wettsegel-Verbandes, Vorgänger des FSV, entstammt (Lied Nr. 37).306 Selbst in der NS-Zeit wurde noch das Liedgut des verbotenen Freien Segler-Verbandes gepflegt (vgl. Abschn. 7.2).

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Bei der Standerhissung 1938 sang man drei Lieder aus dem Gesangbuch des Freien Wettsegel-Verbandes. Und in der Zeit des Neuaufbaus des Clubs gibt Werner Kunze die Beispiele vor, nach denen früher viel gesungen wurde und benennt alte Melodien, die man mit neuen Texten unterlegt hatte:307

  • Frisch auf Kameraden aufs Boot, aufs Boot (Lied Nr. 12)
  • Segel gespannt an Bord, an Bord
  • Ich schieß den Hirsch (Jägers Liebeslied)
  • Ich lieb den edlen Segelsport (Lied Nr. 13)
  • Strömt herbei in hellen Scharen (Lied Nr. 24)
  • Ob ihr jung seid noch an Jahren, ob die Locke silberweiß sollt Euch heut‘ der Freud ergeben
  • Mit der Jugend muß man leben, um im Alter jung zu sein.
  • Wir bleiben treu dem Segelsport (Lied Nr. 37)

Von den 8 Liedern, die er nannte, gehen immerhin 4 Lieder auf das Gesangbuch des Freien Wettsegel-Verbandes zurück. Und 1952, bei der Einweihung des neuen Clubheimes, stellt Gerhard Schäfer die musikalische Begleitung zusammen. Die Lieder wurden kopiert und lagen dann am 14. Juni 1952 auf allen Plätzen.308

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Auch die Lieder von der Abdampffahrt des Bezirks Tegel am 18.11.1953 (Herrenpartie am Bußtag) sind erhalten geblieben. Es handelt sich vor allem um Trink- und Seglerlieder, die zum Teil speziell mit dem Tegler See verknüpft sind. Die Liedtexte sind heute völlig unbekannt. Selbst die damals geläufigen Melodien, die auf neue Texte gesungen wurden, wären heute nur noch in Ausnahmefällen präsent. Auch die Lieder, die am Karfreitag 1976 gesungen wurden, sind heute weder von der Melodie noch vom Text her bekannt (Ausnahme ist das Vereinslied). Es handelte sich zumeist um Segler- und Stimmungslieder, die teilweise für den Anlass umgedichtet wurden. Vermutlich hat man im neuen Jahrhundert erkannt, dass diese Traditionen unwiederbringlich verloren sind und versuchte der Entwicklung etwas entgegenzusetzen. Im Jahr 2006 gab es einen Versuch zur Wiederbelebung der Gesangstradition, durch Michael Dzembritzki, dem damaligen 1. Vorsitzenden des Clubs. Nach längerer Zeit organisierte er einen Herren-Kommers mit Liedern, deren Texte an die Teilnehmer verteilt wurden. Der Versuch, das alte Brauchtum neu zu beleben, hat sich nicht durchsetzen können.

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Eine andere Richtung von Veranstaltungen mit Liedern hat sich bei den Weihnachtsfeiern erhalten. Dabei wurden die bekannten Weihnachtslieder gesungen, die selber musizierend, von Kindern und Mitgliedern, begleitet wurden. Die Texte der Weihnachtslieder sind nach wie vor durch Familie, Schule und kirchliche Feiern geläufig geblieben.

Herbstvergnügen mit Ehrungen

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Zum Herbstvergnügen gehörten die Ehrungen und das Eisbeinessen. Alle Segelerfolge und Titel der Saison werden mit Preisen vom Verein gewürdigt und in der Messe überreicht. Üblich waren neben Pokalen auch kleinere Preise, wie Bilder, eine Flasche Cherry usw. Regelmäßig organisierten die Wirtsleute nach den Ehrungen und dem Eisbeinessen einen musikalischen Abend. Da das Herbstvergnügen selbstverständlich mit Damen organisiert war, schloss sich eine Tanzveranstaltung oder ein Vergnügen mit Polonaise und Schunkelliedern an.

Herrenkommers am Karfreitag

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Über Jahrzehnte war der Herrenkommers am Karfreitag eine feste Instanz im Club. Der Begriff „Kommers“ kommt eigentlich aus der Studentensprache und wird in den Schlagenden Vereinigungen gepflegt. Er bezeichnet einen Trinkabend, der besonders durch feierliche Kleidung und Verhalten geprägt wird.

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Es ist kaum vorstellbar, dass die Tradition zu einer Zeit entstand, als man sich noch bewusst als Arbeiterverein empfand. So belegt es auch das Programm der Standerhissung mit Bootstaufen von 1938. Dort wurde ein „gemütliches Beisammensein“ als „Kommers mit Damen“ bezeichnet und hatte sicher nicht die spätere Bedeutung der 60er und 70er Jahre.

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Vermutlich entstand die Tradition erst nach Kriegsende als auch Hochschulabsolventen verstärkt dem Verein beitraten. Jedenfalls war der Herrenabend äußerst beliebt und wurde durch sogenannte Paukenverse und Musik begleitet. Es ging dabei um scherzhaft-satirische Strophengedichte mit meist pikantem oder aktuellem Inhalt. Möglicherweise waren die Paukenverse auch von Wolfgang Neuss, dem Mann mit der Pauke, inspiriert worden. Als scharfzüngiger Satiriker der Nachkriegszeit, Schauspieler und Berliner Unikum war er äußerst bekannt.

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Solange es den Herrenkommers am Karfreitag gab, fand an diesem Tag auch regelmäßig die Standerhissung statt. Nachdem der Herrenkommers, etwa ab Beginn der 80er Jahre, nicht mehr praktiziert wurde, verlegte man die Standerhissung aufs Ansegeln (15 Uhr). Da der Kommers-Begriff auch bei Karnevalsveranstaltungen gebräuchlich ist, gab es 1975 am Karfreitag eine vereinsinterne Ausstattung mit Karnevalskappe beim Herrenkommers. Die Programme zur Standerhissung am Karfreitag 1969 und 1976 sind erhalten. Es gab eine Kneip-Ordnung, Fest- und Vereinslieder, ein Segler-Märchen und Leierkastenmusik. 1974 wird die Kneip-Ordnung auf einer großen Schultafel, mit Kreide beschriftet, neben der Stammtisch-Vitrine aufgestellt.

Herrenabende fanden auch in anderen Segelclubs statt. Das Programm des Herrenabends im JSC von 1980 ist überliefert.309 Es gab eine Kneip-Ordnung, pikante und Segler-Lieder, eine Jesus-Geschichte über den 1. Vorsitzenden und Klein-Fritzchen-Witze. Aber der Kommers-Begriff ist im Programmheft nicht enthalten. Gut möglich, dass der Herrenkommers mit Paukenversen eine SCN-spezifische Tradition war, die in anderen Vereinen so nicht gepflegt wurde.

Herrenpartie am Bußtag

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Die Herrenpartie oder Herrenfahrt am Bußtag ist ein regelmäßiger Brauch, der mit diversen Fotos belegt ist. Man reiste zu interessanten Ortschaften in oder in der Nähe Berlins, unternahm weitere Busfahrten oder Dampfer- bzw. Schiffsausflüge zum Wannsee oder durch die Kanäle Berlins. Dazu traf man sich morgens im Club oder an den Bahnhöfen, von wo aus die weiter entfernten Orte bereist wurden. In jedem Fall wurden die Fahrten feucht-fröhlich ausgestaltet und fanden nur unter Männern statt. Hier treffen sich die Mitglieder zu einer Fahrt nach Schloß Wörlitz am Wannsee (1927).

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Beliebte Fahrten gingen in die Müggelberge, zur Schleuse Niederfinow, nach Finkenkrug oder in die Rüdersdorfer Kalkberge. Man zog auch mal einfach so über die Dörfer mit einer Blume im Knopfloch. Sehr beliebt war auch der Besuch anderer Segelvereine mit Dampfer oder Fahrgastschiffen. So lässt man sich zum VSS nach Heiligensee bringen oder besucht die Fahrtensegler am Wannsee.

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Die Tradition hat sich bis heute erhalten, wenngleich es deutliche Änderungen in der Tradition gibt. So sind schon 1980 Frauen bei der Herrenpartie zugelassen, die mit Getränke- und Brötchenversorgung zur Hand gehen. Die Herren scheinen sich im erweiterten Kreis durchaus nicht unwohl zu fühlen.

Hochzeiten

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Segelkameraden, die Polterabend hatten oder eine Hochzeit feierten wurden gerne besucht und begleitet. Berühmt ist die Hochzeitszeitung für Kurt und Hilde Richter, die am 25.05.1946 heirateten. Der Name des Künstlers aus dem Club, der die Zeitung liebevoll gestaltet hat, ist nicht überliefert.

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Dokumentiert sind die Hochzeiten von Klaus Braschoß, Manfred Richter und Klaus Großpietsch, zu denen die Mitglieder eingeladen waren. Auch der Polterabend von Klaus Krüger ist festgehalten und hat sich in der Erinnerung bewahrt. Zur Tradition gehörte die Einbeziehung des aktuell gesegelten Bootes in die Trauungszeremonie.

Kinderfest

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Am Nachmittag vor dem abendlichen Sommerfest war das Kinderfest angesetzt. Es fand in den 50er und 60er Jahren regelmäßig statt und war für alle Familien ein großes Ereignis. Onkel Pelle bereitete Kindern und auch Eltern viel Freude Die Eltern nahmen immer teil und betreuten ihre Schützlinge bei Sackhüpfen und Eierlaufen. Schon Anfang der 80er Jahre nahm die Anzahl der Vereinskinder merklich ab, so dass das Engagement für das Kinderfest zum Erliegen kam.

Kinderweihnachtsfeier

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In jedem Jahr fand regelmäßig eine Kinderweihnachtsfeier in der Adventszeit statt. Sie stand immer unter der Leitung von Gerhard Schäfer.310 Die Kinder führten kleine Sketche auf, machten Musik, sagten Gedichte auf oder demonstrierten ihre Sportarten, die sie außerhalb des Segelsports betrieben.

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Für die Kinder gab es Kasperletheater und der Weihnachtsmann trat auf. Die Geschenke für alle Kinder wurden im Weihnachtsmann-Sack gesammelt, der am Messeingang stand. Die Bescherung war das große Ereignis des Abends, auf das die Kinder sich fieberhaft freuten. Die Kinderweihnachtsfeier ist, ähnliche wie das Kinderfest, mangels Nordstern-Nachwuchs nicht mehr fortgeführt worden.

Musiknächte

Die Musiknächte sind ein relativ junger Brauch, der sich unter der Ägide von Michael Dzembritzki entwickelte. Zwischen 2002 und 2016 gab es 14 Musiknächte, die im Club auf ein ausgeprägtes Interesse stießen. Man startete die Veranstaltung 2002 mit dem Manfred Gustavus·Ouartett, setzte mit Billy Crey, Nina Hill, Viveca Lindhé, Karl Heinz Böhm sowie Peter Baumanns „Jazz Romances“ und vielen anderen Gästen die Reihe bis 2016 fort. Die erste Musiknacht fand im Mai statt, danach war es regelmäßig der Oktober, in dem die Veranstaltung ablief.

Neptunstaufe und Hafenfest

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Neptunstaufen wurden sporadisch durchgeführt und in der Regel nur zusammen mit Hafenfesten organisiert. Im Jahr 1996 wurde z. B. das Sommerfest am 3. August gemeinsam mit Hafenfest und Neptunstaufe gestaltet. 2014 bis 2016 wurden Hafenfeste zusammen mit anderen Ereignissen durchgeführt (Taufe der Club-Varianta, Opti B Regatta). Die letzte Neptunstaufe fand 2016 statt.

Neujahrsempfang der IG Rust

Regelmäßig kommen alle Vereine der IG Rust mit ihren Vorständen und interessierten Mitgliedern beim Neujahrsempfang des SCN zusammen (vgl. Abschn. 12).

Pfingstkonzerte und -ausflüge

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Am Pfingstsonntag war es üblich auf der Club-Terrasse zum Frühkonzert zu erscheinen. Die Hauskapelle spielte auf und man trank dabei seinen Frühschoppen. Entweder entschied man sich für das Pfingstkonzert oder man machte gemeinsam einen Pfingstausflug mit dem Boot. Beides war in ungleichmäßigem Wechsel möglich. Jedermann im Club nahm teil, egal ob es sich um Frühkonzert oder Ausflug handelte. Sehr gern wurde Maibowle in verschiedenen Ausführungen von den Damen getrunken. Es konnte Himbeer-, Erdbeer- oder Ananasbowle sein. Hier war ein alter Brauch lebendig, den man schon in den 30er Jahren in der Sommerkantine pflegte. Dort dokumentiert ein altes Foto die unterschiedlichen Arten von Bowle, die anboten wurden (vgl. Abschn. 6.2). Heute gibt es Bier und Gegrilltes – so gab es 2019 ein gelungenes Pfingstkonzert mit Live Musik von Softtrain.

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Ziel der Pfingstausflüge mit Boot war vor dem Mauerfall oft das Restaurant Moorlake, in der Nähe der Pfaueninsel. Nach der Deutschen Einheit fuhr man z. B. zum WSV 21 und verbrachte die Feiertage dort. Man traf sich schon Freitagnachmittag im Club, startete in der jeweiligen Richtung und lag, am Ziel angekommen, im Päckchen bis Pfingstmontag vor Anker. Dann ging es zurück in den Club.

Pontongrillen

In den 80er Jahren vor der Deutschen Einheit war das Pontongrillen sehr beliebt. Mit dem Arbeitsboot „Wilhelm“ des SCN wurden die Teilnehmerboote, nebst Ponton, an interessante Ankerplätze in Vereinsnähe geschleppt. Ein Fass Bier und der entsprechende Grill wurden auf dem Ponton mitgeführt. Es konnte z. B. die Greenwich Promenade bei den Tourenseglern sein oder die Bürgerablage und manchmal war auch ein Platz in Vereinsnähe ausreichend. Die Boote ankerten dann sternförmig rund um den Ponton. Man übernachtete auf seinem eigenen Boot und fuhr am nächsten Vormittag wieder zurück in den Verein. Nach einem ärgerlichen Zwischenfall mit der Wasserschutzpolizei (fehlendes Kennzeichen am Ponton) wurde der gemeinschaftsstiftende Brauch aufgegeben.

Schabernack und Spass

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Werner Kunze beschreibt in seinen Erinnerungen ein wenig wehmütig die ihm fehlenden Streiche, die man sich im Verein gegenseitig spielte. Witzbolde, die Abziehbilder an fremde Bootsspiegel klebten, Kleider und Spielzeug in den Bäumen aufgehängten oder Fahrräder am Flaggenmast hochzogen, waren wohl keine Seltenheit. Er wundert sich, dass 2004 nunmehr nichts mehr los sei.311 Gute Laune, Lebensfreude, Scherze und Schabernack gehörten zur sozialen Grundausstattung im Club. Die überlieferten Quellen sind vielfältig.

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Frauen scherzten mit zu großen Männern, Männer zeigten sich ihre Körperkraft auch schon mal bei Familienfeiern oder beim Überschlag mit Hilfestellung. Und es gibt die Spaßmacher, die jedes Vereinsfest bereichern, wie hier Gerhard Schäfer und Herbert Berlin.

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Auch bei den Herrenfahrten am Bußtag wurde immer darauf geachtet, dass Scherz und Vergnügen in einem guten Verhältnis zueinander standen. Und nicht zu vergessen – die witzigsten Späße ergaben sich immer erst dann, wenn die feucht-fröhliche Bierseligkeit auf ihrem Höhepunkt angekommen war.

Silvesterfeier

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Silvester wurde, bis auf wenige Ausnahmen, immer gefeiert und zählte zu den Höhepunkten der Vereinsfeste. Bis heute gehört es zu den beliebtesten Veranstaltungen des Clubs. Besonders ist das „Rote Fest“ 1963 in Erinnerung geblieben. Die Jugend bestand auf einer großen Silvesterparty. Die Ausschmückung für die Silvesterfeier war abgeschlossen, die neuen Tischlampen waren aufgestellt, als plötzlich eine Firma anrückte und die Tanzfläche mit roten Hartfaserplatten benagelte. Gegen Mitternacht kamen die ersten Besucher von der Toilette, die damals noch im alten Garderobenhaus war und berichteten von roten Hemdkrägen, roten Schuhen, Ärmeln und Unterröcken. Bernhard Nölte, der auf der Silvesterfeier eine rote Pappnase trug, sagte am nächsten Morgen, dass seine Nase auch innen ganz rot gewesen sei.312

Sommerfest

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Auch das Sommerfest gehört zu den jährlichen Highlights im Club. Im Lauf der Jahre hat sich der gute Brauch herausgebildet, Sommerfest und Stiftungsfest immer zusammen zu feiern. Da der Club am 01.08.1920 gegründet wurde, findet das Sommerfest immer am 1. August oder am ersten Wochenende des Augusts statt. Zum Sommerfest gehört regelmäßig auch ein Tanzvergnügen. Mit den Jahren hat sich das Fest zu einem immer größeren Ereignis ausgeweitet. Noch 1966 wurde es vereinsintern im Clubheim gefeiert und eine 3-Mann-Kapelle spielte auf. Die Jugend hatte eine Ecke gefunden, um unter sich zu sein – evtl. war es nicht die richtige Musik für den Twist-Master vom Tegeler See, Horst Ketterling.

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Aufgrund der vielen Gäste verlagerte sich das Sommerfest später in die Bootshalle. Die Tanzfläche ist dort ein definierter Bereich, der von Frank Ehlert extra glatt mit Beton abgezogen wurde. Im Außenbereich des Clubs ist eine Reihe von Ständen aufgebaut, die von Vereinsmitgliedern bewirtschaftet werden. Ein fahrbarer Ausschankwagen steht auf der Wiese zur Verfügung und im Innern der Bootshalle ist ein Tresen und eine Cocktailbar aufgebaut. Alle anliegenden Vereine sind herzlich zum Sommerfest eingeladen.

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In einigen Jahren wurde im Sommer auch eine zweite Feier veranstaltet. Es handelte sich um die Sonnenwendfeier, die in den Jahren 1968 bis 1973 durch Fotos nachgewiesen ist. Sie fand im Juni statt und hatte keinen direkten Zusammenhang zum Sommerfest.

Spargelessen

Das Spargelessen wurde vom 1. Vorsitzenden, Michael Dzembritzki, ca. 2002 eingeführt. Es erfreute sich großer Beliebtheit und wurde von allen Mitgliedern ausgerichtet, die das Kartoffel- und Spargelschälen, Kochen und Abschmecken sowie das Portionieren und Anrichten auf Tellern selbst übernahmen. Besonders kam die Veranstaltung den eher kalorienbewussten Mitgliedern entgegen. Das erste Spargelessen fand gemeinsam mit der Musiknacht im Mai statt. Dabei wurden stattliche 120 Portionen Spargel ausgegeben. Später wurden die Musiknächte im Oktober organisiert. Für das Spargelessen war weiterhin der Mai vorgesehen. Das Event wird derzeit nicht mehr durchgeführt.

Tanz in den Mai

Der Tanz in den Mai wurde immer am 30.04. eines Jahres organisiert und dauerte bis in die frühen Morgenstunden des 1. Mai. Das Tanzvergnügen fand in der Messe statt und wurde anfänglich mit Livemusik begleitet. Später ging man zu Discomusik über und hatte dafür einen Discjockey engagiert. Die lange Tradition wird nach 2010 nicht mehr fortgeführt.

Tanzkurs im Winter

Seit ca. 2006 wird im ersten Quartal des Jahres ein Tanzkurs in der Messe durchgeführt. Erster Organisator war Mario Rothermund. Nachdem es eine Unterbrechung zwischen 2015 und 2018 gab, hat Anne Voorhoeve die Tradition wieder belebt und ab 2019 den Tanzkurs neu arrangiert. In der Regel nehmen 12 bis 18 Paare aus dem Verein teil und treffen sich 10 mal zwischen Januar und März, jeweils am Freitag um 19 Uhr für eine Doppelstunde, um die wichtigsten Standardtänze zu üben. Professionell begleitet werden die Kurse von ein bis zwei privaten Tanzlehrern, die im Lauf der Jahre vielfach wechselten.

Taucherorden

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Der 1953 vom Vorstand gestiftete Taucherorden wird als erstem Ritter, Albert Reußner verliehen.313 Die Ordnung zum Tragen des Taucherordens besagt, dass derjenige, welcher als erster im neuen Jahr unfreiwillig ins Wasser fällt, den Orden das ganze Jahr über auf allen vereinsinternen Veranstaltungen zu tragen hat.314 Stolzer Träger des Taucherordens 1967 ist Peter Tietzsch, der beim Stegbau versehentlich baden ging. Bei der offiziellen Veranstaltung, die hier zelebriert wird, handelt es sich um die Taufe des Arbeitskahn „Gabiweiko“ mit Rudi Herrmann, Peter Tietsch und Werner Kunze.

Weihnachtsfeier

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Bis 2010 fanden jeweils zwei getrennte Weihnachtsfeiern im Club statt. Es gab zunächst die Kinderweihnachtsfeier (später Weihnachtsfeier für Jung und Alt) und den Damen-Advents-Kaffee. Auf Wunsch der Club-Damen sowie der Jugendleitung legte man 2011 beide Feiern zu einer gemeinsamen Weihnachtsfeier zusammen und gestaltete sie neu. Es gab ein Kuchenbüffet, das von den Damen ausgerichtet wurde und ein Rahmenprogramm der Jugendabteilung. Da über 100 Personen teilnahmen, wurde das geänderte Konzept auch zukünftig beibehalten. Rückblickend war das Weihnachtsprogramm von 1998 insofern etwas Besonderes, als man in das Programm einen Song der Beatles aufnahm („Let it be“). In den vorliegenden Weihnachtsprogrammen bis 2001 hat sich die Zuwendung zu rockigen Balladen aus den damaligen Charts nicht wiederholt. Es war aber der Anfang einer Entwicklung, in der sich der Club für moderne bzw. zeitgenössische Musik öffnete. Durch die ab 2002 folgenden Musiknächte bekam dieser Trend einen beträchtlichen Schub. Zu danken ist dies, dem damaligen Vorsitzenden, Michael Dzembritzki.

Weihnachtstrudeln und Skatturniere

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Nach einer langen Phase von Skatspielen und Skatturnieren suchte man nach einer anderen Spielidee. Es fand sich ein Würfelspiel, namens „Chicago“, welches einen immer größeren Freundeskreis bekam. Vom Preisskat ging man folgerichtig zum Weihnachtstrudeln über. Beim Weihnachtstrudeln 2011 mussten die Teilnehmer sogar in dicken Jacken und Mänteln antreten, da die Heizung nicht in Funktion war. Auch das hat der Beliebtheit des Spiels keinen Abbruch getan. Beim Chicagowürfeln wird immer in 3er- oder 4er-Gruppen gespielt. Der Sieger bekommt eine Gans, die weitere Preise können sich die nachfolgenden Gewinner aussuchen. Es gibt mehrere Enten, Cherryflaschen und immer kleinere Preise bis hin zum Kümmerling. Die Regel ist, dass jeder Teilnehmer einen Gewinn erhalten soll. Das Weihnachtstrudeln ist eine bis heute gelebte Tradition, die jeweils am Mittwoch der ersten Adventswoche organisiert wird.

Wirtsleute

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Die Messe war und ist eine der Schaltzentralen des Clubs. Darin spielen die Wirtsleute eine tragende Rolle. Mit ihrem Engagement, ihrer Verbindlichkeit und ihrer Neutralität prägen sie immer ein Stück des Vereinslebens ganz entscheidend mit. Verließen langjährig vertraute Wirtsleute den Verein, dann war das immer eine Zäsur für alle Mitglieder. Kamen dann die „Neuen“ hinzu, musste man schauen, ob man zueinander passte und sich aneinander gewöhnen konnte. Dass im neuen Garderobenhaus ein Extra-Zimmer für die Wirtsleute vorgesehen ist, unterstreicht deren wichtige Rolle.

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Es gab unterschiedliche Phasen in der Organisation der Zusammenarbeit zwischen Wirten und Verein. Es ist unbekannt, wie die Bewirtschaftung der Sommerkantine vor 1945 organisiert war. Nach Neugründung des Vereins waren die Wirtsleute vom Verein fest angestellt. Sie erhielten vom Club ein Grundgehalt und eine Umsatzbeteiligung auf die Getränke. Aufgrund dieses Modells musste monatlich eine genaue Abrechnung des Getränkeverbrauchs erfolgen. Die Küche konnte auf eigene Rechnung betrieben werden. Eine Pacht war nicht zu zahlen.

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Nach der Neugründung des Vereins lief die Bewirtschaftung der Sommerkantine nur unter Schwierigkeiten an. Während die Winterkantine bereits konzessioniert war, musste um eine dauerhafte Schankkonzession für alkoholische Getränke in der Sommerkantine gerungen werden. Für den Neubau des Clubheims wurde eine Ausschankerlaubnis am 17.07.1952 erteilt. Allerdings durfte sie nur zögerlich beworben werden. Erst mit der Erlaubnis vom 05.10.1962 war ein unbeleuchtetes Werbeschild genehmigt – es war eine Underberg-Reklame.

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Mit der Einstellung von Ingrid Schönke änderte der Vorstand ab 1977 das Geschäftsmodell vom Angestellten- in ein Pachtverhältnis. Die Wirtin hatte nunmehr eine Pacht und die Stromkosten der Küche an den Verein zu entrichten. Getränke und Küche wurden durch die selbstständigen Pächter bewirtschaftet und auf eigene Rechnung betrieben. Es kam immer wieder vor, dass der Getränkeausschank bei einem Wechsel des Pächters durch die Mitglieder erfolgen musste. Die Arbeit wurde gern übernommen, aber ein funktionierender Pachtbetrieb konnte dadurch nicht ersetzt werden. Die Liste der Pächter ist lang und kündet von häufigen Wechseln der Wirtsleute (vgl. Anlage 6).315 Die stabilste Messebewirtschaftung gab es unter Frau Schäfer, die über 10 Jahre dem Club treu blieb.


Anlage 1: Schlaglichter zur historischen Situation in Spandau 1920

Die handschriftlichen Notizen über die Regierungszeit des Spandauer Bürgermeisters 1919 bis 1921, Dr. Kurt Woelck, belegen die bittere Not, aber auch den Aufbauwillen der damaligen Zeit.316

Eine Fürsorgestelle für Kriegsgefangene wurde im Mai 1919 ins Leben gerufen. Deutschlands Zusammenbruch und die Reparationszahlungen fördern eine schlimme Wirtschaftskrise, wodurch die Belegschaften vieler Werke arbeitslos wurden. Der 1909 an der Oberhavel neben dem Kreiskraftwerk ausgehobene Stichkanal erzielt jetzt wirtschaftliche Vorteile. Südlich davon legte man einen zweiten Stichkanal an. Beide liegen im Bereich der Rust Wiesen, die die Stadt aufgekauft und durch Aufschüttungen hochwasserfrei bereitet hat. Sie sollen industriellen Zwecken nutzbar gemacht werden. Der Friedhof an der Gatower Str. Ecke Adamstraße wurde im Jahr 1919 für Beerdigungen geschlossen, eingeebnet und in einen öffentlichen Park verwandelt. Mit den im Jahr 1919 entstandenen Lohntarifen wurde für Arbeiter erstmals der 9 Stunden Tag eingeführt, ebenso eine geregelte Urlaubszeit.

Wegen fehlender Elektrizität wurde 1920 in Spandau angeordnet, dass die Einwohner elektrisches Licht nur von 17 bis 20:00 Uhr einschalten durften. Wegen Kohlenmangels mussten 1920 die Spandauer Schulen schließen. Ab 23.01.1920 wurden Lebensmittelkarten für eine Woche ausgeteilt. Jede Person bekommt 100 g Rindfleisch, 50 g Corned Beef, 100 g Margarine, ein Pfund Marmelade, 1/4 Pfund Teigware. Arme Leute die weder Gas- noch elektrische Beleuchtung hatten, erhielten Petroleummarken für 4 Liter im Monat. Ab Ende Januar 1920 setzte langsam die Inflation ein. Anstelle des mangelnden Kleingeldes gaben die Geschäftsleute in Spandau nunmehr Briefmarken an die Kunden heraus. Am 4. Februar 1920 wurde den gewerblichen Bäckern aufgrund von Mehlmangel das Backen von Kuchen untersagt. Beim Brotbacken werden Haferflocken zugesetzt, um die Mehlknappheit auszugleichen.

Am 23.04.1920 wurde die bisherige Stadt Spandau als Bezirk in ein einheitliches Groß-Berlin eingemeindet. Die bürgerschaftliche Protestbewegung „Los von Berlin“ nahm immer größere Formen an. Das Fernsprechamt in Spandau zählt 1920 immerhin 2100 Teilnehmer. Im April 1920 wurde eine Höchstmietenverordnung eingeführt und eine Neuordnung der Invaliden- und Hinterbliebenenversicherung beschlossen. Die Absicht, den 1. Mai als gesetzlichen Feiertag einzuführen, wird in der Preußischen Landesversammlung mit 168 gegen 136 Stimmen abgelehnt. Trotzdem fand am 1. Mai 1920 eine von allen drei sozialistischen Parteien (SPD, USPD, KPD) gemeinsam veranstaltete Maifeier statt. Die Mitglieder versammelten sich um 7:30 Uhr und begaben sich dann zu ihren vorausbestimmten Plätzen in der Neustadt am Bismarck Platz, in der Altstadt am Alten Rathaus am Markt, um dann mit zwei Musikkapellen, in einem Demonstrationszug zum großen Exerzierplatz an der Wilhelmstr. zu marschieren.

Das Hakenkreuztragen der Schüler wurde von der Schulbehörde untersagt. In den der Stadt gehörigen Rust-Wiesen in der Nähe der beiden Stichkanäle wurde von der Stadt 1920 eine Torfbereitungsanlage errichtet. Der zweigleisige Ausbau der Straßenbahnstrecke nach Hakenfelde – vom Schützenhaus in der Neuendorfer Straße bis zur Goltzstraße – wurde in Angriff genommen. Es wurde öffentlich daran erinnert, dass nach dem Entwaffnungsgesetz vom 7.8.1920 die freiwillige Waffenabgabe seitens der Bevölkerung mit dem 1. Oktober begrenzt ist.

Anlage 2: Fluchthilfe durch die Schwedische Kirche

Den schwedischen Pfarrern und Gegnern der NS-Diktatur, Erik Perwe und Erik Myrgren, wurden von Yad Vashem der Holocaust-Ehrentitel „Gerechte unter den Völkern“ verliehen. Die Art und Weise der Rettung von Verfolgten durch die Schwedische Kirche sowie deren Helfer, die Zusammenarbeit mit Widerstandsgruppen, ihre Logistik und Fluchtwege sind in den Lebenserinnerungen der Gräfin von Maltzan317 festgehalten:

Das Zentrum der „Flüchtlingsorganisation“ war die Krypta der Schwedische Kirche, in der die Verfolgten die Zeit bis zum nächsten Transport verbringen mussten. Den schwedischen Landsleuten der Kirche war es erlaubt, ihr Mobiliar von Berlin in ihre Heimat zu verfrachten. Für diese Transporte wurden an bestimmten Tagen Eisenbahnwaggons der Reichsbahn zur Verfügung gestellt. Mit den nicht gerade hitlerfreundlich eingestellten Eisenbahnern wurden für Naturalien, wie Kaffee und Zigaretten, diffizile Vereinbarungen getroffen. Die Züge wurden in Berlin mit den Möbeln beladen, plombiert und gewogen. Auf freier Strecke hielten die Waggons an verabredeter Stelle. Die Möbel wurden ausgeladen und zerstört, die verfolgten Menschen stiegen in den Eisenbahnwagen ein. Mit mitgebrachten Metallplatten musste das Gewicht der Möbel nachgebildet werden. Anschließend wurde der Zug wieder plombiert und die menschlichen „Schwedenmöbel“ konnten über die Grenze nach Schweden transportiert werden.

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Es gab zwei Polizeiwachtmeister, die mit der Schwedischen Kirche zusammenarbeiteten. Sie waren im gegenüberliegenden Polizeirevier 115 beschäftigt und warnten die Gemeinde vor geplanten Gestapo-Razzien, indem sie die Rollläden der Polizeistation herunterließen. Den beiden Berliner Polizisten Mattick und Friedrich Hoffmann wurde 2003 von der Gemeinde ein Denkmal gesetzt.

Eine zweite Fluchtmöglichkeit wurde über Kontakte zur SS hergestellt. Der Sekretär und Küster der Schwedischen Kirche, Erik Wesslén, verhandelte mit den Nazis und kaufte Juden oder politisch Verfolgte gegen Zigaretten, Kaffee, Schnaps, Butter und Milchpulver regelrecht frei. Die Personen mussten versteckt und mit gefälschten Papieren ausgestattet werden, um sie anschließend aus Deutschland heraus zu schleusen.

1950 kam Heribert Jansson als Pastor in die Gemeinde. Er setzte die zivilgesellschaftliche Arbeit fort und verhalf Menschen aus der DDR zur Flucht in den Westen. Er sammelte Pässe von Studenten in Lund und schmuggelte Menschen aus der DDR. Heribert Jansson hatte diplomatischen Status und benutzte den Grenzübergang Checkpoint Charlie in der Friedrichstraße, um DDR-Personen im Kofferrraum nach West-Berlin zu bringen.

Anlage 3: Meisterschaftserfolge

Jahr Titel Crew Bootsklasse
1927 1. Sieg des FSV-Wanderpreises „Falkenstein“ diverse diverse
1928 2. Sieg des FSV-Wanderpreises „Falkenstein“ diverse diverse
1929 3. und endgültiger Sieg des FSV-Wanderpreises „Falkenstein“ diverse diverse
1937 Berliner Jugend-Meister Gerhard Schäfer/Gerhard Köpp 15qm-Wanderjolle
1966 Berliner Jugend Vizemeister Manfred Richter/Rainer Winkelmann Korsar
1966 1. Sieg des Wanderpreises „Goldenes Mokkaservice“ Heinz Krüger/Klaus Krüger 15qm-Jollenkreuzer
1967 Deutscher Vizemeister Heinz Krüger/Klaus Krüger 15qm-Jollenkreuzer
1967 Berliner Meister Heinz Krüger/Klaus Krüger 15qm-Jollenkreuzer
1967 Berliner Jugend-Meister Manfred Richter/Rainer Winkelmann Korsar
1967 2. Sieg des Wanderpreises „Goldenes Mokkaservice“ Heinz Krüger/Klaus Krüger 15qm-Jollenkreuzer
1968 Deutscher Meister Heinz Krüger/Klaus Krüger 15qm-Jollenkreuzer
1968 Berliner Meister Heinz Krüger/Klaus Krüger 15qm-Jollenkreuzer
1968 3. und endgültiger Sieg des Wanderpreises „Goldenes Mokkaservice“ Heinz Krüger/Klaus Krüger 15qm-Jollenkreuzer
1969 Berliner Meister Manfred Richter/Klaus Großpietsch Korsar
1972 Berliner Jugendmeister Wolf-Dieter Kunze/Marion Kunze Pirat
1969 Europameisterschaft, 5. Platz Wolf-Dieter Kunze/Marion Kunze Pirat
1972 Deutscher Jugend-Vizemeister Wolf-Dieter Kunze/Marion Kunze Pirat
1972 Berliner Meister Heinz Krüger/Klaus Krüger 15qm-Jollenkreuzer
1973 Deutscher Jugend-Meister Wolf-Dieter Kunze/Marion Kunze Pirat
1974 Berliner Meister Klaus Krüger/Guido Liebing Schwertzug-vogel
1974 Berliner Jugend-Meister Marion Kunze/Michael Virgils Pirat
1975 Deutscher Meister Wolf-Dieter Kunze/Wolfgang Nothegge H-Jolle
1975 Berliner Meister Wolf-Dieter Kunze/Wolfgang Nothegge H-Jolle
1975 Berliner Meister Heinz Krüger/Klaus Krüger 15qm-Jollenkreuzer
1976 Berliner Meister Klaus Krüger/Karl-Heinz Schimmel Schwertzug-vogel
1977 Deutscher Vizemeister Wolfgang Schlaak/Jürgen Barth/Manfred Schlaak 20qm-Jollenkreuzer
1979 Österr. Staatsmeister Wolfgang Schlaak/Jürgen Barth/Manfred Schlaak 20qm-Jollenkreuzer
1979 Deutscher Vizemeister Wolfgang Schlaak/Jürgen Barth/Manfred Schlaak 20qm-Jollenkreuzer
1979 Deutscher Meister Heinz Möser (SKN)/Klaus Großpietsch/Dieter Manthey (SKN) 20qm-Jollenkreuzer
1981 Deutscher Jugend-Vizemeister Lutz Lehmann/Frank Thieme 420er
1981 Österr. Staatsmeister, 2. Platz Wolfgang Schlaak/Jürgen Barth/Manfred Schlaak 20qm-Jollenkreuzer
1981 Berliner Meister Peter Luchenberg (PSV)/Lars Rückwardt Varianta
1982 Jugend-Europameisterschaft, 4. Platz Lutz Lehmann/Frank Thieme 420er
1982 Österr. Staatsmeister Heinz Möser (SKN)/Klaus Großpietsch/Dieter Manthey (SKN) 20qm-Jollenkreuzer
1982 Euro-Cup-Gewinner Heinz Möser (SKN)/Klaus Großpietsch/Dieter Manthey (SKN) 20qm-Jollenkreuzer
1983 Deutscher Jugend-Meister Lutz Lehmann/Manuela Virgils 420er
1983 Deutscher Meister Heinz Möser (SKN)/Klaus Großpietsch/Dieter Manthey (SKN) 20qm-Jollenkreuzer
1984 Deutscher Meister Klaus Krüger/Michael Rhodus Varianta
1985 Deutscher Meister Klaus Krüger/Michael Rhodus Varianta
1985 Deutscher Meister Wolf-Dieter Kunze/Michael Dzembritzki/Bernhard Gutsche 20qm-Jollenkreuzer
1986 Deutscher Vizemeister Klaus Krüger/Michael Rhodus Varianta
1986 Berliner Meister Hans Lehmann/Klaus Nitschke H-Jolle
1986 Euro-Cup-Gewinner Wolf-Dieter Kunze/Michael Dzembritzki/Bernhard Gutsche 20qm-Jollenkreuzer
1986 Berliner Meister Lutz Lehmann/Hans Lehmann/Carsten Hopf H-Boot
1987 Berliner Meister Klaus Krüger/Michael Rhodus Varianta
1988 Deutscher Vizemeister Klaus Krüger/Michael Rhodus Varianta
1988 Deutscher Vizemeister Olaf Krüger (SVT)/Andreas Steffenhagen Pirat
1988 Berliner Meister Klaus Krüger/Karsten Krüger Varianta
1988 Berliner Meister Olaf Krüger (SVT)/Andreas Steffenhagen Pirat
1989 Berliner Meister Klaus Krüger/Karsten Krüger Varianta
1990 Berliner Meister Klaus Krüger/Karsten Krüger Varianta
1991 Deutscher Meister Klaus Krüger/Jürgen Mischke Varianta
1991 Berliner Jugendmeister Karsten Krüger/Oliver Bajon Pirat
1992 Euro-Cup-Gewinner Rainer Winkelmann/Bernhard Gutsche/Matthias Schönfelder 20qm-Jollenkreuzer
1993 Deutscher Meister Rainer Winkelmann/Bernhard Gutsche/Matthias Schönfelder 20qm-Jollenkreuzer
1997 Deutscher Vizemeister Wolf-Dieter Kunze/Michael Schnupp/Matthias Schönfelder 20qm-Jollenkreuzer
1997 Deutscher Vizemeister Klaus Krüger/Klaus Braschoss/Stefan Braschoss Nordisches Folkeboot
1997 Deutscher Vizemeister Sascha Schröter/Holger Hoff Pirat
1998 Berliner Jüngstenmeister Maximilian Dzembritzki Opti
1999 Deutscher Hochschulmeister Sascha Schröter/Holger Hoff Pirat
1999 Deutscher Vizemeister Frank Thieme 470er
2000 Berliner Jugendmeister Ines Herbold/Knut Herbold 420er
2001 Deutscher Vizemeister Wolf-Dieter Kunze/Michael Schnupp/Andre Räder (SYC) 20qm-Jollenkreuzer
2002 Deutscher Meister Wolf-Dieter Kunze/Andre Räder (SYC)/Michael Schnupp 20qm-Jollenkreuzer
2002 Deutscher Vizemeister Maximilian Dzembritzki/Fabian Baumgarten (VSaW) 420er
2002 Berliner Meister Rainer Kiewning (DBYC)/Michael Rhodus/Rainer Bogdan (SFC) Nord. Folkeboot
2002 Berliner Meister Klaus Großpietsch/Manfred Richter Varianta
2002 Berliner Mannschafts-Meisterschaft, 3. Platz Klaus Großpietsch/Manfred Richter Nord. Folkeboot
2003 Deutscher Meister Klaus Großpietsch/Manfred Richter Varianta
2003 Weltmeisterschaft, 3. Platz in der Silbergruppe Maximilian Dzembritzki 470er
2004 IDM Meister Frank Thieme/Stefan Schneider 470er
2004 Berliner Meister Klaus Großpietsch/Manfred Richter Varianta
2005 Deutsche Juniorenmeisterschaft, 3. Platz Maximilian Dzembritzki 470er
2005 Deutsche Vizemeister Klaus Großpietsch/Manfred Richter Varianta
2005 Berliner Meister Klaus Großpietsch/Manfred Richter Varianta
2005 Deutschen Meisterschaft, 3. Platz Wolf-Dieter Kunze/Michael Schnupp/Andre Räder 20qm-Jollenkreuzer
2007 Internationale Deutsche Meisterschaft, 3. Platz Wolf-Dieter Kunze/Michael Schnupp/Andre Räder 20qm-Jollenkreuzer
2007 Deutscher Vizemeister Detlef Hegert (RSG53)/Oliver Bajon Pirat
2007 Euro-Cup, 3. Platz Sascha Schröter/Holger Hoff Pirat
2007 Berliner Meister Sascha Schröter/Holger Hoff Pirat
2007 Berliner Vizemeister Karsten Krüger/Rolf Steuer Pirat
2008 Deutscher Meister Detlef Hegert (RSG53)/Oliver Bajon Pirat
2008 Deutsche Jugendmeisterschaft U17, 3. Platz Bianca Schurr (PSB 24)/Katja Steffenhagen Pirat
2008 Berliner Meister Matthias Schönfelder 20qm-Jollenkreuzer
2009 Euro Cup, 3. Platz Detlef Hegert (RSG53)/Oliver Bajon Pirat
2009 Deutsche Meisterschaft, 3. Platz Sascha Schröter/Holger Hoff Pirat
2009 Deutsche Jugendvizemeister Frederic Frantzheld/Roderic Frantzheld Pirat
2009 Deutscher Vizemeister Matthias Schönfelder 20qm-Jollenkreuzer
2010 IDM Vizemeister Detlef Hegert (RSG53)/Oliver Bajon Pirat
2011 Europameisterschaft, 3. Platz Detlef Hegert (RSG53)/Oliver Bajon Pirat
2012 Berliner Meister Sascha Schröter/Holger Hoff Pirat
2013 Europameister Detlef Hegert (RSG53)/Oliver Bajon Pirat
2013 Vizeeuropameister Sascha Schröter/Juliane Hofmann Pirat
2013 Berliner Jugendvizemeister Michael Steffenhagen/Nicolas Thierse (JSC) Pirat
2014 Jugendeuropameisterschaft, 3. Platz Anton Pätzold/Amelie Vogelsang (SCS) Pirat
2017 Berliner Meisterschaft, 3. Platz Rainer Winkelmann/Andreas Steffenhagen Varianta

Anlage 4: Exemplarische Beispiele für Wettfahrtsiege

Jahr Wettfahrt Platzierung
1941 Bezirkswettfahrten 1300 Meldungen, 458 Preisträger. Erfolgreichstes Boot des SCN ist H 760 Willi Maßpfuhl/Willi Klammer318
1948 Frühjahrswettfahrt Rudi Rothermund (1, 3), Arthur Thürer (4), Herbert Heinrich (1, 1, 1), Erich Segeletz (2, 2, 3), Kurt Richter (1, 5) und Erich Karge (2, 2, 2)319
1949 Bezirkswettfahrten 19 erste Preise, 21 zweite Preise, 9 dritte Preise und 4 vierte Preise.320
1950 SCS Jubiläumswettfahrt SCN beteiligt sich mit 18 Meldungen
1953 SV03 Jubiläumswettfahrten Werner Kunze und Kamerad Maßpfuhl ersegeln jeweils 1. Plätze321
1957 Fahrtenwettbewerb des DSV 2. Preis und Goldene Plakette für Heinz Schneider, Erinnerungsplakette für Hans Otto322
1958 Frühjahrs-Bezirkswettfahrten Zwölf 1. Preise, sechs 2.Preise und ein 3.Preis323
1968 Bezirkswettfahrten 22 Boote gemeldet. Werner Kunze gewinnt mit R 841 die 60sm-Wettfahrt als schnellstes Boot über alles324
1969 Mannschaftspreis der Berliner Meisterschaften Stifter ist der Französische Stadtkommandant. Preis geht zum zweiten Mal an den SCN325
1975 Mannschaftspreis und Pokal des Club Nautic Francais 1. Preis durch Wolf-Dieter Kunze, Rainer Winkelmann, Manfred Richter, Bernhard Gutsche und Bernd Rothermund gewonnen326
1996 Berlini Cup des SC Freia Gewinner sind Manfred Schröter/Hans-Jürgen Saegert mit Varianta 65
1997 Berlini Cup des SC Freia Gewinner sind Manfred Schröter/ Hans-Jürgen Saegert mit Varianta 65 bzw. Pirat327
1998 Berlini Cup des SC Freia Gewinner sind Manfred Schröter/ Hans-Jürgen Saegert mit Varianta 65
1999 Segelregatta der Bezirksämter 1. Platz für Manfred Schröters Crew mit Varianta 65328

Anlage 5: Nordstern-Frauen erinnern sich

A5.1 Karin Rüttimann (1990)

Die folgenden Textstellen aus Karin Rüttimanns autobiografischem Roman sind wörtliche Zitate.329 Die Auswahl basiert auf den Abschnitten des Buches, die sich mehr oder weniger offensichtlich auf den Verein beziehen. Für ihr autobiographisches „Ich“ benutzt die Autorin den Namen „Sabine“. Die Zwischenüberschriften sind nachträglich eingefügt und sollen den Kontext verständlich machen. Die Seitenzahlen werden in eckigen Klammern der jeweiligen Seite vorangestellt. Die Alte Rechtschreibung wird beibehalten.

Frühjahrsumzug in die Vereinslaube

„[22]Immer so um Ostern hatte der Wechsel von der Stadtwohnung in die Laube begonnen. Die prallen Taschen und Netze voller Bettzeug, Hausrat und Eßwaren [23]zwischen die Waden geklemmt, wartete die Familie in der Berliner Straße morgens auf die 28er Straßenbahn nach Tegelort, die vom Wedding kam und einen ersten Schwung Fahrgäste in Tegel entließ, Ausflügler, die zur Seepromenade wollten, oder Umsteiger für die Anschlüsse nach Waidmannslust und Hermsdorf. Sitzplätze gab es meist ab „Waldschänke“ und „Alter Fritz“, den beiden Gartenrestaurants am Rande des Tegeler Forstes. Heute gibt es keine Straßenbahnen mehr im Westberliner Stadtbild. Auch die gut ausgebaute intakte Linie 28 ins Grüne wurde bald Opfer ehrgeiziger Wiederaufbau- und Modernisierungspläne. Keine Schonung hatte ihr die Zuverlässigkeit einbringen können, mit der sie jahrzehntelang sicher ihre Passagiere durch jede Tages- und Wetterzeit geschaukelt hatte.

[26]Beim Aussteigen an der Endstation ist das Gewitter ein nur noch hin und wieder über dem Wald kurz aufzuckender Schein und dumpfes, fernes Grollen. Aber die Luft ist schwer von Feuchtigkeit, doch unvermindert warm und riecht nach nassem Sand. Beim „Igel“ schwappt das Blau und Gelb und Rot und Grün der aufgehängten Glühbirnen wie ineinanderfließende Tusche in der Havel. Die Tische auf der Terrasse über dem Wasser sind voll besetzt. Servierpersonal schleppt trotz vorgerückter Stunde noch Tabletts mit Weißen, Mollen und Platten mit Fisch über den Kiesweg vom Restaurant herüber. Von weiter havelaufwärts kommt Musik und von irgendwo auf der anderen Uferseite helles Lachen. Ihre Sommerfreizeit verbringen die Berliner immer noch im Grünen.

Hinter dem „Igel“ beginnt der Fahrweg und birgt Frühlingserinnerungen an die ersten Fahrten nach den Wintermonaten von der Stadtwohnung hier heraus. Sehnsucht und Aufbruch. Noch ganz hoher Himmel und winterblasse Sonne. Aber der Wind mit trunkenem Atem: Farbe. Teer. Holzfeuerrauch. Märzwassergeruch. Hämmern. Sägen. Radiomusik. Rufen.

Wie angeschwemmte Wracks lagerten Bootsrümpfe an den Strandflecken der Sportvereine, sich in der Nässe dehnend. Erst wenn alle Risse und Rillen im wintertrockenen Holz zugequollen waren, wurden die Boote ausgeschöpft und an die Sommerstandplätze gebracht. An den Slipanlagen rumpelten eiserne Motorboote ins Wasser. Vereinzelt setzten noch leere Steggerippe bizarre Uferzeichen. Erst nach und nach wurden sie mit imprägnierten Holzbohlen belegt, zweckmäßig gemacht. Und aus der Ferne das Scheppern der Blechglocke am Fährsteg und das Rufen des Fährmanns. Und als Antwort die Stimme der Oma. Halloo. Halloooo. Während alle den Schritt beschleunigten, daß die Taschen und Netze an den Armen zerrten, gegen die Waden schlugen und in die Kniekehlen stupsten wie jetzt die Plastiksäcke mit der naßschweren Wäsche. Immer schleppten im Frühling Familien wie Lasteselkarawanen Hausrat von der Stadt in die Laubenkolonien am Wasser und im Herbst wieder zurück.

[27]Hier vorne am Fährhaus, wo der Weg das Havelufer zum See abrundet, hatte sich früher ein weiteres Restaurant mit Terrassen ausgebreitet.330 Im Krieg dann, bei einer Bombardierung, war dieser vorstehende Landzipfel mit allen Bauten zerschmettert worden. Jetzt ist die verkürzte Böschung mittels einer Steinmauer befestigt.

Wer ein bißchen mutig und gelenkig ist, springt vom Steg auf die Sitzbank der Fähre und von dort auf die Bodenbretter des vom Aufprall schaukelnden Kahns. Jetzt ist der Fährmann behilflich. Reicht die Hand. Fragt: Wohin so spät des Nachts denn noch, meine Damen, verkauft die Fahrscheine, erkundigt sich nach weiteren möglichen Fahrgästen vom Omnibus, startet dann den Motor, löst das Anlegeende, klemmt sich ins Fahrerhäuschen hinter das Steuerrad und singt dort kräftig gegen das Gedröhn der Maschine an.

[28]Diese nächtlichen Badeexkursionen früher. Vorne am Bootssteg. Zusammen mit anderen Jugendlichen aus dem Segelclub nach einem Kinobesuch oder auswärtigen Tanzfest vielleicht. Gedämpfte Stimmen. Lachen, unterdrückt, ja nicht den Schlaf der Erwachsenen in den vertäuten Booten zu stören und ihren Zorn zu wecken. Und auch, weil es gleichzeitig romantisch, abenteuerlich, aber immer auch ein bißchen unheimlich war, so ohne Tageslicht und Farben.

Einmal, in der Morgendämmerung bereits, tuckerte das Boot der Wasserschutzpolizei schneckenlangsam an ihnen vorbei, strichweise von der Fähre zur Kanaleinfahrt, wieder zurück und immer so weiter durchpflügte es das Revier. Im Heck drückten zwei Beamte ein Gerät ins Wasser, das beim zeitweiligen Hochziehen wie eine übergroße Harke aussah.

Den Fährmann früher kannte Sabine mit Namen. Und der Fährmann kannte Sabines Familie.

[29]Wenn alle Fahrgäste saßen, auch kein Rufen mehr vom Uferweg her zu hören war oder für diesmal das Boot einfach voll, löste Gerhard die Tampen vom Dalben, stieß den Kahn mit den Händen und bei Wind auch mit dem Bootshaken vom Steg ab, setzte sich dann auf die Mittelbank, ergriff die beiden schmalen Riemen, tauchte sie ins Wasser, den Oberkörper weit vorgewölbt, und holte dann schwer zurück, mit Schultern, rund und breit, kein loses Fältchen mehr am Hemd, die ärmel prall gefüllt, gespannte Sehnen am Hals und der Kopf weit zurückgeworfen, ruderte in langen kräftigen Zügen einen großen Halbkreis zum anderen Ufer. Dort legte er in einem dem Fahrttempo angepaßten Moment das Innenpetschel zurück auf den Bordrand, Wassertropfen rieselten auf die Bank, und Passagiere rutschten zur Seite. Dann ließ Gerhard das Boot zum Steg gleiten, berichtigte noch mit dem Außenruder letzte kleine Abschwenker, warf dann den Tampen über den Dalben, ließ wieder etwas nach, das Boot zur Ruhe kommen, holte näher, belegte, kletterte auf den Steg und half den Fahrgästen beim Aussteigen.

[31]Judith gähnt laut, doch durch das Blattwerk der Bäume schimmern schon die beleuchteten Fenster des Clubhauses. Vom Eingangstor her sind einige Figuren an der Theke vor der Rückwand des großen Raumes zu erkennen. Hinter dem Sportgelände und einer schmalen Anliegersackgasse beginnt das Laubengrundstück des Vereins.“

Ausbau der Laube

„Männer der Gründungszeit, zu denen auch Sabines Großvater gehörte, hatten das Brachland in winzige Parzellchen aufgeteilt und mit gegenseitiger Unterstützung kleine Ferienhäuschen für ihre Familien gebaut, alle nach ähnlichem Grundriß: rechteckig unter Spitzdächern, mit Fenstererkern und Anbauten für Gartengeräte und Plumpsklo.

[32]Immer noch bedecken hier oben Matratzen fast den ganzen Boden des Schlafzimmers genau wie früher. Nur die Oma hatte ein richtiges Bett unter dem Fenster. Die Dachschräge war damals mit Sperrholzplatten abgedeckt und mit Märchentapete und Sternenhimmel beklebt. Das vordere fensterlose Zimmer, das nur Licht aus der verstellbaren Holzklappe über der Tür bekam, glich dagegen einer finsteren Piratenhöhle, vollgestopft mit Kommoden, Schachteln, Kisten und Dosen mit Nägeln, Schnüren, Schrauben, Muttern, Angelzeug, Bootsbeschlägen aus einer Zeit vor dem Krieg, als Sabines Opa, an den sie sich nur über Erzählungen und alte Fotos erinnert, noch lebte und es auch ein mehrplätziges Motorboot gegeben hatte. Das liegt weit zurück. Seit fast drei Jahrzehnten herrscht jetzt hier Ordnung, ist der Kinderschatz gewertet und nach Brauchbarkeit sortiert und verteilt. Wie in einer Apotheke stapeln sich die säuberlich beschrifteten Schubläden und Kistchen auf den Gestellen im Geräteschuppen. Jetzt ist der Fußboden mit Teppichen belegt, die Dachschrägen sind mit Kiefernholz paneelt. Trotz Altersbeschwerden hatten die Eltern noch diese Arbeit auf sich genommen, damit Kinder und Kindeskinder sich in den Ferien wohl fühlen sollten. Warm und weich und sauber ist alles. Nur für wilde Spiele viel zu schön.

Und noch etwas ist anders. Früher hatten die großen Pappeln auf der Anliegerstraße zwischen den beiden Vereinsgeländen gerauscht. Im sanftesten Windhauch. Bei Gewittern und Sturm maßen Nina und Sabine durch die Fenster der Veranda die Höhe der silbern kräuselnden Blättersäulen über dem Dach der vorgelagerten Laube ab, ob sie selbst vor den bedrohlich schwankenden Riesen sicher wären oder ob deren Spitzen beim Fallen der Stämme nach Blitzeinschlag die Veranda doch noch zerschmettern würden.

Die Pappeln rauschen nicht mehr. Sind irgendwann einmal in den letzten Jahren rasiert und dann Meter für Meter abgetragen worden, weil sie von innen morsch, hohl, zersplittert [33]waren und so für alles Umliegende eine ständig wachsende Gefahr.331

[37]Auch hier unten haben die Eltern alles neu gemacht. Erst außen und dann innen. Wände tapeziert. Decken verkleidet. Schrankmöbel für mehr Stauraum eingepaßt. Eine Heizung installiert. Einen Brunnen bohren lassen und fließend Wasser in die Küche und den kleinen, neu angebauten Waschraum gebracht. Alles Verbesserungen, die ihnen den Aufenthalt hier mit zunehmendem Alter erleichtern sollen und Kindern und Kindeskindern in den Ferien Freude machen.

[38]Das lärmige Treiben der Kinder gegen das Ruhebedürfnis der Eltern mit ihren von all den harten Daseinsforderungen ramponierten Nerven.“

Vereinsleben

„[42]Untergehakt durchqueren die beiden Frauen das Grundstück des Segel-Clubs. Sabine erinnert sich, daß das früher im Badeanzug ohne überwurf verboten war. Auch das Segeln in Schwimmkleidern war verpönt. Männer, auch Dickwänste in schlabbrigen Turnhosen mit zotteligen Unterhemden, schienen die Sittenmoral nicht zu gefährden, auch ausgeleierte trägerlose Strickrollis über spannenden Büstenhaltern oder einfach nur altersschwach hängenden Brüsten wurden toleriert, Bikinis auf junger Haut hingegen waren anrüchig, unsport[43]lich. Aber richtige Segler trugen sowieso Blau-weiß und herausfordernde Körperteile sittsam bedeckt. Männliche Segler träumten von stürmischen Windsbräuten, wohlgeformten Bootsrümpfen und prallen Segeln. Fürs Gemüt gab’s an der Theke Bier und Korn. Nur spät abends konnte man manchmal dunkle Gestalten über die Boote klettern sehen und leise flüsternd unter den Plandächern verschwinden. Die Masten schaukelten, die leichten Jollen bekamen Schlagseite. Und die Jugendlichen saßen verdeckt unter den schützenden Rutenvorhängen der Trauerweiden am Ufer, wo sie zu solch später Stunde gar nicht mehr hingehörten, und schauten grinsend zu.

So klar ist dieses Erinnerungsbild, daß die Erkenntnis, nun selbst zu dieser damals belächelten, weitentfernten Altersklasse zu gehören, Sabine für einen Moment völlig unglaublich und uneinfühlbar erscheint.

Immer noch die Kaffeekränzchen auf der Clubhausterrasse. Sabine und die Mutter grüßen und gehen weiter. Plötzliches Schweigen im Rücken. Vielen der neueren Mitglieder ist Sabine unbekannt. Und Fremde auf dem Gelände fallen immer noch auf.

Das Wochenendbild der Promenade hat sich nicht sehr verändert. Dicht am Vereinszaun, im Windschatten der Akazien und wilden Rosen, reihen sich auch jetzt noch an Wettfahrtwochenenden die Liegestühle der Regattawitwen. Groschenromane machen die Runde wie eh und je. Immer noch wird gehäkelt und gestrickt. Und wenn die ersten Boote mit den gestreßten Männermannschaften zurückkommen, stehen die Frauen auf den Stegen mit neugierigen Gesichtern, helfen bei den Anlegemanövern, wollen alles möglichst genau über den Fahrtablauf und die Ränge wissen und putzen nachher die Kähne, derweil die Männer oben an der Theke ihr neuestes Seemannsgarn spinnen.

[44]Nur noch eine einzige hochstämmige, weitausladende Weide ziert den Strandplatz des Vereins. Alle anderen sind gefällt oder in Stürmen gestürzt, doch keines dieser typischen Berliner Uferzeichen durch jungen Nachwuchs ersetzt! Dagegen das immer noch ungehindert wild wuchernde Wachstum der Steganlagen hier an der Havelwölbung und in allen Buchten des Sees. Trotz zunehmender Naturschutzbemühungen privater und öffentlicher Art richten andere Interessengemeinschaften weiterhin selbstherrlich mit zu großer Kelle an, immer noch die alten protzigen Menüs: Neuer. Größer. Teurer. Auffallender.

Lächerlich, solch platzverdrängende Luxusjachten und Kolosse auf diesen engbegrenzten Gewässern, zumal Ferien und verlängerte Wochenenden offenbar außerhalb der Stadt verbracht wurden, denn sonst ginge es hier doch lebhafter zu.

Nichts erinnert mehr an das turbulente Treiben früher. Am Ufer. Auf dem Steg. Kinder. Jugendliche. Erwachsene. Rufen. Kreischen. Lachen. Hintereinanderherjagen. Wasserspritzen.“

Stegmodernisierung

„Vor ein paar Jahren ist der Hauptsteg des Vereins neu überholt worden. Dabei mußten die terpentingetränkten Holzbohlen, die im Winter immer überholungsarbeiten beanspruchten, wartungsfreien Gitterrosten aus verzinktem Eisen weichen.332 Großzehenfänger, hatte die Mutter damals vor dem ersten Betreten gewarnt, dazu scharf wie Messerkanten. Zieht euch Schuhe an, womöglich bleibt ihr sonst beim Gehen mit den Zehen hängen. Ihr wärt nicht die ersten. Sabine hatte abgewehrt. Ihre Füße waren vom vielen Barfußtanzen abgehärtet. Doch schon nach wenigen Metern auf den [45]scharfkantigen Waben fühlte sie sich wie eine großmäulige Fakirschülerin, die nun für ihr Protzen zahlte. Die Gitter sind praktisch. Ohne Zweifel. Sand vom Gehweg bleibt nicht mehr an den Schuhsohlen hängen und zerkratzt dann die Decks der Boote. Die Imprägnierungsarbeiten der Holzschwellen fallen ebenfalls weg. Und so haben sich die Mitglieder daran gewöhnt, für ein paar Stunden weniger Winterarbeit auf einige Annehmlichkeiten und Bequemlichkeiten im Sommer zu verzichten. Denn auch zum Sitzen sind die Roste nicht geeignet, und für Sonnenhungrige und Badefreunde ist der Platz vorne am Stegkopf auf ein nur handtuchbreites Stückchen alten Holzbelags geschrumpft.

Die alte Erinnerung noch einmal lebendig werden lassen! Kinder rennen über den Steg. Vergessen im Spiel ihre jetzt gemarterten Fußsohlen. Eines schubst ein anderes über den Rand ins Wasser, doch das bleibt beim Sturz tatsächlich mit dem großen Zeh im Rost stecken.

Ob die bereits ein bißchen morschen, faserigen Bohlen vom kleinen schmalen Slipsteg dagegen noch die alten sind? Hier, am vordersten Stützpfahl, hing Schneewittchen im Wasser.

Natürlich hatten auch die Kinder im Club noch nie eine so riesige Puppe wie die von Tante Tussi gesehen. Dementsprechend mager waren auch die Spielvorschläge. Aufs Bett setzen. Neue Kleider nähen. In einen Puppenwagen setzen, denn zum Hineinlegen war sie wohl zu lang und die Anschaffung eines richtigen Kinderwagens sicher zu teuer. Wer wohl auf die Idee gekommen war, ihre Schwimmfähigkeit zu testen?

[54]Ja. Das Wasser mußte sie mit den Eimern aus der Nachbarsiedlung holen, weil die Leitung im Club drüben winterdicht gemacht worden war. Und einsam sei es schon. Ja. Auch der Weg über den Berg durch die Behelfsheimsiedlung zur Straßenbahn mühsam, mit den aufgeweichten Sandpfaden.“

Nachkriegszeit

„[55]Die Hochzeit wurde von Tussi dann mit allem nur möglichen Pomp aufgezogen. Lebensmittelkarten gesammelt. Auf dem Schwarzmarkt gehandelt, auf frag mich nicht welchen Wegen Fleisch, Mehl, Geflügel und Getränke ergat[56]tert. Das Strandschlößchen unten am See gemietet und eine Musik bestellt. Prunkvolle Feste waren so ein Spleen meiner Cousine. Dann mußte Heinz grad wieder einrücken, bekam den Bauchschuß. Nach der Heilung verbrachten wir die verspäteten Flitterwochen auf Usedom im Ferienhaus von Tussi, mit seiner Verletzung konnte er nämlich zu Hause bleiben und bekam auch noch ein Stipendium. …

Und dann gab’s so viel zu tun und so wenig Zeit, an Liebe zu denken. Du weißt, wir bombten aus und mußten mehrmals die Notwohnungen wechseln. Ich ging außerdem arbeiten. Nachts die Fliegeralarme. Immer runter in den Keller und wieder zurück. Nach dem Ausbomben die Möbel retten. Immer wieder neue Unterkünfte suchen. Opa kam zu allerletzt noch in den Volkssturm und fiel. Dann, nach Kriegsende, die Besatzungsmächte. Laube und Motorboot beschlagnahmt. Die Laube bekamen wir später wieder zurück, aber alles war nun sehr vernachlässigt und reparaturbedürftig nach all den Jahren.“

Kinder im Verein

„[66]Wie sich die Zwillinge jedes Jahr neu auf die Ferien hier freuen. Und auf die Spiele im Club. Obwohl alles ganz anders ist als früher und nicht mehr so, wie sie es von Sabines Erzählungen her kennen. Keine großen Kindercliquen mehr im Club und den Nachbarvereinen. Keine halbzerfallenen Gebäude, dicken Kletterbäume. Langweilig ist das Gelände geworden für Kinderphantasien.

Sabine steht auf und läßt dabei den Blick über die Gartenanlage des Clubgeländes schweifen. Kaum noch Bäume, ge[67]schweige denn Sträucher und Büsche. Die Zaunhecke zu platt gestutzt. Der Rasen zu eben gemäht. Aber dann sickert doch, völlig unerwartet jetzt, ein bißchen vertraute Erinnerungswärme durch die Kälte der Enttäuschung über den Charakterverlust dieser einst so schön wilden, nun nur noch funktionstüchtigen Landschaft. Eine Schaukel! Eine echte Schaukel! Nicht so ein kleines zivilisationskrankes, mickriges Ding aus Plastiksitz und Ketten an einem metallenen Mehrzweck-Spielgerät für Kinder im Vorschulalter, sondern zwei starke, lange Seile vom hohen Ast der Kastanie mit einem Holzbrett als Sitz. Seit Jahren ist Sabine so eine nicht mehr unter die Augen gekommen.

[68]Wenn nicht gesegelt wurde, wegen Flaute oder Regen oder zuviel Wind, gab’s immer pünktlich mittags ein Uhr Essen, danach bis drei Mittagsruhe auf den Kähnen, wo Väter unter den Persennings schnarchten und die Mütter meist strickten und immer »psst« machten und mit den Händen nervös wedelten, wenn die Bewegungen ihrer Kinder das Boot ins Schwanken brachten oder zu laut geredet wurde. Und abends die gleich straff organisierte Zeremonie. Nachtessen. Geschirrspülen. Wasserkanister auffüllen. Am Wasserhahn hinter dem Bootsschuppen waschen. Zähneputzen. Aufs Klo und dann ohne weitere Fisematenten ab in die Koje.

Väter lachten fast nie mit Kindern. Das sparten sie auf für die Bier- und Kornrunden an der Theke.

Väter beugten sich nicht zu Kindern hinunter oder gingen in die Hocke, sondern reckten sich nur noch mehr in die Länge und rollten die Augen nach unten, blickten knapp über Lidrand, Wange und Bauch herab. Väter mußten immer pünktlich essen und was Richtiges in den Magen kriegen. Nicht nur Pudding oder Kirschkompott, son labbriges Zeugs. Davon wurden Väter nicht satt.

Väter mußten nach dem Essen segeln oder ruhen.

Väter liebten gehorsame, gewaschene Mädchen und laute, wilde Jungs. Väter wollten Söhne – und in Ermangelung solcher dann eben Töchter – mit erstklassigem Seglerehrgeiz und zeigten sonntags ihren Familien, wie man regattataktisch Kreuzschläge plant.

All die verheulten, trotzigen Kindergesichter, wenn die Boote abends von den Törns zurückkommend in ihre Stände einliefen. Und die Mütter. Verschlossen. Müde. Mit geschickten Händen putzten sie die Kähne, fegten den Wochenendsand vom Lack, schwenkten die Pinkeleimer im Wasser, trugen das Mittagsgeschirr nach oben zum Wasserhahn. Der-

[69]weil die Väter unter Leidensgenossen im Clubhaus an der Theke ihren Wochenendfrust aus der Kehle brennen mußten.

Väter mochten auch keine Tränen. Wollten nicht weich werden. So einfach konnte man sich das Leben nicht machen – nur so alles wegspülen. Väter redeten von Disziplin und Arbeitswillen. Sich die Sporen verdienen. Wer befehlen wolle, müsse auch gehorchen lernen. Und schimpften an der Theke über ihre Arbeit und ihre Vorgesetzten und verrichteten, wenn’s allzusehr drängte, ihre flüssige Notdurft unter den Bäumen vor dem Clubhausaufgang, was für die nächsten Tage dem Rasen ein gelbfleckiges Brandmuster verlieh.“

Wirtschaftswunder

„[82]Dagegen die äußeren Entwicklungen!

Die Erwachsenengespräche. Schon jene ältesten Erinnerungen Sabines an hier waren durchwoben von Stoßseufzern über den Verlust irgendeiner früheren »guten alten Zeit« und die nun anscheinend im Gegensatz dazu völlig »zerfallene Ordnung«. …

Erst als Bestrebungen der fünfziger Jahre einsetzten, die offenbar richtige Ordnung nach altem Erinnerungsmuster der Erwachsenen wieder neu herzustellen, begann für Sabine die Unordnung. Schon die äußeren Anzeichen verschafften Unbehagen!

Die Boote wurden immer länger und breiter. Zeit, die vorher in Gesprächen, kleinen Festen, kameradschaftlichen Wochenendtörns auch von den älteren Mitgliedern einigermaßen entspannt genossen wurde, wurde in Pflege- und Putzarbeiten der teuren Anschaffungen investiert. Was Spannungen in bisher ganz zufriedene Familien oder gut funktionierende Regattamannschaften brachte.

Auch die Kleidung wurde zusehends kostbarer und vielfältiger und fleckenfreier. Das spontane, natürliche und daher unvorsichtige Bewegen somit eingeschränkt. Dafür gab es zur Ausübung des gepflegten Wassersports nun Turnierrichtlinien.

Das Clubgelände wurde gestutzt und geschniegelt. Das Clubhaus renoviert und mit schonungswürdigem, dafür gut repräsentierendem Mobiliar ausstaffiert.

Für die Erhaltung all dieser Modernisierungen leisteten [83]die aktiven Mitglieder Arbeitsdienst. überhaupt hielten Vorschriften, Statuten, Regelungen, Sitzungen Einzug ins Vereinsleben und strafften das Nachkriegs-Epikuräertum. Auch die Jugendlichen wurden als Gruppe zusammengefaßt und für seglerische Betätigung nun erzogen. Hatten jetzt einen festen Platz im Gefüge der Clubgemeinschaft.

Aus den Gesichtern vieler Erwachsener wichen die schönen markanten Konturen. Gold glänzte an den Handgelenken der Frauen so dick wie Hundeketten. Auch phantasievoll selbstkreierter und gebastelter Halsschmuck verschwand. Zwischen Brüsten baumelten nun in der Sonne blinkende, immer irgendwie gleichaussehende, nur größenmäßig und somit sichtbar wertmäßig unterschiedliche goldene Geldstücke. Neben dem Clubzaun begannen sich die Autos zu reihen. Die Wochenendverpflegung wurde immer öfter aus den neuen, billigen Discountgeschäften der Stadt im Auto mitgebracht, so daß die beiden Kolonialwarenläden zwischen den Siedlungen, die früher sogar sonntagmorgens geöffnet hatten und Sammelpunkt aller möglicher Lokalinformationen und Neuigkeiten waren, schließen mußten.

Bei ihrer Rückschau jetzt aber erscheinen Sabine diese Vorgänge auch als Teil des Ganzen. Die Entwicklung im Verein also deutsche Nachkriegsgeschichte als praktisches, gut verständliches Lehrstück auf engen Raum und überschaubare Verhältnisse reduziert. Da paßt es auch hinein, daß es ihr gleichzeitig so vorkommt, als wäre damals eine Sucht geboren, Zeit, vor allen Dingen Frei-Zeit, in den Griff zu bekommen.

So wurden die früher oft aus einer fröhlichen Stimmung heraus improvisierten Tanzfeste im Club von Jahr zu Jahr seltener. Das Geld dafür nun im neuen Verständnis sinnvoller ausgegeben und angelegt, was dermaßen sichtbare Unterschiede schuf, daß die Clubmitglieder immer weniger ungezwungen in alle Richtungen miteinander verkehrten. Denn manchen Leuten ging es nun wieder gut, anderen leider noch immer schlecht, und bei einigen schien bereits damals absehbar, daß sie doch nie mehr was Rechtes werden wollten. Diese Entwicklung nannten sie dann „fortschreitende Lebensqualität“.

[86]Rückkehr hierher in die Laube. Und so würde Zeit vergehen, ungenutzt, Stunde für Stunde, Tag für Tag. Statt weiterhin zu verdrängen, zu verschieben, um dann die Mitteilung auch noch zu zersplittern, wäre das jetzt nicht möglich – aufstehen, den Platz zum Tisch hinüber wechseln. Kirschkuchen auf den Teller häufen. Ein Stück mit der Gabel abtrennen und zwischen erstem und zweitem Biß wie beiläufig noch einmal Björns Regentonnensee zum Gespräch machen, über Enten zum Wassersport wechseln, dann behutsam ausdehnen. Segeln, Segelferien. Küstentörns. Atlantiküberquerungen, die anscheinend eine langweilige, zermürbende Sache sind, immer Passat von achtern und ständiges Schiffsrollen über quergehende Dünung, die ganze Zeit, ein, zwei oder auch drei Wochen lang, ab den Kanarischen oder Kapverdischen Inseln hinüber in die Karibik oder zu den Bermudas.“

Fußweg durch den Sumpf

„Zur Bushaltestelle führen verschiedene Wege.

Sabine kennt alle. Die Straße zwischen den Wassersportvereinen entlang. Den Fußweg durch die Laubensiedlungen hinter dem Berg. Und all die dazugehörenden Abzweigungsvarianten.

Sie hat die Richtung zum kleinen Sumpf eingeschlagen. Früher konnte diese morastige Wildnis nur durchqueren, wer es wagte, lang ausgreifend von einem festen Grasbüschel zum [87]anderen den schwarzgluckernden Untergrund zu überspringen. Jetzt ist ein Graben gezogen. Ein kleiner verschilfter See angelegt. Das Gelände mit Fußwegwällen begehbar gemacht. Sitzbänke verstärken das Parkanlagenimage. Die Erlen werfen immer noch geheimnisvoll düstere Schatten. Doch das Hexenhaus an der Wegkreuzung zur ehemaligen Behelfsheimsiedlung erinnert nicht im entferntesten mehr an das, was einmal war. Die vergammelte dunkelrote Holzlaube ist jetzt gefällig hergerichtet und hell gestrichen. Die Rasenflächen sind gestutzt. Blumenbeete und Rosenrondelle säuberlich mit Steinkanten eingefaßt. Keine prickelnden Schauer mehr, keine Gänsehaut beim Näherkommen!

Dicht zugewachsen war hier früher alles. Nur von der Gartentür her ein schmaler Zugang mit Vorplatz zum Haus frei aus zersprungenen, unkrautüberwucherten Steinfliesen, in denen Kisten voll fremdartiger Kräuterpflanzen, ein Holzgestell mit mächtigem Schleifstein, Krüge, Töpfe und rostige Gartengeräte Wurzeln geschlagen hatten. Die Fenster waren stumpf von Sand und Staub, und immer hing etwas Streng- Süßes in der Luft, das auch zeitweilig untergemischte Essensgerüche nicht verdecken konnten. Außerdem gab es Katzen. Verschiedenfarbig und überall. Auf den Fensterbrettern. Im Gestrüpp. Auf dem Dach. Auf den Zaunpfosten. Das ganze Grundstück ein Schlaraffenland für abenteuerliche Kinderphantasien.

[167]Noch einmal mit dem Rhönrad hier über die breiten Rasenflächen rollen. Wie damals, als der Schulsporttag in den Uferpark-Anlagen stattfand, weil die Turnplätze der Umgebung noch beschädigt waren. Künstlich wirkt der Promenadenaufgang jetzt von der Stadt her. Abgezirkelt. Begradigt. Verpflastert. Eingerahmt. Auf dem Reißbrett geplant.“

Havelinseln im Winter

„Ein dünner Dunststreifen liegt über dem Wasser. Darauf schwimmt Hasselwerder wie eine Fata Morgana. Nicht zu erkennen, ob es den Fährsteg noch gibt. Und daneben das kleine Restaurant. In Scharen hatten sich die Schulkinder an heißen Sommernachmittagen auf das kleine Kursschiff hinüber zur Badeinsel gestürzt. Und es abends genauso für die Rückfahrten vollgestopft. Jetzt befindet sich die Insel in Privatbesitz und wirkt ziemlich leer und still.

Auch diese Völkerwanderungen im Winter. Hier vor dem Ufer. Wenn der See zugefroren war. Und dieser späte Nachmittag. Sabine und eine Schulfreundin. Die etwa vierjährige Nina an den Händen zwischen sich, hatten sie gewagt, über

[168]Hasselwerder hinwegzustiefeln. Sich auf das Abenteuer Lindwerder einzulassen, weil man im Sommer dorthin ohne eigenes Boot nicht kam und natürlich auch der Name, den die Erwachsenen dafür auch noch hatten – Liebesinsel –, wie ein Magnet wirkte. Aber dieser Weg lehrte alle drei ein bis dahin unbekanntes Fürchten. So weit weg vom Trubel aller anderen Spaziergänger. Das Eis hatte sich verändert, war spiegelglatt und blauschwarz unter den Schuhen geworden, und mit zunehmender Dämmerung rückten die Ufer in immer weitere Ferne. …

In jenem Frühling Mitte der siebziger Jahre nämlich hatte die Eisschmelze einen Teppich silberner Fischleiber an die Wasseroberfläche gebracht. Auf der Suche nach dem Grund der Unterwassertragödie wurde entdeckt, daß der See im Schlamm erstickte. Jetzt blubbern Sauerstoffpumpen vor den Ufern. Schlamm wird an verschiedenen Stellen abgesaugt, der von der DDR her stark verschmutzte Nordkanal seit ein paar Jahren vor dem Zufluß geklärt. Und beim Fließ ist eine Entphosphatisierungsanlage entstanden. Aber was in Jahrzehnten verdorben wurde, kann sich nicht in so kurzer Zeit regenerieren.

[173]Nur ganz wenige Menschen sind um diese Zeit unterwegs. Zwei Männer auf den Straßen zwischen U-Bahnstation und Promenade. Hinter der Sechserbrücke stieg eine Frau aus einem Auto und verschwand im angrenzenden Garten. Seither ist Sabine niemandem mehr begegnet. Weder am Ufer entlang der Malche, vorbei an den Wassersportvereinen, noch auf dem Schwarzen Weg bis zum Forsthaus. Zwischendurch hatte sie sogar ein bißchen Angst verspürt vor dem möglichen Zusammentreffen mit anderen in dieser weitläufigen Einsamkeit.

… So sehr vertraut war dieses Stückchen Erde.

Als Kind hatte sie mit der Oma hier Brennholz gesammelt. In der großen Kohlentasche. Manche Sommernachmittage waren sie auch genau denselben Weg mit dem Badezeug bis zur freien Strandstelle am Forsthaus gelaufen. Und dann die Osterspaziergänge, wenn aus dem roten Laub der Buchen und dem schon grüngesprenkelten Untergehölz die bunten Eiernester lockten. Nach den Märchen der langen Winternächte wirkten knorrige Stämme und Wurzeln noch geheimnisvoller als in der späteren Jahreszeit.

[175]Die Sonne steht jetzt in der Lichtung an der Lieper Bucht schon unerwartet hoch am Himmel. Beim Restaurant am Forsthaus regt sich was. Ein Fenster wird geöffnet. …

Wie es den Kindern ging? Nahmen die bereits ihr erstes morgendliches Havelbad? Wasserratten waren sie alle drei.

[178]Der Uferweg ist jetzt abgeschnitten. Macht einen scharfen Knick und führt neben dem Zaun des Strandbades hinauf zum Schwarzen Weg, wo auch der Haupteingang liegt.

… Leb jeden Tag, als wär’s der letzte, nicht so traurig, sondern so bewußt – dieser Lebens-Leitsatz der Großmutter!“

A5.2 Gerda Scholle (1995)

Die folgende Text ist eine wörtliche übernahme aus der Festschrift zum 75. Jubiläum des Vereins.333 Die Alte Rechtschreibung wird beibehalten.

„Es muß im Jahre 1930 gewesen sein, als mein Vater, Alfred Litzke, in den damaligen Wassersportverein Nordstern eintrat.

Der Verein war gerade auf das heutige Gelände umgezogen und hatte nur das alte Jugendhaus mitgebracht. Später kamen der große Bootsschuppen und das Garderobenhaus mit Winterkantine und Plumpsklo dazu.

Um das Wassergrundstück zu pachten, mußte der Verein das Hinterland mit hinzunehmen. Ursprünglich war dort an Trainingsmöglichkeiten mit kleiner Sporthalle für die Winterzeit gedacht worden. Durch die Finanzknappheit, viele Mitglieder waren arbeitslos, kam man 1931 auf die Idee, es in einzelne Parzellen aufzuteilen und an Interessenten zu vergeben. So entstanden die Häuschen. Höhe und maximale Größe waren vorgeschrieben. Man benötigte einen Bauschein der Baupolizei zur Errichtung einer „Gerätelaube mit Feuerstelle“. So entstanden auch diese Häuschen in der Hauptsache durch Eigenarbeit mit Hilfe der Sportkameraden.

Es war damals ein reiner Männerverein. Frauen und Mädchen konnten keine Mitglieder werden, das ergab sich wohl erst um 1950. Auch gab es im Verein keine ausgesprochene Jugendgruppe. Junge Leute fuhren bei den Schiffseignern als Vorschoter mit und waren dafür verantwortlich, daß das Boot am Sonntag sauber und abfahrbereit war.

Erst um 1935 kam eine Gruppe Marine-HJ in den Verein. Diese Jungen wurden von einer Regierungsstelle zugeteilt und es war nicht möglich, sich zu widersetzen, zumal wir ein „Arbeiterverein“ waren, was aber nicht ausschloß, daß selbständige Geschäftsleute, Beamte und Angestellte Mitglieder waren. Unser Stander mußte verändert werden, da in dem alten ein fünfzackiger Stern war, und wir hießen dann Segel-Club Nordstern.

Im Sommer war die Kantine in dem vorderen Teil des Schuppens untergebracht. An der Längsseite der Theke versammelten sich die Männer, tranken Bier, unterhielten sich, machten ihre Witze und sangen ihre mehr oder weniger lustigen Verse. Es war immer eine fröhliche Gesellschaft. Die Frauen saßen an Tischen (einfache Gartenstühle und Tische, manchmal aus irgendeinem Gartenrestaurant mitgenommen), machten das Abendbrot zurecht, mitgebrachte Stullen, Salat, Thermosflaschen mit Kaffee. Einige hatten im hinteren Schuppenteil schon Kochkisten und Spirituskocher. Geschlafen wurde in den Booten (wer konnte), es waren ja fast alles Jollen, die anderen fuhren nach Hause und kamen am Sonntag früh wieder.

Manchmal fiel es den Männern ein, am Sonnabend noch wegzufahren. Die größeren Motorboote, Wilhelm Paulisch mit seiner ‘Ursula-Inge’, Erich Karge mit seiner ‘Heidi’, vielleicht auch Segelboote mit Seitborder. Die Musikinstrumente, Akkordeon, Teufelsgeige, Pauke (aus einem Holzfaß) wurden an Bord gebracht und ab ging es zu „Tante Trudchen“ oder ins „Storchennest“ in Heiligensee. Wenn es dann in den Sonntagmorgenstunden wieder zum Vereinsgelände zurück ging, griff man sich eine Decke und holte ein paar Stunden Schlaf im Freien nach.

Oft wurde sonnabends bei uns Musik gemacht, von unserer Hauskapelle. Dann hing ein Schild am Schuppen: „Kapelle Kermbach spielt heute nicht, dafür wir!“ In der ersten Zeit wurde auf der blanken Erde getanzt, später dann ein Holzboden verlegt und zu den Sommerfesten hatten wir immer eine mehrere Mann starke, richtige Kapelle. Meistens machte Erich Karge den Tanzmeister und wer wollte und konnte, brachte irgendwelche lustigen Einlagen.

Vor 1933 kam einmal im Jahr eine andere Wassersportvereinigung zu Besuch. Sie schlugen auf dem Clubgelände Zelte auf und wohnten übers Wochenende darin. Im Aalemannkanal machten sie wunderschöne Schwimmvorführungen (heute sagt man wohl Wasserballett). Die Sonnenwende wurde gemeinsam mit den Wannseeaten und anderen Vereinen am Rust gefeiert. Ein großer Holzstoß wurde auf der jetzigen Promenade, die früher reiner, tiefer Sand war, angezündet. Wenn das Feuer runtergebrannt war, sprangen die jungen Leute meist paarweise hindurch. Es gab viel Spaß. Vorher stieg Neptun aus dem Wasser, dazu gab es eine Menge lustiger Spiele.

Wenn irgend ein Verein auf dem Rust ein Vergnügen hatte, war es selbstverständlich, daß man hinging. Auch das Badeleben am Steg kam nicht zu kurz. Das Wasser war klar. Wir hatten am Stegkopf eine Tiefe von etwa 3m, der Grund war heller Sand. Wir Jugendlichen legten unseren Ehrgeiz daran, ins Wasser gefallene Gegenstände wiederzufinden, Besteckteile, Zigattenetuis, einmal sogar einen Trauring.

Nur unser damaliger Vorsitzender, Hans Richter, besaß ein Auto. Als einmal ein Vergnügen in „Pepita’s Ruh“ stattfand, an dem wir gerne teilgenommen hätten, hat er uns dorthin gebracht. Er ist ein paar Mal hin und her gefahren, da der Weg mit Absatzschuhen durch Sand und Wald beschwerlich war. Hinter unserem Grundstück begann der Wald und ging bis zur Straßenbahn und zum Schützenhof.

Für uns Kinder war damals der Verein wie Familie, man freute sich montags schon auf den Sonnabend. Wir hatten Sonne, Wasser, Sand, Musik und Spaß.

Als Mädchen war man auf die Jungen angewiesen, die entweder schon über ein eigenes Boot verfügten oder deren Eltern die Benutzung erlaubten oder auch die Bootseigner, die ihren „Lehrlingen“ den Gebrauch gestatteten. Wir durften dann als Fockaffe mitsegeln und haben dafür gerne hinterher das Boot gewienert.

Wenn wirklich mal bei uns nichts los war, fuhren wir mit dem Arbeitskahn auf die Tegelorter Seite, machten ihn dort fest und ab ging es nach Konradshöhe in die Feengrotte zum Tanz. Die Jungens paßten auf, daß ihnen die Mädchen nicht abhanden kamen. Natürlich wurden auch Regatten gefahren, aber sie waren meist auf die Oberhavel begrenzt. Die Vereine am Tegeler See, der Spandauer Segel-Club und die Jörsfelder. Später kamen dann Stößensee und die Unterhavel dazu.

Zu Pfingsten fuhren wir zur Pinnower Schleuse. Die Motorboote nahmen die Segler in Schlepp bis zur alten Schleuse. Dort verbrachten wir die Feiertage. In den späteren Jahren ging es dann weiter nach Neuruppin, ebenfalls durch den Kanal im Schlepp bis zur alten Gasanstalt. Dort fanden dann die Pfingstregatten auf dem Ruppiner See statt. Den Abschluß brachte ein großes Fest mit Preisverteilung und großem Feuerwerk auf dem Wasser. Am zweiten Feiertag ging es wieder heimwärts. Einige, die anschließend Urlaub hatten, fuhren weiter, ihren Ferienzielen zu.

Wenn die Saison zu Ende war, kam das Absegeln. Wer Spaß daran hatte verkleidete sich und die Boote mit ihrer bunten Besatzung fuhren zu dem Verein der Gruppe Tegel, der das Absegeln ausrichtete. Es war immer eine feucht-fröhliche Angelegenheit und so mancher Wasser-Fall wurde vermerkt.

Es war eine schöne Zeit, nicht so sehr auf den Sport fixiert wie heute, wo die Regatten der einzelnen Klassen sich über das Land verteilen und auch das Ausland einbegriffen ist, außerdem bei jedem Wetter gefahren wird. Das alte Material, Baumwollsegel, konnte gar nicht so schnell getrocknet werden, wenn mal Regen kam. Der Schuppen reichte dann oft nicht aus, alles Zeug aufzuspannen. Auch die Holzboote brachten Schwierigkeiten, wenn die ganze Woche die Sonne knallte und sie über der Wasserlinie durchlässig wurden. Eine Konservendose mußte immer an Bord sein.

Wenn dann alle Boote Winterschlaf hielten, kam der große Seglerball und dann war es auch bald wieder Frühling. Die Boote wurden geschliffen, lackiert und eventuelle Reparaturen oder Veränderungen vorgenommen, es roch nach Wasser, Farbe und Lack und die Freude auf den kommenden Sommer war wunderschön.“

A5.3 Renate Schröter (2020)

Renate Schröter ist im Club großgeworden und hat ihre Erinnerungen wie folgt niederschrieben.334

„Meine Erinnerungen beginnen mit dem lästigen Mittagsschläfchen unter den Bäumen neben meinem Vater Kurt. Der brauchte nur einigermaßen waagerecht zu liegen und schon schlief er. Gern schlich ich mich dann davon, um meinen Kinderspielen nachzugehen.

Mein Vater Kurt – immer schon begeisterter Segler – hatte das große Glück eine Ehefrau gefunden zu haben, die gerne an diesem Sport teilnahm. Wir wohnten damals in Wilmersdorf und waren stets motorisiert: Motorrad mit Beiwagen, Pkw der Marke Goliath und diverse Opels gehörten uns nacheinander.

Kurt hatte zunächst die O-Jolle 493 und wenn wir Kinder mit ihm segeln gingen, wurden wir als Nichtschwimmer mit einer Brustleine am Boot angebunden. Abends wurden die Matratzen ausgeklappt und die O-Jolle zum Schlafen hergerichtet. Mein Bruder Manfred schlief als Kleinkind in einer Hängematte unterm Großbaum. Klaus Braschoß – als Segellehrling bei meinem Vater – hat oft unsre Betten gemacht.

1953 kauften meine Eltern einen 20qm-Jollenkreuzer, der allerdings einige Schönheitsreparaturen benötigte. Dank vieler helfender Hände von Kameraden mit Bootsbauerfahrungen kam ein ansehnliches Schiff zustande. Bis 1975 war „Scholli II“ der Dreh- und Angelpunkt unseres Familienlebens. Mittags wurde an Bord mit einem Gaskocher gekocht, der in einer Backskiste verstaut war. Auch ein Kühlschrank mit Stangeneis war vorhanden, der später mit Gas betrieben wurde.

Im Verein erinnere ich mich an die erste Kantine, die damals Sommerkantine genannt wurde. Sie befand sich in der Bootshalle etwa da, wo heute die Werkzeugkammern sind und die Klapptische und Bänke lagern. Der Boden der Bootshalle bestand aus Sand.

Auf der südlichen Schuppenseite, zwischen den Türen, gab es für Mitglieder, die keine Laube und kein größeres Boot hatten, die sogenannten Kochkisten. Auf linoleumbezogenen Brettern standen Gaskocher und Kisten mit Geschirr und Töpfen. Später – wohl aus brandschutztechnischen Gründen – wurden die Kochkisten nach draußen verlegt. Sie standen am Grundstückszaun zwischen Bierkeller und Jugendhaus, heute etwa dort, wo sich die Toiletten des Garderobenhauses befinden. Der Bierkeller war ein halb in die Erde eingelassenes Gebäude, ca. 3 m x 3 m im Quadrat und 2 m hoch. Er diente zum Kühlhalten von Flaschen- und Fassbier und wurde später auch als Motorenbunker genutzt.

Das erwähnte Jugendhaus war das erste Klubhaus des Vereins, das 1930 per Floß zu den Rustwiesen verbracht wurde. Nachdem die große Bootshalle, ein Abrissprodukt einer Spandauer Werft, auf dem Vereinsgelände neu errichtet war, wurde der Bau des Garderobenhauses in Angriff genommen. Dazu wurde im Anschluss an das Jugendhaus ein neues Gebäude errichtet, in dem die Garderobenschränke standen und ein „Donnerbalken“ für Männlein und Weiblein vorhanden war.

Die Schränke waren ca. 1,2 m breit und besaßen ein Regalteil. Davor war eine klappbare Bank angebracht, die darunter auch noch Stauraum hergab. Oben auf den Schränken konnten Planen und Latten gelagert werden. Gerne wurden sie von uns Kindern auch als Versteck genutzt.

Wenn im Winter die Boote im Schuppen lagerten, wurde im äußersten rechten Teil der Garderobe die Winterkantine geöffnet. Es gab einen Schankbereich, der sich mit einer Jalousie verschließen ließ. Die Weihnachtsfeiern fanden zu der Zeit im „Waldschlösschen“ in der nahe gelegenen Waldsiedlung statt. Mein Vater Kurt hat ca. 12 Jahre den Weihnachtsmann für die Nordstern-Kinder gespielt. Mir ist irgendwann aufgefallen, dass der Ehering des Weihnachtsmannes genauso eingewachsen aussah wie bei meinem Vater.

Der Slipgang hatte vor dem großen Schuppentor eine Drehscheibe, auf der wir Kindern auch gerne spielten. Um die Boote auf die jeweiligen Böcke zu heben, benutzten die Männer diverse Holzstangen. Später erfand Rudi Herrmann den Hubwagen, der, mit Pressluft betrieben, auch heute noch seinen Dienst tut.

In der Blütezeit des Vereinslebens am Rust gab es in den Laubenkolonien zwischen Werder Straße und Aalemannkanal ca. vier Tante Emma Läden und auch einen Frisör.

In den Sommerferien waren wir ca. 20 Nordstern-Kinder unterschiedlichsten Alters im Verein. Wir spielten: „Fischer, Fischer, wie tief ist das Wasser“, „Ziege durch, durch die goldne Brücke“, „Rotes Radieschen, fleißiges Lieschen“, Räuber und Gendarm und auf der Wiese vor dem Verein Treibe- und Völkerball. Im Spandauer Forst gingen wir Blaubeeren suchen. Unser Club-Grundstück besitzt zwischen Bootsschuppen und Geländezaun ein einen schmalen Freiraum, auf dem Arthur Thürer und Hans Barth einen Obst- und Gemüsegarten angelegt hatten. Gerne haben wir Kinder in den Johannisbeersträuchern geräubert. Als wir noch nicht schwimmen konnten, plantschten wir Kinder am Strand des Aalemannkanals oder am Strand bei der Personenfähre.

Zu den Sommerfesten trat Erich Karge als „Onkel Pelle“ auf und spielte die „Teufelsgeige“ im Clownskostüm. Dieses Instrument hat nicht im entferntesten mit einer Geige Ähnlichkeit. Es war nur ein dickerer Stock, an dem zwei Blechteller befestigt waren, die beim Aufstampfen schepperten und Krach machten. Tauziehen, Topfschlagen, Kartoffellauf, u.v.m. wurden gespielt.

Einige Namen der damaligen Nordstern-Kinder sind mir noch im Gedächtnis geblieben. Es waren Doris Segeletz, Karin Ehrke,Christiane Scholle (Nani), Helga und Bernd Schur, Doris Lück, Dieter Ehrenberg, Detlef Liebe, Bernhard Quellhorst, Margit und Gitta Rothermund, Heidi Schäfer, Susanne Schneider, Sabine Trippens, mein Bruder Manfred, Bernd Rothermund, Rainer Winkelmann, Lutz Nölte, Jürgen Dellbruck, Hansi Saegert, Jörg Müller, Kurt Bera und später noch Horst Ketterling, Wolfgang Lehmberg (Lemmi), Harald Wachowski, Achim Kühn, Jutta Renner und andere.

Am Ende des Aalemannkanals gab es eine Holzfabrik (Bauer & Syrsch), die in den 50er Jahren mit Holzflößen beliefert wurde. Dafür standen 3 dicke Dalben in der Mitte der Havel. Links und rechts von unserem Steg standen Takelpfähle, an denen man anlegte, um die langen Segellatten in die Gaffelsegel einzuführen. Vor Regatten, die oft am Steg gestartet wurden, legte man die Jollen am Ufer auf die Seite und machte das Unterwasserschiff „scharf“. Es wurde mit „Rutschirol“ eingerieben, was immer das sein mochte… Der Startball war ein roter Korb, der am schwarz-weiß gestrichenen Mast minutenweise hochgezogen und zum Start fallengelassen wurde.

Einmal, im Juli 1959, ist der Kopfsteg wegen Überlastung zusammen gebrochen. Ich hatte Wolf-Dieter Kunze (4 ½ Jahre) neben mir zu sitzen und habe ihn hochgehalten und zur Leiter bugsiert. Bevor der Verein den 1. Gitterroststeg unter Bauminister Rudi Herrmann bekam, bestand der Stegbelag aus Holzbohlen. Ca. 10 Bohlen waren zusammengeschraubt und bildeten eine Einheit, die regelmäßig im Winter abgenommen, an Land gestapelt und mit Holzschutz gestrichen wurden.

Gerne bin ich mit meinem Bruder von zu Hause zum Nordstern geradelt: Heerstraße lang und rechts in die Pichelsdorfer bis Hakenfelde. Baden und springen vom Steg wurden unsere Lieblingsbeschäftigungen. Gesegelt wurde nur mit den Eltern.

Nach dem 17 Juni 1953, wie auch 1961, haben Westler, die in Ost-Berlin im Verein waren und dort ihr Boot hatten, ihre Clubs verlassen. So kamen mit vielen anderen die Mitglieder Uhse, Virgils, Gutsche, Pospischalla, Sachs, Ebert, Reinhard und auch Familie Schneider zu uns. Hans Schneider, Großvater von Susanne, fand unsere Bootshalle für seinen 20er Jollenkreuzer attraktiv. Susanne wurde meine beste Freundin. Auch eine Laube kaufte Opa Schneider (heute Peter Block gehörend). Auf dem Dachboden erzählten wir uns unsere Jungmädchengeschichten.

Im Winterhalbjahr fanden regelmäßig in den Räumen der Bruno-Gehrke-Halle A-Scheinkurse statt. Einige Mitglieder hatten hierfür die entsprechenden bezirklichen Genehmigungen. Ich persönlich habe immer teilgenommen, aber nie die Prüfung abgelegt. Erst nachdem unser Sohn Sascha geboren war holte ich die Prüfung nach.

Familie Schneider segelte Mitte der 50er Jahre, ihren 20qm Jollenkreuzer „Dickerchen“ auch auf der Ostsee. Im Schlepp einer Zille nach Lauenburg und durch den Elbe-Lübeck-Kanal ging es zur Ostsee. Mit dabei waren Susanne, ihre Eltern Ursel und Heinz sowie Opa Hans. Auf einer dieser Reisen befreundeten sie sich mit Teufelsbrücker Seglern aus Hamburg. Diese Vereinsfreundschaft wurde noch bis Ende der 90er Jahre gepflegt. Nun weiß ich nur noch von 3 persönlichen Freundschaften.

Susanne bekam ein „Kücken“ geschenkt. Das Boot war etwa so groß, wie ein Opti, aber mit spitzem Steven. Es hatte ein Gaffelsegel mit Klau- und Pikfall sowie ein Vorsegel. Wenn wir mit den Eltern vor Anker lagen, konnten wir damit bequem an Land. Im Frühjahr 1961 bekam Susanne einen Piraten von einer Ostbauwerft, der auf den Namen „Bounty“ getauft wurde und die Segelnummer 1705 bekam.

Ungefähr zur gleichen Zeit bekam mein Bruder sein Finn-Dingi 238 „Puck“. Zuvor hatte schon Quelles Opa, Fritz Dembiak, ein Finn-Dingi mit Mallenspanten –einem formgebenden Gerüst – gebaut. Nur, dass die Baustelle nicht die Bootshalle war, sondern unser Berliner Zimmer in der Pariser Str. 12. Kurt und Erwin Walf (Stiefvater von Hansi Saegert) sägten und leimten was das Zeug hergab. Da das Nebenhaus gerade im Bau war, konnte man den Bootsrumpf über unseren Balkon und einem Auslegerbalken am Baugerüst aus der ersten Etage hieven.

In den großen Ferien fuhren „Scholli“ 20er mit „Puck“ und „Dickerchen“ 20er mit „Bounty“ nach Moorlake, um das größere Segelrevier zu nutzen. Mein Vater war von dort täglich mit dem Auto zur Arbeit unterwegs. Die 20qm Jollenkreuzer lagen vor Heckanker und mit dem Steven am Baum befestigt; die „Beiboote“ der Kinder waren seitlich festgemacht. Die Betten wurden aufs Mutterschiff verfrachtet und wir konnten in See stechen. Auch an Land haben wir die Gegend von der Pfaueninsel bis zur Glinicker Brücke erkundet.

Im Verein fanden Jugend-Tanzvergnügen regelmäßig im Jugendhaus statt, das von Gerhard Schäfer liebevoll „Klein Mexiko“ genannt wurde. Jörg Müller holte seinen Plattenspieler aus der Laube oder wir benutzten meinen transportablen, batteriebetriebenen Plattenspieler für 45er Schallplatten (mit Schlitz, ähnlich wie die heutigen CD-Player im Auto). Im Winterhalbjahr fanden auch in verschiedenen anderen Vereinen Tanztreffen statt. Wir „rührten“ mit dem Arm einmal rechts, zweimal links – oder umgekehrt.

Regatten wurden natürlich auch gesegelt. Gerne hätten wir mal das Armband der Damenregatta des Zeuthener Segler-Vereins gewonnen, doch dazu hat es leider nie gereicht. Um zur Regatta an die Unterhavel zu kommen war das offene Motorboot „Ursula-Inge“ mit Wilhelm Paulisch zuständig.

Als Manfred und Peter Beeskow mit ihren Korsaren zum SCN kamen, wurde der offene Spiegel bestaunt. Die ersten Trailer im Nordstern wurden für die Korsaren angefertigt. Onkel Hans von Familie Schlaak hat seine Werkstatt und Maschinen am Wochenende zur Verfügung gestellt und nach der Vorlage des Harbeck-Hängers von Hansi wurden drei Stück gebaut. Einen für die Brüder Schlaak, einen für Beeskows und einen für uns. Als Manfred Richter und Rainer Winkelmann mit Korsar 993 zur Deutschen Meisterschaft am Starnberger See fuhren, war die Begeisterung im Nordstern so groß, dass außer meinen Eltern noch die Familien Küchlin, Winkelmann und Krause dabei sein wollten.

Im Februar 1968 heirateten Manfred und ich und unser gemeinsames Seglerleben begann. Ich hatte eine schöne Kindheit im SCN und blicke dankbar darauf zurück. Doch das Beste war der Fall der Berliner Mauer und damit der ungehinderte Zugang zur wunderbaren Wasserlandschaft Brandenburgs und Mecklenburg-Vorpommerns sowie die 75 Jahre Frieden auf die wir zurückblicken. Am meisten freut mich jedoch, dass wir den Spaß an der Segelei an unseren Enkel Merlin weitergeben konnten.“

Anlage 6: Wirtsleute im Nordstern

Die Wirtsleute spielen eine wichtige Rolle im Club. Wenn nicht anders vermerkt, stammen die Daten dankenswerterweise von Renate Schröter.335

Datum Wirtsleute
1958 Frau Metz336
1964 Herr Janke (vgl. Abschn. 13, Wirtsleute – Foto)
1965 Ehepaar Knuth (vgl. Abschn. 13, Wirtsleute – Foto)
1967 Herbert Last (vgl. Abschn. 13, Wirtsleute – Foto)
10/1968 – 04/1969 Gertrud Huth
04/1969 – 01/1970 Barbara Huth
06/1970 – 08/1971 Elfriede und Hermann Bartels
08/1971 – 10/1971 Hildegard Liebing (SCN)
02/1972 Hildegard Liebing (SCN)
03/1972 – 05/1972 Marianne Schröter
06/1972 – 07/1972 Gerda und Gerhard Salinger
08/1972 – 12/1972 Gerhard und Inge Virgils (SCN)
03/1973 – 04/1973 Magarete Kletzke
06/1973 – 12/1973 Sonja und Heinz Kramer
03/1974 – 01/1975 Lina und Walter Seidel
03/1975 – 11/1976 Maria Cords
05/1977 – 07/1977 Herr Ohlsen
08/1977 – 01/1985 Ingrid Schönke
05/1985 – 12/1985 Herr Gelleszun
1986 Heinz und Irma Krüger (SCN)
1987 – 1990 Herr Hörster
1991 – 1993 Frau Langbecker und Frau Weber
01/1994 – 07/1994 Vladi im Kolk
09/1994 – 12/2001 Frau Kremer
02/2002 – 05/2012 Frau Schäfer
2012 – 2013 Frau Lieske und Herr Weber
2013 – 2016 Herr Zoske und Frau Moos
ab 09/2017 Frau und Herr Michaelis

Quellen: Fußnoten- und Literaturverzeichnis

1 Spandauer Volksblatt, 31.01.1988, Familienanzeigen, S. 19

2 Nölte, Bernhard: Leitz-Ordner SCN bis 1970, Fotosammlung, o.J., unveröff. SCN-Material [Nölte]

3 Otter, Wolfgang (Redaktion) & Segel-Club Nordstern Spandau e.V. (Hrsg.): 75 Jahre Segel-Club Nordstern Spandau, Festschrift zum 75. Jubiläumsjahr, Berlin 1995, Aus der Brückenkladde – Notizen zur Clubgeschichte [Festschrift], S. 21-26, 30-35, 37

4 Nölte, S. 2

5 Klünner, Hans-Werner: Spandau/Siemensstadt – so wie sie waren, Droste Verlag, Düsseldorf 1978

6 Autorenkollektiv: Die Berliner S-Bahn, Transpress VEB Verlag für Verkehrswesen, Berlin 1968, S. 49

7 Nölte, S. 2

8 Nölte, S. 2f.

9 Nölte, S. 6

10 WSVN Jahreskarte und Mitgliedsbuch von Willi Janicke, Spandau 1930 (unveröff.) [Jahreskarte], S. 3

11 Rothkamm, Willy & Willy Ternick: 30 Jahre Freier Segler-Verband 1901 – 1931, Verlag des Freien Segler-Verbandes, Berlin 1931 [Rothkamm], S. 179

12 HistoMap Berlin, Kartenblatt 4352_1937: http://histomapberlin.de/histomap/de/index.html (Abgerufen: 22. Mai 2020, 15:33 UTC)

13 Festschrift, S. 21

14 Rothkamm, S. 41ff.

15 z.B. auch Filmszene aus „Kuhle Wampe oder: Wem gehört die Welt?“

16 Moral mit der Elle gemessen! Spandauer Volksblatt 25.03.1961 [Moral], S. 5

17 Nölte, S. 4

18 Deutscher Segler-Bund, Jahrbuch 1922-24, Deckblatt: https://www.yachtsportmuseum.de/suche/dokumente/resultate/?document=dsb-1922&atitle=Jahrbuch%20des%20DSB%20&sort=string (Abgerufen: 10. Mai 2020, 12:30 UTC)

19 Geschichte des Segel-Club Spandau e.V.: https://scspandau.de/geschichte/ (Abgerufen: 6. Mai 2020, 14:58 UTC)

20 Nordstern-Brief, 2003/2: Erinnerungen von Werner Kunze [Kunze 2003/2], S. 11

21 Festschrift, S. 32

22 Broschüre des Segel-Club Nordstern e.V.: 22. Internationale Deutsche Meisterschaft 29. Juli bis 2. August 2002, Berlin, Varianta-Klasse [IDM], S. 2

23 Rothkamm, S. 143

24 Deutscher Seglerverband: Jahrbuch 1938, Verlag Dt. Seglerverband, Berlin 1938,S. 169

25 Rothkamm, S. 179

26 IDM, S. 2

27 Festschrift, S. 21

28 Festschrift, S. 21

29 Festschrift, S. 21

30 Rothkamm, S. 33

31 Rothkamm, S. 46

32 Rothkamm, S. 48

33 Rothkamm, S. 34

34 Rothkamm, S. 48

35 Rothkamm, S. 58f.

36 Rothkamm, S. 52

37 Rothkamm, S. 198

38 Rothkamm, S. 54

39 Rothkamm, S. 143ff.

40 Stiller, Eike: Der Segelsport in der Arbeitersportbewegung, Zur Geschichte des „Freien Segler-Verbandes“ (FSV) 1901 – 1933, trafo verlag, Berlin 2002 [Stiller], S. 109

41 Rothkamm, S. 56-62

42 Rothkamm, S. 97

43 Rothkamm, S. 46

44 Rothkamm, S. 41

45 Rothkamm, S. 72

46 Rothkamm, S. 84-91

47 Stiller, S. 85ff.

48 Stiller, S. 102

49 Stiller, S. 108

50 Stiller, S. 102

51 Stiller, S. 102

52 Stiller, S. 102

53 Stiller, S. 127

54 Rothkamm, S. 136ff.

55 Rothkamm, S. 137

56 Rothkamm, S. 102

57 Rothkamm, S. 79, 82, 103, 106, 123, 124

58 Rothkamm, S. 211

59 Rothkamm, S. 102

60 Rothkamm, S. 275

61 Stiller, S. 72

62 Rothkamm, S. 275

63 Stiller, S. 72

64 Festschrift, S. 21

65 Stiller, S. 72

66 Nordstern-Brief, 2003/2: Erinnerungen von Werner Kunze [Kunze 2003], S. 14

67 Festschrift, S. 23

68 Nölte, S. 35

69 Spandauer Volksblatt 08.06.1952: Die Ecke für Spandauer Sportvereine, Segel-Club Nordstern

70 Festschrift, S. 23

71 Nordstern-Brief, 2003/2: Erinnerungen von Werner Kunze [Kunze 2003/2], S. 14

72 http://www.rockarchiv.infopartisan.net/berlinszene/heartbreakers/hb_vertr_kuhnert.html (Abgerufen: 18. Mai 2020, 13:50 UTC) [Szene]

73 Szene

74 Sandvoß, Hans-Rainer: Widerstand 1933-1945 in Spandau, Heft 3 der Schriftenreihe über den Widerstand in Berlin von 1933 bis 1945, Felgentreff & Goebel, Berlin 1988 [Sandvoß], S. 8

75 Szene

76 Liederbuch des Freien Wettsegel-Verbandes, Gegründet 1903, Berlin 1924 [Lieder], S. 49

77 Rothkamm, S. 54

78 Rothkamm, S. 221

79 Rothkamm, S. 89

80 Rothkamm, S. 110

81 Rothkamm, S. 64

82 Hennes, Aloys: 200 Ausflüge in die Umgegend von Berlin, Union Dt. Verlagsgesellschaft, Stuttgart, Berlin, Leipzig 1896, S. 216

83 Rothkamm, S. 179

84 Archiv des Stadtgeschichtlichen Museums Spandau (Zitadelle), Beschreibung auf der Rückseite einer Ansichtskarte von 1938

85 Festschrift, S. 21f.

86 IDM, S. 2

87 Rothkamm, S. 59

88 Spandauer Volksblatt 08.06.1952: Die Ecke für Spandauer Sportvereine, Segel-Club Nordstern

89 Festschrift, S. 23

90 Festschrift, S. 22

91 Festschrift, S. 23

92 Festschrift, S. 23

93 Pioniere der Wochenendbewegung, Archiv Ullstein AG, vermutl. in „Telegraf“ [Pioniere], 1955

94 Festschrift, S. 22

95 Stiller, S. 38

96 Festschrift, S. 22

97 Festschrift, S. 23

98 Rothkamm, S. 122

99 Rothkamm, S. 170, 172, 173

100 Nölte, S. 41f.

101 Nordstern-Brief, 2005/2: Erinnerungen von Werner Kunze [Kunze 2005/2], S. 4

102 IDM, S. 2

103 Moral, S. 5

104 Festschrift, S. 26

105 Nölte, S. 47

106 Rothkamm, S. 179

107 Festschrift, S. 23

108 Nölte, S. 42

109 Pioniere

110 Festschrift, S. 23

111 IDM, S. 6

112 Persönl. Mitteilung: Klaus Großpietsch

113 Anschreiben Baupolizeiamt Spandau vom 14.06.1950: Bericht über Bootshaus-Besichtigung mit Herrn Nölte am 09.06.1950

114 Persönl. Mitteilung: Ruth Balzer

115 Persönl. Mitteilung: Ruth Balzer

116 Persönl. Mitteilung: Erika Liesecke

117 Festschrift, S. 27

118 Festschrift, S. 24

119 Bruppacher, Paul: Adolf Hitler und die Geschichte der NSDAP: Eine Chronik. Teil 1 1889 – 1937, Books on Demand, Norderstedt 2008, S. 202

120 Radowicz, Bernd M.: Orte der (POP)ulären Musik in Berlin (West) von 1945 bis 1990, Books on Demand, Norderstedt 2017, S. 29

121 Marjanovic, Mia: Ihm nach! Dann werden wir siegen, Das Hitlerbild in den Goebbels-Tagebüchern 1924-1933, epubli GmbH, Berlin 2013, S. 56

122 Sandvoß, S. 11

123 Sandvoß, S. 117

124 Johannsen, Lasse; Pokorny, Tatjana & Schreiber, Ulrike: 125 Jahre Segelsport in Deutschland, Delius Klasing, Bielefeld 2013, S. 120ff.

125 Festschrift, S. 24

126 Stiller, S. 205

127 Stiller, S. 163

128 Geschichte des Ruppiner Segler Clubs: https://www.ruppiner-segler-club.de/Verein/%C3%BCber-uns (Abgerufen: 6. Mai 2020, 16:03 UTC)

129 Festschrift, S. 24

130 Wikipedia: https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Dietwart&oldid=196220168 (Abgerufen: 5. Mai 2020, 10:13 UTC)

131 Stiller, S. 205

132 Stiller, S. 145

133 Scholle, Gerda: Wir freuten uns auf die Wochenenden im Club, Festschrift [Scholle], S. 27

134 Stiller, S. 147

135 Sandvoß, S. 36

136 Ausschuss für die Olympischen Spiele Berlin 1936, Amt für Sportwerbung: Olympiaheft Nr. 22, Segeln, Berlin 1936, S. 2

137 Stiller, S. 141

138 Stiller, S. 149

139 Warmbold, Thyll: Die „Arisierung“ des deutschen Sports im Nationalsozialismus, Staatsexamensarbeit Geschichte, Georg-August-Universität Göttingen, 2007 [Arisierung], S. 3

140 Arisierung, S. 19

141 Arisierung, S. 17

142 Arisierung, S. 30

143 Wikipedia: https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Kinder-Euthanasie&oldid=199385303 (Abgerufen: 5. Mai 2020, 14:40 UTC)

144 Persönl. Mitteilung: Ruth Balzer

145 Nölte, S. 98

146 Maltzan, Maria von: Schlage die Trommel und fürchte dich nicht, Erinnerungen, Ullstein Verlag, Frankfurt/M., Berlin 1986, S. 160-175

147 Rothkamm, S. 136

148 Bezirksamt Spandau, Jugendgeschichtswerkstatt: Historische Rundgänge durch die Spandauer Neustadt, Teil 2: Stätten der Verfolgung und des Widerstands – die Zeit des Nationalsozialismus in der Neustadt, Spandau o. J. [Rundgang]

149 Sandvoß, Es gab in Spandau eine erstaunlich große Anzahl von Menschen, die Widerstand leisteten und aus allen gesellschaftlichen Schichten kamen: Reichsbanner, SPD, KPD, KPD (0), Bekennende Kirche, Freidenker, Künstler, Zeugen Jehovas, Intellektuelle, Jüdische Gemeinde und die Widerstandsgruppe mit dem „Kennwort 100,05“

150 Festschrift, S. 24

151 Festschrift, S. 24

152 Festschrift, S. 25

153 Nordstern-Brief, 2003/2: Erinnerungen von Werner Kunze [Kunze 2003/2], S. 12

154 Persönl. Mitteilung: Ruth Balzer

155 Festschrift, S. 25

156 Festschrift, S. 30

157 Kunze 2003/2, S. 12

158 Kunze 2003/2, S. 12

159 Festschrift, S. 30

160 Festschrift, S. 30

161 Kunze 2003/2, S. 15

162 Radowicz, Bernd M.: Orte der (POP)ulären Musik in Berlin (West) von 1945 bis 1990, Books on Demand, Norderstedt 2017, S. 29

163 Geschichte des WSV21: https://www.wsv1921.de/geschichte/75-jahre/75-jahre-vereinsleben-von-1945-bis-1990/ (Abgerufen: 8. Mai 2020, 19:55 UTC)

164 Festschrift, S. 31

165 Festschrift, S. 32

166 Festschrift, S. 31

167 Kunze 2003/2, S. 13

168 Kunze 2004/2, S. 5

169 Festschrift, S. 31

170 Kunze 2004/2, S. 4

171 Rundgang, S. 3

172 Kunze 2004/2, S. 5

173 Persönl. Mitteilung: Klaus Großpietsch

174 Kunze 2004/2, S. 4ff.

175 Kunze 2004/2, S. 5

176 Festschrift, S. 31f.

177 Kunze 2004/2, S. 8

178 Persönl. Mitteilung: Renate Schröter

179 Folgende Titel sind überliefert und befinden sich noch im Vereinsbesitz (außer Curry, Manfred: Die Aerodynamik …):

– Ausschuss für die Olympischen Spiele Berlin 1936, Amt für Sportwerbung: Olympiaheft Nr. 22, Segeln, Berlin 1936

– Curry, Manfred: Die Aerodynamik des Segels und die Kunst des Regatta-Segelns; Verlag J. Huber, Diessen vor München 1925 (vgl. Nordstern-Brief 2004/1, Erinnerungen von Werner Kunze, S. 8) [Curry]

– Deutscher Seglerverband: Jahrbuch 1936, Verlag Dt. Seglerverband, Berlin 1936

– Deutscher Seglerverband: Jahrbuch 1938, Verlag Dt. Seglerverband, Berlin 1938

– Deutscher Seglerverband: Jahrbuch 1951, Verlag Dt. Seglerverband, Berlin 1951

– Deutscher Seglerverband: Jahrbuch 1952, Verlag Dt. Seglerverband, Berlin 1952

– Deutscher Seglerverband: Jahrbuch 1953, Verlag Dt. Seglerverband, Berlin 1953

– Deutscher Seglerverband: Jahrbuch 1955, Verlag Dt. Seglerverband, Berlin 1955

– Deutscher Seglerverband: Jahrbuch 1957, Verlag Dt. Seglerverband, Berlin 1957

– Liederbuch des Freien Wettsegel-Verbandes, Gegründet 1903, Berlin 1924

– Rothkamm, Willy und Willy Ternick: 30 Jahre Freier Segler-Verband 1901-1931, Verlag des Freien Segler-Verbandes, Berlin 1931

180 Lohmann, Richard: Bootskonstruktion. Bootsbau, Bootstypen. Eine Einführung in das Wesen von Segelboot und Segeljacht und eine Anleitung zum Verständnis der Konstruktion, Verlag Der Segelsport, Berlin 1922

181 Müller, Erich: Konstruktion und Bau von Segeljollen, Wissenswertes für den Segelsportler und Selbstbauer, Segelsportbücherei Band 12, Verlag Richard Schmidt & Co., Berlin 1930

182 Seit Februar 1907 bestand von privater Seite in der Kurstr. eine Bücherei und Lesehalle, deren Bestand im Jahre 1919 4933 Bände betrug. Am 05.10.1920 wurde eine Stadtbücherei in dem Haus Markt 4 im ersten Stockwerk des Warenhauses Grand eröffnet. (Archiv des Stadtgeschichtlichen Museums Spandau (Zitadelle), Ordner Aa 107 (Rust), Handschriftl. Notizen über die Regierungszeit Spandauer Bürgermeister, Dr. Kurt Woelck 1919-1921)

183 Curry, vgl. oben

184 Festschrift, S. 32

185 Kunze 2005, S. 4

186 Festschrift, S. 33

187 Festschrift, S. 23

188 Festschrift, S. 33

189 Festschrift, S. 33

190 Persönl. Mitteilung: Ruth Balzer, Renate Schröter, Manfred Richter

191 Festschrift, S. 34

192 Festschrift, S. 34

193 Festschrift, S. 34

194 Rüttimann, Karin: Schwalbensommer, Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt/M. 1990, S. 44f. [Rüttimann]

195 Rüttimann, S. 32

196 Anschreiben SCN-Geschäftsstelle, Bernhard Nölte vom 23.03.1976: Antrag zur Rückerstattung der Kosten für die Baugenehmigung

197 Festschrift, S. 35

198 Persönl. Mitteilung: Wolfgang Kaplick

199 Festschrift, S. 35

200 Persönl. Mitteilung: Klaus Großpietsch

201 Festschrift, S. 35

202 Persönl. Mitteilung: Wolfgang Kaplick

203 Festschrift, S. 35

204 Persönl. Mitteilung: Wolfgang Kaplick

205 Festschrift, S. 35

206 Lieder, S. 49

207 Kunze 2004/2, S. 8

208 Festschrift, S. 35

209 Festschrift, S. 35

210 Persönl. Mitteilung: Wolfgang Kaplick

211 Festschrift, S. 37

212 Festschrift, S. 37

213 Festschrift, S. 37

214 Festschrift, S. 37

215 Persönl. Mitteilung: Wolfgang Kaplick

216 Persönl. Mitteilung: Wolfgang Kaplick

217 Festschrift, S. 37

218 Festschrift, S. 37

219 Blaue Europa-Flagge für 20 Sportboot-Häfen, unbekannte Zeitung, 14.06.1998

220 IDM, S. 8f.

221 Rothkamm, S. 85

222Stiller, S. 74ff.

223Stiller, S. 73f.

224Stiller, S. 74

225Stiller, S. 76

226Stiller, S. 71

227 Kunze 2004/1, S. 7

228 Festschrift, S. 31

229 Homepage Potsdamer Yachtclub (PYC): Die 60 Seemeilen von Berlin: https://www.pyc.de/die-60-seemeilen-von-berlin-1 (Abgerufen: 24. Mai 2020, 08:59 UTC)

230 Homepage der DSV-Kreuzer-Abteilung: https://kreuzer-abteilung.org/allgemeine-news/wahre-weiber-wettfahrt-20-jahre-frauenregatta-auf-dem-tegeler-see/ (Abgerufen: 19. Mai 2020, 14:35 UTC)

231 Festschrift, S. 47

232 Nordstern-Brief, 2004/2: Erinnerungen von Werner Kunze, S. 8f. [Kunze 2004/2]

233 Nordstern-Brief, 2005/1: Erinnerungen von Werner Kunze [Kunze 2005/1], S. 5

234 Festschrift, S. 47

235 Kunze 2004/1, Großpietsch, Klaus: Ein Leben für den Segelsport, S. 16f.

236 Rothkamm, S. 102ff.

237 Flyer „per pedes“: Die Gildenhaller Kunsthandwerker erkundet im Stadtbild von Neuruppin, Ein Projekt der Fontanestadt Neuruppin im Rahmen des Themenjahres Kulturland Brandenburg 2016 „handwerk zwischen gestern & übermorgen“

238 Festschrift, S. 37

239 SCN Homepage, Geschwaderfahrt Masuren: https://www.segel-club-nordstern.de/index.php/scn-beitraege-2018/104-geschwaderfahrt-masuren-2019 (Abgerufen: 24. Mai 2020, 09:08 UTC)

240 Scholle, S. 27

241 Stiller, S. 50

242 Stiller, S. 50

243 Rothkamm, Beilage Boots- und Mitglieder-Statisik des FSV

244 Stiller, S. 50

245 Stiller, S. 51

246 Persönl. Mitteilung: Ruth Balzer

247 Festschrift, S. 32

248 Rüttimann, S. 43

249 Rüttimann, S. 68f.

250 Rothkamm, S. 113

251 Stiller, S. 55

252 Scholle, S. 27

253 Nölte, S. 22

254 Stiller, S. 50

255 Kunze 2005/2, S. 4

256 Festschrift, S. 31

257 Festschrift, S. 33

258 Festschrift, S. 35

259 Festschrift, S. 35

260 Soweit nicht anders vermerkt, handelt es sich um offizielle Mitglieder- und Boots-Zahlen der SCN-Geschäftsstelle

261 Rothkamm, S. 179

262 Rothkamm, S. 179

263 Rothkamm, Beilage Boots- und Mitglieder-Statisik des FSV

264 Deutscher Seglerverband, Jahrbuch 1936, S. 88

265 Deutscher Seglerverband, Jahrbuch 1938, S. 169

266 75 Jahre „Schiff ahoi“ für Nordstern, unbekannte Zeitung: Das sprunghafte Anwachsen der Mitglieder beruht 1941 darauf, dass Mitglieder des aufgegebenen Spandauer Wassersportclubs auf Eiswerder zum SCN überwechseln.

267 75 Jahre „Schiff ahoi“ für Nordstern, unbekannte Zeitung

268 Deutscher Seglerverband, Jahrbuch 1951, S. 105

269 Deutscher Seglerverband, Jahrbuch 1952, S. 86

270 Deutscher Seglerverband, Jahrbuch 1953, S. 66

271 Deutscher Seglerverband, Jahrbuch 1955, S. 130

272 Deutscher Seglerverband, Jahrbuch 1957, S. 121

273 Festschrift, S. 33

274 Schätzung

275 75 Jahre „Schiff ahoi“ für Nordstern, unbekannte Zeitung

276 Schätzung aus 1995 und 2005 (ohne Jugendabteilung)

277 Schätzung aus 1995 und 2005

278 Die Ehrengäste bekamen einen Aal, Spandauer Volksblatt 02.08.1955 [Ehrengäste], S. 3

279 Festschrift, S. 31

280 Ehrengäste, S. 3

281 Ehrengäste, S. 3

282 Am Rust ist die Welt zu Ende, Spandauer Volksblatt 24.05.1964, S. 9

283 Festschrift, S. 35

284 Festschrift, S. 37

285 Einladung zum Sommerfest der IG Rust 1995 (Namensstreichung des Geschäftsstellenleiters Roderich Krey)

286 Wenn nicht anders vermerkt, beruhen die Details der Traditionen auf persönl. Mitteilungen Renate Schröters

287 Persönl. Mitteilung: Bernhard Quellhorst

288 Festschrift, S. 45

289 Kunze 2004/1, S. 14

290 Stiller, S. 46

291 Stiller, S. 41

292 Pioniere

293 IDM, S. 6

294 Nölte, S. 15

295 Jahreskarte WSV Nordstern 1930, Bootsverzeichnis

296 Kunze 2005/1, S. 4ff.

297 Festschrift, S. 34

298 Stiller, S. 58

299 Festschrift, S. 32

300 Otter, Wolfgang: Die Ruppiner Langstrecke bietet jedem etwas, Festschrift [Otter], S. 54

301 Otter, S. 54

302 Otter, S. 54

303 19. Seglerwettfahrt am Wochenende, Petrus hatte ein Einsehen, Märkische Allgemeine Zeitung, 18.08.1992,

304 Otter, S. 53

305 Das Hupkonzert wollte kein Ende nehmen, unbekannte Zeitung

306 Lieder, S. 49

307 Kunze 2004/2, S. 8

308 Kunze 2004/2, S. 8

309 Joersfelder Segel-Club e.V.: Herrenabend 1980 (unveröff.)

310 Kunze 2005/2, S. 5

311 Kunze 2004/1, S. 10

312 Kunze 2005/2, S. 5f.

313 Festschrift, S. 32

314 Festschrift, S. 33

315 Persönl. Mitteilung: Renate Schröter

316 Archiv des Stadtgeschichtlichen Museums Spandau (Zitadelle), Ordner Aa 107 (Rust), Handschriftl. Notizen über die Regierungszeit Spandauer Bürgermeister, Dr. Kurt Woelck 1919-1921

317 Maltzahn, S. 160-175

318 Festschrift, S. 24

319 Festschrift, S. 30

320 Festschrift, S. 30f.

321 Festschrift, S. 32

322 Festschrift, S. 32

323 Festschrift, S. 33

324 Festschrift, S. 34

325 Festschrift, S. 34

326 Festschrift, S. 35

327 Berlin-Spandau, Segeln, Berlini-Cup, unbekannte Zeitung 1997; Silberhochzeit der Varianta-Crew, unbekannte Zeitung 1999

328 Berliner Abendblatt, Bezirk Reinickendorf, 07.07.1999

329 Rüttimann, vgl. Seitenzahlen im Text

330 Gemeint ist das Restaurant „Wilhelmsruh“, wo der WSVN als Vorgänger des SCN bis 1930 seinen Standort hatte

331 Die Pappeln am Slipgang des SCN wurden 1971 gefällt

332 Der alte Holzsteg ist 1972 abgebaut worden. Im Mai 1973 wurde der neue Metallsteg eingeweiht.

333 Scholle, S. 27ff.

334 Persönl. Mitteilung: Renate Schröter

335 Persönl. Mitteilung: Renate Schröter

336 Kunze 2005/2, S. 6